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Suhrkamp-Verlag beantragt Schutzschirm

Petra Lambeck28. Mai 2013

Eigentlich kennt man den Begriff nur aus der Wirtschaftskrise, doch nun steht auch Deutschlands Traditionsverlag unter einem "Schutzschirm". Ein Ausweg aus dem tobenden Machtkampf im Haus?

ARCHIV - ILLUSTRATION - Bücher des Suhrkamp-Verlags liegen am 13.02.2013 in einer Buchhandlung in Frankfurt am Main (Hessen) auf einem Tisch. dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Ein Aufschrei geht durch die deutsche Medienlandschaft: Der Suhrkamp-Verlag hat ein Insolvenzverfahren beantragt! Das Wort "Insolvenz" erschreckt, doch muss man genauer hingucken, denn der Verlag ist keineswegs pleite oder zahlungsunfähig. Es geht in diesem Fall um ein Verfahren in Eigenverwaltung, ein sogenanntes "Schutzschirmverfahren". Dass der Verlag nicht insolvent ist, betont auch Suhrkamps Sprecherin Tanja Postpischil. "Wir sind voll zahlungs- und handlungsfähig. Das Verfahren ist dazu da, eine Insolvenz zu verhindern." Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass ein so traditionsreicher Verlag wie Suhrkamp in eine solch prekäre Lage gerät?

Machtkampf als Auslöser

Suhrkamp ist in der Hand von zwei Gesellschaftern, und die Zusammenarbeit zwischen den beiden ist mehr als schwierig. Der eine Gesellschafter ist eine Stiftung - die Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung. Deren Vorsitzende ist Ulla Unseld-Berkéwicz, die Witwe des einstigen Verlegers Siegfried Unseld. Der andere Gesellschafter ist die Medienholding AG Winterthur, an deren Spitze der Medienunternehmer Hans Barlach steht. Letzterer kaufte sich im Jahre 2006 gegen den Willen der Familienstiftung in den Verlag ein, indem er die Anteile des vorherigen Mitgesellschafters übernahm. Er hält 39 Prozent am Verlag, die Familienstiftung 61 Prozent.

Zwischen diesen beiden Gesellschaftern herrschte von Beginn an eine Art Kriegszustand. Eine direkte Kommunikation ist quasi unmöglich, es laufen unzählige Gerichtsverfahren, die schließlich darin gipfelten, dass beide Gesellschafter vor Gericht den Ausschluss des jeweils anderen beantragten. Hans Barlach toppte das dann noch, indem er - für den Fall, dass er mit seinem Antrag nicht durchkommt - die Auflösung der Verlagsgesellschaft verlangte. Ein Gericht sollte darüber am 13. Februar entscheiden, doch die Entscheidung wurde - mit Verweis auf die Vermittlungsbemühungen - auf Ende September vertagt.

Suhrkamp-Verlagszentrale in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Im März dieses Jahres setzte der Minderheitsgesellschafter Hans Barlach vor Gericht zudem durch, dass der Verlag ihm knapp 2,2 Millionen Euro aus dem Bilanzgewinn aus dem Jahre 2010 auszahlen muss. Eine spektakuläre Niederlage für die Familienstiftung und nach Angaben des Verlags auch Auslöser für das jetzige Schutzschirmverfahren. "Der Verlag braucht Kapital, um zu wirtschaften", so Verlagssprecherin Tanja Postpischil. "Wenn wir das jetzt zahlen müssten, hätte der Verlag ein Problem." Dank des Schutzschirmes ist diese Zahlungsverpflichtung zunächst einmal ausgesetzt. Mitarbeiterverträge sind durch die Antragstellung nicht betroffen, auch Autorenverträge bleiben bestehen, so die Aussage des Verlags.

Ausweg gesucht – dringend

Der Verlag erhofft sich von diesem Schritt einen Ausweg aus den endlosen Auseinandersetzungen auf der Ebene der Gesellschafter. Mit Hilfe von zwei führenden deutschen Insolvenzspezialisten will Suhrkamp in den nächsten drei Monaten einen Sanierungsplan erarbeiten, der eventuell auch in die derzeitige Gesellschafterstruktur eingreift. Genauere Angaben will derzeit niemand machen. Fest steht, dass viel auf dem Spiel steht, denn Suhrkamp ist nicht einfach irgendein Verlag: Er war das intellektuelle Zentrum der alten (westdeutschen) Bundesrepublik.

Hier wurden Philosophen wie Theodor W. Adorno, Ernst Bloch und Jürgen Habermas verlegt, junge Schriftsteller wie Martin Walser oder Peter Handke – Autoren, die heute berühmt sind – und auch viele internationale Größen, darunter Marcel Proust, T.S. Eliot und Samuel Beckett. Eine Liste, die noch um viele weitere bekannte Namen ergänzt werden könnte.

Ulla Unseld-Berkewicz vor einem Plakat ihres verstorbenen Mannes und Verlegers Siegfried UnseldBild: picture-alliance/AP

Hinzu kommt die lange Liste der Klassiker, die bei Suhrkamp verlegt werden: Autoren wie Herman Hesse oder Max Frisch, die dem Verlag die Kassen füllen. Der amerikanische Literaturwissenschaftler George Steiner prägte Anfang der siebziger Jahre eigens den Begriff der "Suhrkamp-Kultur" (suhrkamp culture).

Hans Barlach, Minderheitsgesellschafter bei SuhrkampBild: picture-alliance/dpa

Eine solche Monopolstellung, wie Suhrkamp sie einst hatte, hat der Verlag heute nicht mehr. Nichtsdestotrotz ist Suhrkamp nach wie vor ein wichtiger deutscher Verlag und das nicht nur aufgrund seiner historisch bedeutsamen Vergangenheit, zumal er einer der wenigen mittelständischen Verlage ist, die noch nicht Teil eines Großkonzerns sind. Bleibt nur zu hoffen, dass das auch in Zukunft so bleiben wird. Der Suhrkamp-Krimi geht weiter – Ende nach wie vor offen.

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