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Super Bowl: Sonntag der Superlative

Heiko Oldörp Miami
31. Januar 2020

Im ersten Super Bowl blieb noch ein Drittel der Sitze leer. Doch seitdem hat sich das Finale der National Football League zu einem Straßenfeger und Quotenbringer entwickelt. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Sport.

Super Bowl New England Patriots vs. Los Angeles Rams Touchdown
Bild: picture-alliance/newscom/K. Dietsch

Sie haben es so gewollt in Miami. Alle wussten, was in diesen Tagen auf sie zukommen würde. Der größte Wanderzirkus der Welt macht in dieser Woche hier Station. Miami, das sind derzeit nicht nur Sonne, Strand und sommerliche 25 Grad Celsius, sondern das ist vor allem der Super Bowl LIV - das 54. Endspiel (verfolgen Sie das Duell hier im DW-Liveticker). Unübersehbar. Entlang des Biscayne Boulevard, der vom Norden direkt bis ins Stadtzentrum führt, ist jede Straßenlaterne mit einem Banner versehen. Und auch auf vielen Hochhäusern wird für das Football-Finale an diesem Sonntag zwischen den Kansas City Chiefs und den San Francisco 49ers geworben. Bei San Francisco steht mit Mark Nzeocha auch ein Spieler aus Deutschland unter Vertrag.

In Downtown avanciert das Fanfest im Bayfront-Park zur Pilger- und Begegnungsstätte für Fans und Einheimische und am South Beach lockt die NFL-Experience, eine Art überdimensionale Football-Kirmes, die Besucher an, wie sonst nur der berühmte Strand. Hinzu kommen bis zu diesem Sonntag unzählige Parties. "Miami ist bereit, euch den roten Teppich auszurollen", schrieb die Tageszeitung "Miami Herald" in Richtung der zu erwartenden rund 200.000 Football-Fans, die zum Finale nach Florida reisen werden.

Straßensperren, Umleitungen, Staus

Allerdings bietet Miami aufgrund des großen Andrangs auch Straßensperren, Umleitungen und Staus. Kein Wunder, denn selbst ohne Super Bowl LIV gibt es hier schon viel zu viele Autos. Doch das ständige stop and go scheint nur die Touristen zu stören. Die Miamians selbst nehmen all das mit jener Gelassenheit, die typisch für Südflorida ist. Zumal sie es hier schon gewohnt sind, das größte Ein-Tages-Sportevent der Welt auszutragen. Immerhin ist Miami bereits zum elften Mal Super Bowl-Gastgeber - so oft, wie keine andere Stadt.

Saubermachen fürs große Endspiel - Miami bereitet sich auf den 54. Super Bowl vorBild: picture-alliance/AP Photo/C. Carlson

Einen ganz anderen Rekord hält Norma Hunt. Sie ist die einzige Frau, die bei allen bisherigen 53 Super Endspielen live dabei war. Diese beeindruckende Serie wird die Gattin des 2006 verstorbenen Besitzers der Kansas City Chiefs, Lamar Hunt, am Sonntag ausbauen. Schließlich ist dieser Super Bowl LIV auch für sie etwas Besonderes. Erstmals seit 1970 spielen ihre Chiefs wieder um die Football-Krone. "Ich hatte vor dem Halbfinale zu meinem Sohn gesagt, dass es schön wäre, die Chiefs mal wieder im Super Bowl zu sehen - dieser Wunsch ist nun wahr geworden", sagt Hunt hörbar zufrieden.

Quarterback raucht in der Halbzeit

Als sie am 15. Januar 1967 erstmals mit dabei war und sich im Coliseum von Los Angeles ihre Chiefs und die Green Bay Packers gegenüberstanden, hieß das Endspiel noch World Championship Game. Alles war kleiner, ruhiger, unaufgeregter als heute. Und nichts symbolisiert dies besser als ein Foto von Kansas City-Quarterback Len Dawson, der damals in der Halbzeitpause genüsslich eine Zigarette rauchte. Wenn Tom Pratt auf das Finale vor 53 Jahren zurückblickt, denkt er vor allem an die allgemeine Ungewissheit im Vorfeld. "Wir hatten schlichtweg keine Ahnung, was wir von dieser Partie zu erwarten hatten", betont der 84-Jährige, der damals Assistenz-Trainer der Kansas City Chiefs war.

Beim ersten Super Bowl vor 53 Jahren standen sich die Chiefs und die Packers gegenüberBild: picture-alliance/AP Photo

Eine Eintrittskarte war 1967 für nur sechs Dollar an der Tageskasse zu haben - dennoch blieb ein Drittel der knapp 90.000 Sitze in der riesigen Arena leer. Es ist allerdings bis heute das einzige Finale, das nicht ausverkauft war. In der Halbzeit sorgten zwei Marching Bands für Unterhaltung. Und der 30-Sekunden-Werbespot im Fernsehen kostete 40.000 Dollar. Das würde heute, beim Preis von fünf Millionen Dollar für die halbe Minute, noch nicht einmal für eine Viertelsekunde Bildschirmzeit reichen.

65 Millionen zur Premiere

Obwohl damals im lokalen Fernsehen davon die Rede ist, dass "der Funke für ein Duell eines Teams aus Wisconsin mit einem aus Missouri nicht bis nach Los Angeles" überspringe, ist das landesweite Interesse dennoch so groß, wie noch nie bei einer Sportübertragung. 65 Millionen Menschen sitzen zwischen Washington und Waikiki vor den TV-Geräten und sorgen damit für einen Rekord. In den Folgejahren erfreut sich der Super Bowl wachsender Bedeutung und Begeisterung. Bereits bei der 25. Austragung im Jahr 1991 hat sich das Endspiel, laut US-Fernsehen, "zu einem Spektakel entwickelt." Längst ist vom "Super Sunday" die Rede.

Und plötzlich war mehr zu sehen, als gewollt: Janet Jackson (l.) und Justin Timberlake (r.) beim Halbzeit-Auftritt 2004Bild: picture-alliance/dpa/Wise

Und es geht nicht mehr nur um den Sport, sondern auch um die Show. Die Marching Bands in der Halbzeit werden durch Popstars ersetzt. Den Auftakt bilden 1991 die "New Kids on the Block". Es folgen das Who is Who der Rock- und Popmusik. Unter anderem Michael Jackson, Phil Collins, Christina Aguilera, Britney Spears, U2, Paul McCartney, Rolling Stones, Madonna, Beyonce, Katy Perry, Coldplay und Lady Gaga stehen beim Super Bowl auf der Bühne.

Einen besonderen Pausenauftritt haben 2004 Justin Timberlake und Janet Jackson. Als Timberlake mit einer zu forschen Handbewegung kurz vor Ende die rechte Brust seiner Partnerin entblößt, schreit das ehe prüde Amerika auf. Bis heute ist dieser Super Bowl XXXVIII eher für das "Nipplegate" weltweit bekannt als für den 32:29-Sieg der New England Patriots gegen die Philadelphia Eagles.

Inbegriff für Gigantismus

Hype und Hysterie rund um den Super Bowl sind immer größer geworden. Mittlerweile hat sich das Football-Finale zum Inbegriff für Gigantismus im Sport entwickelt und ist das größte Eintages-Sportereignis der Welt geworden. TV-Reporter Jim Nantz, der fünf Endspiele kommentiert hat, spricht von "must watch television".

Super-Bowl-Parties gibt es am Finaltag unzählige: in Bars, Turnhallen oder zu Hause im WohnzimmerBild: picture-alliance/Zumapress

Und niemand schaut allein. Der Super Bowl ist ein soziales Event für die ganze Familie. Die Amerikaner treffen sich in Bars, Restaurants oder zu speziellen Super-Bowl-Parties daheim. Die einen gucken aus sportlichem Interesse. Andere wollen die Halbzeit-Show sehen - diesmal treten Jennifer Lopez und Shakira auf. Und wiederum andere schalten vor allem wegen der Werbespots ein. Das sorgt dafür, dass mittlerweile im Durchschnitt bis zu 115 Millionen Menschen den Super Bowl verfolgen. Auf der Liste der meist geschauten Sendungen der US-Fernsehgeschichte sind unter den Top 20 insgesamt 19 Super Bowls zu finden. Einzige Ausnahme: das Finale der Komödie "M*A*S*H" auf Rang neun.

Auch die Konsum-Wirtschaft profitiert von diesem ersten Sonntag im Februar, der längst den Status eines inoffizielles Feiertages hat. Die ganze Woche über locken Lebensmittel-Märkte mit speziellen Super-Bowl-Angeboten. Der Verband für den amerikanischen Einzelhandel hat errechnet, dass im vergangenen Jahr 15 Milliarden Dollar für Essen, Trinken und Super Bowl-Fan-Utensilien ausgegeben worden sind. Nur an Thanksgiving wird noch mehr umgesetzt. Ganz oben auf der Speisekarte stehen Chicken Wings, Pizza, Chips Guacamole und Bier.

Nzeocha: "Da wird ein Traum wahr"

49ers-Linebacker Mark NzeochaBild: Getty Images/J. Aguilar

Derlei Speis und Trank hat es vor einem Jahr auch bei Mark Nzeocha gegeben, als der gebürtige Aschaffenburger das Endspiel zwischen den New England Patriots und den Los Angeles Rams daheim in Dallas verfolgte, wo er seit 2015 wohnt. Sportlich ist der 30-Jährige seit 2017 bei den San Francisco 49ers zu Hause - und steht nun als vierter Deutscher in einem Super Bowl. "Ich versuche, dass alles ein bisschen mitzunehmen und aufzusaugen, es ist eine coole Erfahrung. Für mich ist das irgendwie immer noch unwirklich. Da wird ein Traum wahr", sagte Nzeocha in Miami im Gespräch mit der DW.

Obwohl der Linebacker und die 49ers in einem Hotel mitten in der Stadt wohnen, lassen sie sich von der Hektik, den Staus und der Mischung aus Feierei und Vorfreude nicht anstecken, sondern bereiten sich ganz konzentriert auf den Saison-Höhepunkt vor. Zwar warten die Kalifornier nicht, wie Kansas City, seit 50 Jahren auf einen Titelgewinn, aber ihr bislang letzter Triumph liegt nun auch schon 25 Jahre zurück. Am 29. Januar 1995 besiegte San Francisco die San Diego Chargers mit 49:26 - und zwar in Miami. Allerdings waren die 49ers damals die Heimmannschaft. Diesmal treten sie offiziell als Gast an. Eine Nuance zwar, aber eine wichtige. Denn im 54. Super Bowl stehen sich erstmals zwei Teams gegenüber, deren primäre Trikotfarbe rot ist. Da die Chiefs an diesem Sonntag als Gastgeber gelten, werden sie, wie bei jedem Heimspiel, ihre roten Jerseys tragen, während die 49ers in ihren weißen Auswärts-Trikot antreten müssen. 

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