Super Bowl: Das abgespeckte Mega-Event
5. Februar 2021Der Superbowl: der Höhepunkt einer jeden Football-Saison in den USA. Auch diesmal liefert er schon im Vorfeld wieder jede Menge Gesprächsstoff: etwa das Duell der beiden Quarterbacks - der legendäre Tom Brady von den Tampa Bay Buccaneers gegen Patrick Mahomes, den Superstar der Kansas City Chiefs.
Aber auch hier, beim Finale der NFL, dominiert ein Thema: Corona. Keine Partys, keine große Show und fast keine Fans. Schon die gesamte Saison war überschattet von Verschiebungen und Neuansetzungen. Isolation der Stars vor Beginn der Saison, keine Vorbereitungsspiele, Trainingseinheiten unter Abstandswahrung, hektisch von den Trainern zusammengestellte Taktik-Schemata.
Doch trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen zeigte sich Woche für Woche, dass die Pandemie auch in der NHL angekommen war. Jedes Team, von den New England Patriots bis zu den Baltimore Ravens, war von COVID-19-Infektionen betroffen.
Freikarten für Medizinpersonal
Und doch freuen sich viele Menschen in den Vereinigten Staaten auf den diesjährigen Super Bowl. Er ist Ablenkung, Flucht aus dem Alltag, ein Stück Normalität. Jener Super Bowl, der neben eingefleischten Football-Fans auch stets das Gelegenheitspublikum vor die Fernseher lockt.
"Der Super Bowl ist der Höhepunkt der NFL, das Top-Fernsehprodukt des Landes", schrieb J.A. Adande, Direktor des Sportjournalismus-Programms an der Northwestern University, der DW: "Profi-Football bietet Prunk und legale Gewalt. Er ist so amerikanisch, wie es nur geht."
In diesem Jahr wird die Gastgeberstadt Tampa in Florida auf das große Brimborium verzichten müssen. Unter normalen Umständen wäre die Stadt in der Woche vor dem Spiel voll mit Football-Fans und Medienvertretern - eine willkommene PR für die Stadt und Schub für die lokale Wirtschaft. Auch die Teams wären schon eine Woche vor dem großen Spiel da. Diesmal reisen sie erst einen Tag vorher an.
"Tourismus und Gastronomie rund um den Super Bowl spülen normalerweise zig Millionen Dollar in die Kassen", sagte Mark Hyman von der Universität Maryland der DW. "Normalerweise bedeutet es zehn Tage Party, doch dieses Jahr wird es ernüchternd."
Das Raymond James Stadium, Austragungsort des diesjährigen Super Bowls, hat eine Kapazität von 65.000 Plätzen, aber aufgrund der COVID-19-Beschränkungen werden die Organisatoren nur 22.000 Besucher zulassen. Darunter befinden sich 7500 geimpfte medizinische Mitarbeiter, die von der NFL als Anerkennung für ihre Arbeit Freikarten erhalten haben. Die Fans werden auf Abstand gehalten und müssen Masken tragen. Erstmals seit der Einführung des Super Bowls im Jahr 1967 wird das Saisonfinale nicht vor ausverkauftem Haus gespielt.
Geschäft vor Gesundheit?
Dennoch muss sich die NFL die Frage gefallen lassen, ob sie ihr wirtschaftliches Wohlergehen über soziale und politische Fragen stellt - oder sogar über die Gesundheit der Spieler. Es gab viel Kritik am Umgang der Liga mit der Pandemie. Trotz Coronavirus-Infektionen unter den Profis hatte die NFL den Spielbetrieb fortgesetzt. "Sie war stolz darauf, die Saison ohne Spielabsagen zu überstehen, auch wenn das unter anderem bedeutete, dass ein Team schon mal ohne echten Quarterback antreten musste", sagte Adande. "Die NFL hat das Wohlbefinden ihrer Athleten nie über die geschäftlichen Aspekte gestellt."
Die Show geht weiter, Pandemie hin oder her - auch beim Super Bowl. Neben den üblichen Starauftritten in der Halbzeit hat die Liga auch die junge Schriftstellerin Amanda Gorman nach Tampa eingeladen. Die 22-Jährige hatte bei der Amtseinführung von Präsident Joe Biden am 20. Januar das Land begeistert, als sie ein Gedicht vorgetragen hatte, in dem sie auch den Sturm auf das Kapitol zwei Wochen zuvor verarbeitet hatte. Beim Super Bowl soll sie ein Gedicht über die Pandemie rezitieren.
Abgespecktes TV-Werbe-Event
Die Pandemie hat auch Auswirkungen auf die Werbeeinnahmen. Üblicherweise bezahlen Unternehmen rund fünf Millionen Dollar (4,2 Millionen Euro) für einen 30-Sekunden-Fernsehspot während der Werbepausen im Spiel - eine lukrative Einnahmequelle für die NFL. "Der Super-Bowl-Sonntag ist für die Werbung so wichtig wie die Oscars für die Filmindustrie", sagte Robert Kolt, Professor für Werbung und Kommunikation an der Michigan State University, der DW. "Jeder versucht, dafür die beste und kreativste Arbeit abzuliefern. Fast die Hälfte der Zuschauer schaltet ein, nur um die Werbung zu sehen."
Große Werbetreibenden wie die Getränkekonzerne Budweiser, Coca Cola und Pepsi haben sich jedoch dagegen entschieden, Werbezeit beim diesjährigen Super Bowl zu buchen. Sie begründeten dies unter anderem damit, dass sich das Großereignis nicht mit der Stimmung im Land vereinbaren lasse. Stattdessen wollen Unternehmen wie Budweiser Marketinggelder in eine Impfkampagne stecken.
Kommunikationswissenschaftler Kolt geht davon aus, dass die Zuschauer beim Super Bowl zwar nach wie vor nach ein paar Stunden Ablenkung suchen. Die Verantwortlichen der NFL müssten aber einen Ansatz finden, der sich mit der aktuellen Lage vereinbaren lasse: "Sie müssen kreativ sein, die Leute zum Lachen bringen und ihnen Freude schenken".
Vielleicht gelingt es ja den Bucs aus Tampa und den Chiefs aus Kansas City, mit einem spektakulären Spiel dafür zu sorgen, dass das NFL-Finale 2021 nicht nur als der Super Bowl der Corona-Pandemie in Erinnerung bleibt.
Adaption: Tobias Oelmaier