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Surfen im Netz, kein reiner Spaß

8. Juni 2010

Schön, kritisch, provokant oder lustig: Alles ist erlaubt beim Plakatwettbewerb des Deutschen Studentenwerks. In diesem Jahr sollten Grafik-Design-Studierende ihre Ideen zum Thema "Digitales Studium" visualisieren.

3. Preis (500 Euro), Matthieu Lambert, 'vollgekritzelt', Bergische Universität Wuppertal
Preisgekrönt: 'vollgekritzelt', Matthieu Lambert, Bergische Universität Wuppertal (3. Preis)Bild: DSW

Seit 1987 führt das Deutsche Studentenwerk jedes Jahr einen Plakatwettbewerb durch, bei dem angehende Designer ihre Botschaften an die Öffentlichkeit bringen können. Dabei sollen hochschulspezifische Themen gestalterisch dargestellt werden. In diesem Jahr lautete das Thema: "Studium Digitale – Chancen und Risiken". Die Preisträger wurden am Montagabend (07.06.2010) gekürt. DW-WORLD.DE hat mit dem Verantwortlichen des Deutschen Studentenwerks, Stefan Grob, gesprochen.


DW-WORLD.DE: Herr Grob, die Beteiligung war in diesem Jahr bei diesem Thema besonders hoch. Sie haben allein fünf dritte Preise vergeben. Fiel die Auswahl so schwer?

Stefan Grob: Die Auswahl war sehr, sehr schwer. Wir hatten 472 Plakate, eingereicht von 318 Design-Studierenden aus 29 Hochschulen, das ist eine ganze Menge. Wir hatten eine komplette Mensa einen Tag lang für uns, die Mensa vom Studentenwerk Berlin, um die Plakate überhaupt aufstellen zu können, das wurde ein richtiges Labyrinth – und die Fachjury tat sich sehr schwer damit, daraus dann die besten zu küren.

Das Thema in diesem Jahr lautete "Studium Digitale – Chancen und Risiken". Für welche Plakatideen haben Sie sich entschieden?

Von links: Marie-Claire Nun, 'Bewahr dir deine Identität', Hochschule Augsburg (1. Preis); Frank Schießer, 'Das Plakat ist auf dem Stick', Hochschule Wismar (2. Preis); Sabrina Pöhler, 'Klick', Hochschule Augsburg (3. Preis)Bild: DSW

Die Jury hat sieben Preisträgerinnen und Preisträger ausgewählt, sieben Motive aus den vielen. Diese sind aber relativ typisch, weil die Design-Studierenden zu unserer Überraschung eher die Risiken der Digitalisierung und Virtualisierung des Studiums, aber auch unseres Lebens betont haben. Die Jury hat Motive gewählt wie zum Beispiel ein Frauengesicht, das von Mauspfeilen angefressen wird, zersetzt wird, mit der Überschrift "Bewahr dir deine Identität". Das ist der erste Platz. Ein dritter Platz fragt: "… und wie bist du analog so?", davon ausgehend, dass die meisten heute eben offenbar nur noch digital kommunizieren und sich virtuell verabreden. Das hat uns schon ein wenig überrascht, dass die Design-Studierenden eher die Risiken als die Chancen, eher den Suchtfaktor als den Spaßfaktor betonen. Aber das scheint die Haltung der Studierenden heute zu sein: Sie nutzen diese Medien, sie tummeln sich in ihren sozialen Netzwerken, aber so richtig wohl ist ihnen nicht dabei.

Spaßig gemeint war ja vielleicht das Plakat, auf dem ein kleiner Stick zu sehen ist, mit den Worten: "Das Plakat ist auf dem Stick".

Das ist richtig, das ist eine Frechheit … Das Plakat spiegelt ein bisschen das wieder, was heute oft im Arbeitsleben passiert: "Hast du die Präsentation dabei?" – "Ja, hier auf dem Stick."; "Hast du meinen Text dabei?" – "Hier auf dem Stick." Man macht sich gar nicht mehr die Mühe, etwas richtig auszuarbeiten, sondern packt es eben auf einen Stick, schiebt es dem anderen rüber, und dann ist die Schuldigkeit getan. Das hat dieses Plakat auch gemacht, ein völlig weißes Plakat mit einem winzig kleinen roten USB-Stick, und darunter steht gekritzelt: "Das Plakat ist auf dem Stick" – lieber Betrachter, stell es dir doch selber vor oder lade es dir runter …

Weitere 3. Preise (von links): Ivo Berg, 'Frank Zappa 2.0 WG-Plakat', Hochschule der Bildenden Künste Saar; Rose Schwarz, 'reale Kontakte', Hochschule RheinMain; Jan Lorenz, '... und wie bist du analog so?', Hochschule RheinMainBild: DSW

Es gab einige solcher Einsendungen. Es gab auch welche, die gesagt haben: "Liebe Jury, eigentlich hätte das Plakat so und so aussehen sollen [ein bisschen Handgekritzel dabei], aber der Rechner ist abgestürzt, ich konnte es nicht fertig stellen." Das heißt, viele haben damit gespielt, dass man in der digitalen Welt Dinge gar nicht unbedingt mehr sieht, Texte nicht mehr unbedingt liest, Bilder nicht mehr ausdruckt, sondern sich das alles als Datei runterzieht.

Hätten Sie sich erhofft, dass bei den Chancen etwas zum Stichwort E-Learning oder Google aufgegriffen wird?

E-Learning ist schon fast wieder zu ernst. Diese Generation der Studierenden ist ja die digitale Avantgarde unserer Zeit, die 'gruscheln' und 'chatten' und 'skypen' und 'downloaden' und 'googlen' und 'doodlen' und ich weiß nicht, was die noch alles machen – ich dachte, die würden den ganzen Spaßfaktor betonen und auch sagen: "Guck mal, ich kann mir wissenschaftliche Texte überall auf der Welt sofort runterziehen, ich kann Gruppen bilden mit Kommilitoninnen und Kommilitonen, wir können zusammen lernen und uns verabreden, wir können Partys organisieren." Ich dachte, dass dieser Spaßfaktor 'Ich bin überall, jederzeit, weltweit unterwegs und kann mir die Welt erschließen' viel stärker in den Vordergrund tritt und gar nicht so sehr das E-Learning – das ist ja schon wieder Lernen.

Warum wurde denn das digitale Thema erst in diesem Jahr gewählt? Digitale Angebote sind ja schon fast etwas Etabliertes.

Sie haben recht, vieles ist schon etabliert. Aber ich glaube, dass im Moment an den Hochschulen so etwas stattfindet wie eine kleine digitale Umwälzung. Die Hochschulen sind im Internet fitter und besser geworden. Die Studierenden, das zeigen erste Forschungen, verbringen drei bis vier Stunden täglich im Netz, sie sind Mitglied in mindestens zwei Online-Netzwerken, sogenannten sozialen Netzwerken, und daher war es für uns einfach an der Zeit, danach zu fragen. Das Thema hätte man auch schon früher aufgreifen können, aber lieber spät als nie.

Nun wird ja gerade sehr aktuell über den Datenschutz diskutiert und darüber, was so alles passieren kann mit den persönlichen Daten in diesen sozialen Netzwerken. Vielleicht kommt es ja auch daher, dass die Teilnehmer eher die Risiken als die Chancen aufgegriffen haben?

Ja, das glaube ich auch. Außerdem war die mediale Begleitung in diesem Wettbewerbsjahr sehr kritisch. Es gab große Berichte in den Medien darüber, wie sich nicht nur Studierende, sondern überhaupt Menschen in diesen sozialen Netzwerken entblößen, enthemmen, darstellen. Ich denke, das hat die Design-Studierenden schon mit beeinflusst, dass die Presse in dieser Zeit relativ kritisch war – mit gutem Grund –, und ich glaube, dass eine Reflexion da ist darüber, was passiert eigentlich mit meinen Daten im Netz und wie viel will ich von mir preisgeben.


Das Gespräch führte Gaby Reucher
Redaktion: Claudia Unseld


Die 30 besten Plakate werden für eineinhalb Jahre durch Deutschland touren und in den jeweiligen Studentenwerken ausgestellt. Infos gibt es auf der Homepage des Deutschen Studentenwerks.

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