Südkorea will zweite Amtszeit für Präsidenten möglich machen
25. September 2025
Weniger als vier Monate nach seiner Wahl hat der südkoreanische Präsident Lee Jae Myung eine ehrgeizige Kampagne für eine Verfassungsreform angekündigt. Sie soll künftigen Präsidenten zwei aufeinanderfolgende vierjährige Amtszeiten ermöglichen. Bisher müssen sie nach einer Amtsperiode, die fünf Jahre andauert, den Weg für andere Bewerber frei machen.
Die Initiative, die insgesamt 123 Punkte umfasst, steht ganz oben auf der politischen Agenda der Regierung. Befürworter sagen, es sei vorteilhaft, wenn zeitgleich die Präsidentschafts- und die Parlamentswahlen stattfinden würden. Mehr Kontinuität in der Politik und eine breitere Verantwortung beider Verfassungsorgane könne so gewährleistet werden.
Analysten weisen aber darauf hin, dass für Verfassungsänderungen eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erforderlich ist. Sie fürchten, dass die Opposition Lees Pläne wahrscheinlich durchkreuzen wird.
Unterschiedliche Wahlperioden bei Präsidenten und Parlament
"Als die geltende Verfassung im Jahr 1987 geschrieben wurde, war die größte Kontroverse darüber, wie der Präsident gewählt wird", sagt Lee Sang-sin, Politologe am Koreanischen Institut für Nationale Vereinigung.
Vor 1987 war Südkorea vom Militär autoritär regiert und der Präsident vom de facto entmachteten Parlament gewählt worden. Mit der neuen Verfassung von 1987 wurde dann der Präsident bis heute mit einer Amtszeit von fünf Jahren direkt gewählt.
"Das Problem ist jetzt, dass die in die Nationalversammlung gewählten Abgeordneten eine vierjährige Amtszeit haben. Die Wahlen von Präsidenten und vom Parlament sind nicht synchron", erläutert Lee Sang-sin im DW-Interview. Das würde zu politischer Instabilität und im Extremfall zum Staatsversagen führen.
Absolute Mehrheit bei der Stichwahl?
Die Regierung von Präsident Lee stellt klar, dass der Mitte-Links-Politiker nicht erneut kandidiert, wenn seine Amtszeit 2030 zu Ende geht, selbst wenn die Verfassungsreform vom Parlament gebilligt würde und eine zweite Amtszeit nach dem Referendum möglich wäre.
Vorgeschlagen wird auch eine Stichwahl bei den künftigen Präsidentschaftswahlen. Zwei Kandidaten mit den meisten Stimmen in der ersten Runde, wenn keiner von ihnen mehr als 50 Prozent der abgegebenen Stimmen erhält, ziehen dann in den zweiten Wahlgang. Aktuell reicht lediglich eine einfache Mehrheit.
Der Regierungspartei um Präsident Lee fehlen derzeit sechs Sitze, um eine Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsänderung im Parlament zu erreichen. Nach der Billigung in der Nationalversammlung müssen die Änderungen dann in einem Referendum mit einfacher Mehrheit angenommen werden. Somit hat die Opposition durchaus Einfluss auf die Gestaltung der geplanten Schritte.
"Viele Präsidenten, sowohl vom konservativen als auch vom progressiven Flügel in der koreanischen Politik, hatten sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, das System so zu verändern, dem Präsidenten eine zweite Amtszeit zu ermöglichen. Aber ich glaube trotzdem, dass es für Lees Demokratische Partei schwierig sein wird, dies durchzusetzen, weil die Opposition Widerstand leisten wird", sagt Politologe Lee.
Scheitern trotz breiter Unterstützung?
Es liege nicht am Vorschlag selbst, sondern an anderen Änderungen, die in der Verfassung aufgenommen werden sollten, wie die Rechte der Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen und die Position der Regierung in Bezug auf das kommunistische Nordkorea. Darüber soll en bloc abgestimmt werden.
"Einige der anderen Dinge, die Präsident Lee in der Verfassung ändern will, insbesondere in Bezug auf gleichgeschlechtliche Ehen, Menschenrechtsfragen und die Art und Weise, wie wir mit Nordkorea umgehen, würden von den Konservativen in der Nationalversammlung entschieden abgelehnt werden", sagt Politologe Lee.
Südkorea wolle den Wahlrhythmus nach dem Vorbild der USA reformieren, sagt Kim Sang-woo, Vorstandsmitglied der Kim Dae-jung Peace Foundation, die nach dem Friedensnobelpreisträger und Südkoreas Ex-Präsident Kim Dae-jung benannt ist.
Die vorgeschlagenen Änderungen sollten "einer amtierenden Regierung mehr Zeit geben, sich zu beweisen und ihre Politik zu demonstrieren, bevor die Wähler eine Entscheidung treffen, ob sie wieder- oder abgewählt wird."
Kim weist darauf hin, dass die vorgeschlagenen Reformen die Machtverteilung innerhalb der Regierung "grundlegend verändern" würde. "Das Ziel ist es, die Minister und ihre Mitarbeiter dazu zu bringen, Entscheidungen aus eigener Initiative zu treffen, anstatt sich ständig vom Büro des Präsidenten leiten zu lassen", sagt Kim.
Umfragen haben gezeigt, dass mehr als 60 Prozent der koreanischen Öffentlichkeit diese Änderungen befürworten. "Sie müssen umfassend sein und einem Präsidenten die Möglichkeit von zwei Amtszeiten geben. Das wirklich Wichtige daran ist, Macht und Verantwortung besser zu delegieren."
Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand