Sudetendeutschen-Treffen erstmalig seit 1945 in Tschechien
2. Dezember 2025
Der Sudetendeutsche Tag, zu dem sich seit 1950 jedes Jahr zu Pfingsten Vertreter von mehr als drei Millionen vertriebenen Deutschen aus Tschechien in einer deutschen Stadt trafen, ist für den 24. Mai 2026 in der zweitgrößten tschechischen Stadt Brno (Deutsch: Brünn) geplant. Es findet im Rahmen des Festivals "Meeting Brno" statt, das seit zehn Jahren mit Unterstützung der Stadt und der Region Südmähren vom gleichnamigen Bürgerverein organisiert wird.
"Für viele ältere Menschen kann dies Versöhnung bringen", erklärt Bernd Posselt, Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft, gegenüber der DW. "Für Jüngere wird dieser Sudetendeutsche Tag eine Gelegenheit sein, neue Kontakte zu knüpfen und das Land ihrer Vorfahren besser kennenzulernen." Das biete für beide Seiten die Chance, zahlreiche bereits bestehende Freundschaften weiter zu vertiefen.
Dieses noch vor zehn Jahren unvorstellbare Treffen ist dank der veränderten Atmosphäre in den deutsch-tschechischen Beziehungen möglich geworden. An deren Anfang stand die Deutsch-tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und ihre zukünftige Entwicklung aus dem Jahr 1997. Die Erklärung hat den Zukunftsfonds und das bis heute bestehende Deutsch-Tschechische Gesprächsforum ins Leben gerufen, in dem sich seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre regelmäßig tschechische, deutsche und sudetendeutsche Vertreter, Politiker und Repräsentanten der Zivilgesellschaft in beiden Ländern treffen.
Für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Tschechen und Vertriebenen war zudem von entscheidender Bedeutung, dass 2015 aus der Satzung der Landsmannschaft der Teil gestrichen wurde, der eine Entschädigung für das Vermögen forderte, das die Angehörigen der deutschen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg in Tschechien zurücklassen mussten. Etwa ein Drittel der Tschechen besitzt nämlich Immobilien, die vor 1945 Eigentum der Sudetendeutschen waren - vor allem in den Gebieten entlang der deutschen Grenze.
Von Feinden zu Landsleuten
Als historischer Schritt wird rückblickend auch die Rede des ehemaligen tschechischen Premierministers Petr Necas angesehen, der sich 2013 in München mit den Worten "Liebe Landsleute und ehemalige Mitbürger" an die Sudetendeutschen gewandt hatte. Eine wichtige Rolle spielt auch die umfangreiche Dauerausstellung "Nasi Nemci - Unsere Deutschen" im Museum der Stadt Usti nad Labem (deutsch: Aussig an der Labe), die der tausendjährigen Geschichte der deutschen Besiedlung in Tschechien gewidmet ist und 2021 eröffnet wurde.
Wie gut die Beziehung zwischen Tschechen und Sudetendeutschen mittlerweile ist, zeigt sich auch darin, dass in den letzten Jahren regelmäßig Minister der tschechischen Regierung zu den Sudetendeutschen Tagen reisten. Zuletzt war es in diesem Jahr Bildungsminister Mikulas Bek, der in Regensburg das 75. Treffen der Vertriebenen im Namen der tschechischen Regierung begrüßte und sie als "Landsleute" ansprach. Bernd Posselt wurde im vergangenen Jahr sogar von einem Abgeordneten der tschechischen christlich-demokratischen Partei KDU-CSL für seine Hilfe beim Aufbau der tschechisch-deutschen Beziehungen für eine hohe tschechische staatliche Auszeichnung vorgeschlagen.
Brno veranstaltet seit zehn Jahren ein "Festival der Versöhnung"
"Die Idee, zum Treffen der Sudetendeutschen nach Brünn einzuladen, kam mir bereits 2015 auf ihrem Kongress in Augsburg", sagt David Macek, Gründer des Festivals "Meeting Brno" und einer der geistigen Väter des geplanten Treffens. "Ich fand es absurd, dass sich die Sudetendeutschen auch Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs immer noch nur in Deutschland trafen und nostalgisch an ihre alte Heimat zurückdachten - und sagte mir: Warum treffen sie sich nicht hier", erklärt Macek.
Schon seit zehn Jahren legen Vertreter der Sudetendeutschen im Rahmen von "Meeting Brno" unter anderem Kränze an Denkmälern für tschechische Opfer des Nationalsozialismus und der deutschen Besatzung nieder. Gemeinsam mit den Tschechen erinnern sie mit einem "Marsch der Versöhnung" in Richtung österreichische Grenze an den "Todesmarsch" der Deutschen, die Ende Mai 1945 gewaltsamen aus Brünn vertrieben wurden.
Angesichts dessen erscheint es auch dem Sudetendeutschen-Vorsitzenden Posselt nur logisch, dass sich seine Landsmannschaft symbolisch zum ersten Mal gerade in Brno versammeln, wo die deutschsprachige Bevölkerung jahrhundertelang einen wesentlichen Teil des Stadtlebens ausgemacht hat. "In den letzten zehn Jahren haben wir mit mehreren hundert Sudetendeutschen aus Bayern und Baden-Württemberg am Brünner Marsch der Versöhnung teilgenommen, und unsere Mitglieder haben diese Stadt wirklich ins Herz geschlossen", so Posselt.
Dagegen sind nur Extremisten
Die Meldung über den Sudetendeutschen-Kongress in Tschechien, die noch vor zehn oder zwanzig Jahren eine Welle negativer Emotionen ausgelöst hätte, stieß diesmal nur auf Widerstand von Extremisten. Vertreter der Kommunisten meldeten sich zu Wort und versuchten, eine Protestdemonstration zu organisieren. Zu dieser kamen jedoch nur einige Dutzend ihrer Anhänger.
Ernsthafter ist der Widerstand der rechtsextremen Partei "Freiheit und Direkte Demokratie" (SPD), die zwar bei den Wahlen im Oktober nur 7,8 Prozent der Stimmen erhielt - aber Teil der geplanten neuen Regierungskoalition unter Führung der siegreichen populistischen Bewegung ANO des Oligarchen Andrej Babis ist. SPD-Vorsitzender Tomio Okamura ist Präsident des tschechischen Parlaments - und gegen das Treffen der Sudetendeutschen in Tschechien.
"Ich bin mit der Abhaltung des Kongresses der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Brünn nicht einverstanden", schrieb Okamura im Netzwerk X. Die Abgeordneten seiner Partei fordern nun die Rückzahlung der mehreren Millionen Euro an staatlichen und kommunalen Fördermitteln, mit denen "Meeting Brno" unterstützt wird.
Landsmannschaftsvorsitzender Posselt erwartet keine grundlegenden Probleme seitens der tschechischen Regierung: "Die Tschechische Republik ist keine Bananenrepublik, sondern ein tolerantes und zivilisiertes europäisches Land. Jeder aus der Politik, der am Sudetendeutschen Tag teilnehmen möchte, ist ebenso willkommen wie alle interessierten tschechischen Bürger", erklärte Posselt gegenüber der DW. "Wenn jemand sich weigert, am Sudetendeutschen Tag teilzunehmen, oder seine Ablehnung zum Ausdruck bringt, ist das ebenfalls sein gutes Recht."
David Macek würde es sogar begrüßen, wenn auch Vertreter der tschechischen SPD persönlich am Treffen in Brno teilnehmen würden. "Ich würde ihnen diese persönliche Erfahrung gönnen", sagte Macek gegenüber der DW. Und zu einer möglichen Einladung von SPD-Chef Okamura fügte Macek hinzu: "Alle sind eingeladen."