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Politik

Sudan - warum die Proteste ins Leere laufen

Kersten Knipp | Ismail Azzam
2. Januar 2019

Seit Wochen demonstrieren Sudanesen gegen Präsident Omar al-Baschir. Der macht ein paar Zugeständnisse und bleibt gelassen. Sein Regime, so sein Kalkül, ist international zu wichtig, um gestürzt zu werden.

Sudan Protest gegen die Regierung in Khartum
Bild: Reuters/M.N. Abdallah

Die Proteste wurden blutig. Mitte Dezember hatten die Bürger in mehreren Städten zu demonstrieren begonnen. Ihr Unmut richtete sich gegen den Plan der Regierung, die Preise für Benzin und Brot zu erhöhen, um damit dem schwachen Wechselkurs und den hohen Inflationsraten zu begegnen. Allein für Weizenprodukte hätten die Menschen fortan den dreifachen Preis zahlen müssen.

Der Protest der Sudanesen beschränkte sich schon bald nicht mehr auf die Teuerungsrate, sondern weitete sich aus ins Politische, gegen Präsident Omar al-Baschir, der das Land seit drei Jahrzehnten autokratisch regiert. Einige Demonstranten zündeten Gebäude der von Baschir geleiteten Nationalen Kongresspartei an, einige Gruppen forderten einen Regierungswechsel. Als die Bürger am 19. Dezember wieder auf die Straßen gingen, griffen die Sicherheitskräfte zu den Waffen. Nach Angaben der Regierung starben 19 Menschen, Amnesty International spricht von mindestens 37 Toten. Führer der Opposition und Organisatoren des Streiks wurden verhaftet. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte löste Entsetzen und Empörung im ganzen Land aus.

Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen: Präsident Omar al-BaschirBild: picture-alliance/Xinhua News Agency/M. Khidir

"Das Regime von Baschir kann die derzeitige Krise nicht lösen, weil es regional wie international politisch und wirtschaftlich isoliert ist", begründeten Gegner des Präsidenten auf einer Pressekonferenz in der sudanesischen Hauptstadt Khartum ihre Rücktrittsforderungen. Dies könne nur eine neue Regierung, die das Vertrauen der sudanesischen Bevölkerung genieße. Als der Präsident nicht reagierte, nahmen die Proteste zu - bis Baschir sich am Dienstag bereit erklärte, eine vom sudanesischen Justizminister geleitete Aufklärungskommission einzusetzen.

Keine internationale Unterstützung für die Opposition

Bislang haben die Demonstrationen in westlichen Staaten nur wenig Aufmerksamkeit erfahren, wenn überhaupt. Die geringe Resonanz sei enttäuschend, sagt Mohamed Hassan, ein Politiker der oppositionellen Sudanesischen Kongresspartei. "Wir hatten mehr Unterstützung erwartet, erkennen nun aber, dass die internationale Politik stark von ihren eigenen Interessen geleitet ist", so Hassan im Gespräch mit der DW.

Die Regierung des Sudan habe ein regionales Netzwerk geflochten, in dem sie ihre Interessen umzusetzen versuche. Dies geschehe vor allem, indem sie sich bereit erkläre, illegale Migration zu bekämpfen. "Die Regierung versucht, Migranten und Asylsuchende an der Flucht aus Afrika zu hindern. Zudem engagiert sie sich im Antiterror-Kampf."

Tatsächlich hat der Sudan unter Omar al-Baschir bislang eine politisch düstere Bilanz hingelegt: Der Präsident selbst wird wegen Völkermords und Kriegsverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht. Die Konflikte mit Rebellengruppen in Darfur und den Nuba-Bergen schwelen weiterhin, Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Regierung wegen fehlender Bürger- und Freiheitsrechte.

Baschir: Garant regionaler Interessen

Dass sich Präsident Baschir dennoch weiter halten kann, gehe vor allem auf den Umstand zurück, dass seine Herrschaft den Interessen zahlreicher internationaler Partner auf vielerlei Weise entgegenkomme, sagt der libanesische Politikwissenschaftler Amin Qamuriya in der DW-Sendung "Massaiya".

Gesammelter Unmut: Proteste in Khartoum, Dezember 2018Bild: Reuters/M. N. Abdallah

So stammten viele Soldaten der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition im Jemen aus dem Sudan. "Sollte sich die politische Lage dort verschärfen, könnte die Regierung diese Soldaten zurückbeordern." Daran habe Saudi-Arabien kein Interesse.

Auch Ägypten sei an einer stabilen Lage im südlichen Nachbarland Sudan interessiert. Viele der im umkämpften Libyen erhältlichen Waffen kämen über den Sudan in das nordafrikanische Land. Dies versuche Ägypten zu verhindern, und zwar in Zusammenarbeit mit Baschir. "Zudem zieht die ägyptische Regierung es ganz allgemein vor, nicht mit den politischen Parteien des Sudan, sondern mit dem Präsidenten zu reden."

USA und EU stützen Baschir

Auch Washington habe Gründe, sich Baschir gegenüber geduldig zu zeigen, sagt Mohamed Hassan von der Sudanesischen Kongresspartei. "Besonders seitdem Trump den Rückzug aus Syrien beschlossen hat, versuchen die Amerikaner, Söldner zu finden, die sie in Syrien einsetzen können. Und kein Regime verkauft diese Söldner billiger als das sudanesische."

Auch die EU-Staaten arbeiten gut mit Baschir zusammen. Mit seiner Hilfe lässt sich die Migration aus dem östlichen Afrika nach Europa unterbinden. Außerdem gilt der sudanesische Präsident als wichtiger Partner in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus.

"Das gemeinsame Ziel bei der Grenzkontrolle ist es, den Darfur-Rebellen, die sich in Libyen als Söldner verdingen, den Rückzug zu erschweren, mögliche Dschihadistenrouten zwischen dem Sahel und dem Horn von Afrika abzuschneiden und letztendlich die Migrationsströme zwischen dem Horn von Afrika und dem Mittelmeer zu kontrollieren", schreibt die Sudan-Expertin Annette Weber von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Für seine Kooperation erwartet der Sudan im Gegenzug finanzielle Unterstützung von der EU.

Die Proteste im Sudan finden mithin kaum ein internationales Echo. Und Präsident Omar al-Baschir scheint zu wissen, dass er sie nicht fürchten muss. Die internationalen Interessen, die er bedient, scheint er als hinreichende politische Versicherung zu verstehen.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika