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Politik

Der lange Kampf für das Frauen-Wahlrecht

6. Februar 2018

Zunächst mit Worten, dann mit Bomben: Anfang des letzten Jahrhunderts radikalisierte sich die Frauenbewegung in Großbritannien. Ihr Ziel - endlich auch wählen dürfen - erreichten die Suffragetten am 6. Februar 1918.

Uk Suffragetten | Kampagne gegen die Liberale Partei 1910
Bild: Getty Images/Hulton Archive

Mut und Verzweiflung müssen zusammengekommen sein in dem Moment, in dem Emily Davison einige Schritte nach vorne ging. An diesem 4. Juni 1913 schlüpft sie unter einer Absperrung hindurch, tritt auf die Pferderennbahn des Epsom Derby - genau in dem Moment, als das Pferd von König George V. in donnerndem Galopp angestürmt kommt. Hengst Anmer kommt immer näher. Direkt auf Emily Davison zu. Das Pferd überrennt die Frau. Als sie stürzt ruft sie nach Aussage von Augenzeugen laut "Suffrage". Es ist das Englische Wort für "Wahlrecht". In dem Moment fällt der Jockey und Davison wird auf das Grad geschleudert. Dort bleibt sie still liegen. All das ereignet sich unter den Augen tausender Zuschauer des bekanntesten Pferderennens der damaligen Zeit. Darunter König und Königin sowie Kameraleute, die sich vor der Kurve des Tattenham Corner positioniert hatten.

Vier Tage später stirbt Davison und wird so zur Märtyrerin der Frauen, die sich Suffragetten nennen. Es ist die Frauen-Wahlrechtsbewegung in Großbritannien. Ein Trauermarsch durch London wird zur Machtdemonstration. Bis heute ist nicht klar, ob Davison sterben oder auf andere Weise ein Zeichen für ihre Sache setzten wollte. Bereit, bis zum Äußersten zu gehen, waren sie und ihre Mitstreiterinnen aber in jedem Fall. Sie suchten den Streit mit dem Establishment. "Sie gingen etwa Sonntags in dieselbe Kirche wie wichtige Politiker und konfrontierten sie dort mit ihrem Anliegen", sagt die Buchautorin Diane Atkinson im Gespräch mit der DW. "Sie fanden heraus, wo die Politiker Golf spielten und vermiesten ihnen dort das Vergnügen. Sie verschoben die Grenzen dessen, was als akzeptables Verhalten von Frauen angesehen wurde in einem Ausmaß, dass man nie zuvor gesehen hatte."

Taten statt Worte

Jahrzehntelang hatten Frauen vergeblich für ihr Wahlrecht gekämpft, in Großbritannien noch engagierter als anderswo in Europa. Nun waren einige bereit, das Gesetz zu brechen, um ihr Recht zu erlangen. Ganz vorneweg: die Pankhurst-Frauen. Schon 1903 hatte Emmeline Pankhurst mit ihren Töchtern Christabel und Sylvia die Women's Social and Political Union (WSPU) gegründet.

Ikone der Frauenbewegung: Emmeline PankhurstBild: picture alliance/akg-images

"Das waren sehr kluge Frauen mit echtem Verständnis für Politik", sagt Autorin Atkinson, deren neuestes Buch über "Das bemerkenswerte Leben der Suffragetten" gerade erscheint. "Aber wichtiger noch: sie waren zielstrebig, hatten Sendungsbewusstsein. Sie sahen gut aus, waren gut gekleidet, schlau, brillante Rednerinnen. Sie waren charismatisch. Viele junge Frauen wollten genau so sein. Sie waren Popstars."

Fortschrittlich waren sowohl Bildsprache als auch Botschaft der Suffragetten

Deshalb sei es den Pankhursts gelungen, Frauen aus allen Schichten und Altersgruppen für ihre Sache zu begeistern. Ihr Motto: Taten statt Worte. Die radikaleren unter ihnen warfen Schaufenster ein, sprengten Briefkästen in die Luft, zündeten leerstehende Gebäude an. Hart ging die Staatsgewalt gegen sie vor, prügelte Versammlungen auseinander, warf die Frauen ins Gefängnis. Wer dort in Hungerstreik trat wurde zwangsernährt. Doch die Bewegung erhielt weiter Zulauf. Auch weil die Pankhurst-Frauen mit modernem Design so etwas wie eine Marke schufen. Diese Marke war leicht zu erkennen und sprach die Menschen an. Fünf Jahre nach dem Tod Emily Davisons, am 6. Februar 1918 war es schließlich so weit. In Westminster wurde ein Gesetz erlassen, das zumindest Frauen über 30 mit einem bestimmten Vermögen die Teilnahme an Wahlen ermöglichte.

Weltweit ein langer Weg zum Frauenwahlrecht

"In Deutschland gab es keine Emmeline Pankhurst, die Steine geworfen hat und ins Gefängnis gegangen ist", sagt Dr. Gilla Dölle, Geschäftsführerin des Archivs der deutschen Frauenbewegung in Kassel. Die Frauenbewegung in Deutschland werde im Vergleich mit England deshalb immer als etwas langweiliger angesehen. "Aber das heißt nicht, dass es keine Bewegung gab", so Dölle im Gespräch mit der DW. "Ganz im Gegenteil: bereits 1865 hat sich in Deutschland der Allgemeine Deutsche Frauenverein in Leipzig gegründet. Das war der Anfangspunkt für die Frauenbewegung hierzulande."

Diese Bewegung setzte vor allem auf Petitionen an den Reichstag. Der verabschiedete nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der Monarchie in Deutschland schließlich ein neues Wahlgesetz, das Frauen das aktive und passive Wahlrecht zusprach. Dies trat am 30. November 1918 in Kraft. Am 19. Januar 1919 konnten deutsche Frauen dann die Nationalversammlung mit wählen.

Zumindest ein Anfang: Stimmabgabe in Saudi-Arabien 2015Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Batrawy

In anderen Ländern mussten Frauen noch viele Jahrzehnte kämpfen, bis sie dieses Recht schließlich wahrnehmen konnten. In der Schweiz etwa dauerte der Kampf ums Wahlrecht bis 1971. In Saudi Arabien standen Frauen 2015 zum ersten Mal an den Urnen. Allerdings stehen dort nur Gemeinderäte mit geringen Befugnissen zur Wahl.

"Frauen, die kein Wahlrecht haben oder für andere Rechte kämpfen, können von den Suffragetten in Großbritannien lernen.", sagt dazu Autorin Atkinson. "Sie kamen aus unterschiedlichen sozialen Klassen und aus ganz vielen Berufsgruppen. Und sie hatten ganz unterschiedliche Lebenserfahrungen. Aber sie taten sich zusammen, um dieses eine große Ziel zu erreichen. Das Wahlrecht für Frauen. Um ihre Ziele zu erreichen sollten Frauen auch heute so vorgehen." Manchmal bräuchte es dafür nicht einmal den Mut der Verzweiflung, so Atkinson. Freundschaft und Solidarität zwischen Frauen sei schon ausreichend, um viel zu bewegen.

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