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Dubai-Schokolade & Matcha: Die dunkle Seite von Food-Trends

14. Oktober 2025

Sie sind in (fast) aller Munde und bei Social Media schon lange viral: Dubai-Schokolade mit Pistaziencreme-Füllung und Matcha-Tee als gesunder Wachmacher. Doch der große Hype hat Schattenseiten.

Eine Frau beißt in ein Stück Dubai-Schokolade mit Pistaziencremefüllung und Kadayif-Fäden
Süß, begehrt und teuer: 100 Gramm original Dubai-Schokolade kosten durchschnittlich sieben EuroBild: Wolfgang Maria Weber/IMAGO

Außen milde Vollmilchschokolade, innen weiche Pistaziencreme mit knusprigen zuckersüßen Kadayif-Fäden, zu Deutsch Engelshaar - Dubai-Schokolade gilt als Inbegriff des süßen Luxus. Als Erfinderin gilt Sarah Hamouda, Chefin der Dubaier Manufaktur "Fix Dessert Chocolatier".

Mit Hilfe von Influencerinnen und Influencern wurde Hamoudas Kreation in den Sozialen Medien als neuer, exklusiver Food-Trend vermarktet und begann ihren süßen Siegeszug um die Welt.

Durchschnittlich sieben Euro pro 100 Gramm kostet der Pistazien-Schokoladenluxus. Auch deshalb sind inzwischen Rezepte zum Selbermachen ein Renner im Netz.

Doch der Trend hat noch einen anderen Preis: Seit der Hype um Dubai-Schokolade Ende 2023 an Fahrt aufnahm, ist auch der globale Appetit auf Pistazien gestiegen. 2024 wurden in die Europäische Union deutlich mehr Pistazien (in der Schale) importiert als im Vorjahr: ein Plus von mehr als einem Drittel. Der Marktwert aller in die EU importierten Pistazien lag erstmals bei über einer Milliarde Euro.

Pistazienanbau benötigt viel Wasser

Und das hat Folgen für die Anbauländer. Weil Pistazienbäume in heißem, trockenem Klima gut zurechtkommen, ersetzen sie in einigen Regionen immer öfter andere Kulturpflanzen, etwa Olivenbäume. In Spanien, Europas größtem Produzenten, wurde die Anbaufläche für Pistazien seit 2017 verfünffacht.

Zwar sei die Pistazie "mit Blick auf den Klimawandel eine interessante Frucht" und könnte für Produzenten und Produzentinnen "eine gute Klimaanpassung" sein, sagt Stig Tanzmann, Referent für Landwirtschaft von Brot für die Welt, der Entwicklungsorganisation der Evangelischen Kirchen in Deutschland.

Doch die Realität sieht meist anders aus: Die Pistazien werden zusätzlich bewässert. "Man hat eine klimaangepasste Pflanze, die man dann aber bewässert, um die hohen Erträge zu gewährleisten, die man in einem hochpreisigen Markt braucht."

Pistazien im Plantagenanbau: Pistazien vertragen viel Hitze, brauchen aber auch viel Wasser und Kälte im WinterBild: ARIF ARSLAN/DHA

So sind zur Produktion von einem Kilogramm Pistazien mehr als 10.000 Liter Wasser nötig  - und das stammt zum größten Teil aus zusätzlicher Bewässerung. Und das kann in trockenen Regionen zu massiven Wasserproblemen führen. Zum Vergleich: Für ein Kilo Erdnüsse sind es durchschnittlich nur knapp 2800 Liter. Zudem stammen hier fast 90 Prozent des benötigten Wassers aus Regenwasser.

Außerdem würden Pistazien, wie viele andere Agrarprodukte, "die dann auf dem Weltmarkt auf einmal nachgefragt werden, hauptsächlich in Monokulturen gepflanzt". Das hat viele negativen Folgen, wie den starken Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden, so Tanzmann.

Auch wenn die Pistazie gut mit Hitze zurechtkommt, setzt ihr der Klimawandel dennoch zu: durch die immer wärmeren Winter. Um zu blühen, brauchen Pistazien über einen gewissen Zeitraum kalte Temperaturen - und ohne Blüten keine Früchte. 

Matcha: Hohe Nachfrage lässt die Preise explodieren

Auch bei anderen Ernährungs-Hypes wachsen die negativen Auswirkungen. Matcha-Tee zum Beispiel wird inzwischen immer teurer und knapper, seit die Nachfrage weltweit explodierte. Dabei war das grüne, bittere Pulver schon immer exklusiv. 

Auch wenn grüner Tee ursprünglich aus China kommt, wird der qualitativ beste Matcha-Tee heute in Japan angebaut. Dort werden die Teepflanzen vor der Ernte extra beschattet, geerntet wird meist mit handgeführten Maschinen. Die gepflückten Teeblätter werden bedampft und belüftet, Stängel und Blattrippen entfernt und schließlich wird nur das sogenannte Blattfleisch vermahlen.

In Japan wird das hochwertige Grüntee-Pulver hauptsächlich für die traditionellen Teezeremonie verwendet. Doch weil er viele Antioxidantien, Vitamine und Mineralstoffe enthält, wurde Matcha in den letzten Jahren zum weltweit begehrten "Superfood". Mittlerweile findet man Matcha-Produkte weltweit, in Cafés, Supermärkten und Drogerien: vom fertigen Matcha-Latte-Getränk bis zum Matcha-Schokoriegel.

Laut dem Deutschen Tee & Kräutertee Verband wurden zwischen Januar und August 2024 mehr als 240 Tonnen Matcha allein nach Deutschland geliefert. Das war ein Plus von 240 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Und der Hype hält weiter an, weil gesunde Ernährung im Trend liegt, sagt der Verband. Laut internationalen Marktanalyse-Unternehmen soll sich der globale Markt für Matcha in den kommenden fünf bis sieben Jahren sogar fast verdoppeln.

Die steigende Nachfrage führt schon jetzt zu Engpässen. So schreibt etwa Marukyu Koyamaen, einer der großen japanischen Tee-Exporteure, auf seiner Homepage, aufgrund der gestiegenen Nachfrage sei die Verfügbarkeit aller Matcha-Produkte eingeschränkt. Und auch bei der Konkurrenz, etwa Ippodo Tea, ist fast aller Matcha-Tee ausverkauft.

Auf dem japanischen Tee-Markt sei der Einkaufspreis für Matcha fast dreimal so hoch wie im letzten Jahr, die Einzelhandelspreise hätten sich verdoppelt, berichtet Yuji Yamakita, selbstständiger Teehändler in Kyoto. "Die hohen Preise wirken sich insbesondere auf Menschen aus, die Teezeremonien durchführen, und auf Süßwarenhersteller. Ich höre, dass einige Menschen aufgehört haben, Matcha zu trinken, oder eben nicht mehr so viel trinken wie früher."

Das bekommen vor allem Tee-Händler negativ zu spüren, die den heimischen japanischen Markt bedienen. Tee-Bauern, denen es an Ausrüstung und finanziellen Mittel fehle, könnten die steigende Nachfrage nicht bedienen und so aus dem Geschäft gedrängt werden, fürchtet Yamakita.

Die Schattenseite des "Superfoods" Quinoa 

Ein weiteres Beispiel für die negativen Folgen eines globalen Heißhungers auf ein bestimmtes Produkt ist Quinoa. Das Pseudogetreide stammt aus den Anden in Südamerika. 2013 rief die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) das Internationale Quinoa-Jahr aus. Es sollte die Bedeutung von Quinoa für die Ernährungssicherheit deutlich machen. Doch schnell wurde Quinoa als "Superfood" vermarktet - die Nachfrage stieg rasant.

In den beiden Haupterzeugerländern, Peru und Bolivien stiegen die Preise so stark, dass sich die lokale Bevölkerung Quinoa kaum noch leisten konnte, berichtet Tanzmann. Dabei ist es dort ein Grundnahrungsmittel.

Quinoa: in Industrienationen als "Superfood" angepriesen, in den Anden-Staaten Südamerikas ein wichtiges GrundnahrungsmittelBild: Jochen Tack/IMAGO

Auch die Umwelt litt. Traditionell liegen die Anbauflächen in den Anden bis zu sieben Jahre brach, damit sich die Bodenfruchtbarkeit erholen kann, erklärt die Entwicklungsorganisation Welthungerhilfe. Wegen der hohen Nachfrage hätten viele Bäuerinnen und Bauern die Anbauperiode auf nur ein Jahr reduziert. Oft seien dann chemische Düngemittel, Pestizide und schwere Maschinen eingesetzt worden, die den Boden verdichten.

Außerdem habe man Flächen für den Anbau erschlossen, die gar nicht geeignet waren, berichtet Marcus Wolter, Fachmann für Landwirtschaft und Ernährung bei der katholischen Entwicklungsorganisation Misereor. Etwa in einer wüstenähnlichen, strauchbewachsenen Region im Hochland von Bolivien, in der zuvor Lamas gehalten wurden. "Dort ist es viel zu trocken für den großflächigen Anbau von Ackerkulturen wie Quinoa. Das ging ein paar Jahre gut, weil es genau zu Beginn des Booms genug Regen gab – aber seit einigen Jahren bleibt dieser Regen aus."

Auch das Umpflügen des Bodens für den Ackerbau hatte negative Auswirkungen. "In diesem Klima, bei dem starken Wind sollte gar nicht gepflügt werden. Denn der wenige fruchtbare Boden wird dann schnell weggeblasen." Und damit sei es auch schwieriger, nach dem Quinoa-Anbau wieder Tierhaltung zu betreiben, so Wolter, "weil auch die Weiden dann weniger fruchtbar sind".

Mit traditionellem Quinoa-Anbau konnte die hohe Nachfrage nicht mehr bedient werden Bild: Aizar Raldes/AFP/Getty Images

Was bleibt, wenn der Food-Hype wieder vorbei ist?

Seien es Pistazien, Matcha, Quinoa oder der nächste Food-Hype: Produzentinnen und Produzenten sollten sich wirtschaftlich nicht nur von einem Agrarrohstoff abhängig machen, raten die Fachorganisationen des fairen Handels. Und das hieße, nicht nur für den Weltmarkt, sondern auch für die lokalen Märkte anzubauen, sagt Claudia Brück, Vorständin von Fairtrade Deutschland. So könne man auch dann noch Geld verdienen, wenn ein Food-Hype vorbei sei, die Preise für den Rohstoff wieder sinken - und damit die Einnahmen.

"Die Idee ist, weg von Monokulturen zu kommen, ganz konkret gucken, dass man zwei Reihen Kaffee und eine Reihe Bohnen anbaut. Das macht den Boden gesund und ermöglicht den Bauern, eigene Nahrung zu erzeugen. Und dann kann man dazu etwa noch Mango für den internationalen Markt anbauen."

Aber nicht nur Bäuerinnen und Bauern, vor allem diejenigen, die einen Trend lostreten und fördern, müssten nachhaltiger denken und handeln, fordert Stig Tanzmann. "Wenn man etwas so pusht, dann hat man eigentlich auch eine Verantwortung für so einen Trend und sollte den von Anfang bis zu Ende denken - und nicht nur darauf schauen, dass man möglichst viel verkaufen kann."

Und vielleicht sollten wir Verbraucherinnen und Verbraucher skeptischer sein, wenn wieder ein neuer Trend ausgerufen wird. Mir persönlich fällt das zumindest bei der Dubai-Schokolade leicht - sie ist mir einfach viel, viel, viel zu süß.

Jeannette Cwienk Autorin und Redakteurin, Fokus unter anderem: Klima, Umwelt und Wissenschaft
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