South by Southwest
16. März 2016"Das sind 108 Stunden angefüllt mit unglaublich viel Spaß", freut sich Jody Carter und grinst über das ganze Gesicht. Soviel Musik könne man in diesem Jahr bei South by Southwest hören, hat er ausgerechnet und trinkt einen tiefen Zug aus seinem Bierbecher. "Ich will so viele Künstler wie möglich erleben", hat sich der farbenfroh gekleidete Mann vorgenommen.
Vorglühen bei der Happy Hour
Am Vorabend des SXSW Musikfestivals könnte die Stimmung unter den Musikfans aus aller Welt nicht besser sein. Wie Carter treffen sich viele zum Vorglühen bei der eigens veranstalteten Happy Hour, nicht weit von der 6. Straße, der pulsierenden Partymeile im Herzen von Austin. Die Sonne scheint und die Aussicht auf prallvolle Festivaltage macht Laune.
Jody Carter war schon neunmal beim Festival dabei. Der 36-Jährige stammt aus Austin und hat als Freiwilliger bei SXSW angefangen. Das Festival habe sich rasant entwickelt, und das sei für die texanische Hauptstadt auch schon einmal sehr hilfreich gewesen, erinnert sich Carter. 2008 nämlich habe die wirtschaftliche Depression Austin stark zugesetzt. "Mit Hilfe des Festivals hat Austin gezeigt, dass es stark genug ist, mit sowas fertig zu werden."
Spaß und Karriere
Heute ist von Depression nichts zu spüren. Im Gegenteil. Zum SXSW-Festival hat sich die Stadt wieder in eine riesige Bühne verwandelt. Ein Meer von gut gelaunten Menschen drängt sich auf der 6. Straße. Musik dringt von überallher. Es wird getanzt und getrunken.
Was vor 30 Jahren als kleines lokales Festival begann, ist nun ein weltweit wichtiger Branchentreff. Mehr als eine Woche lang gibt es hier Konferenzen, Workshops, Fachausstellungen und natürlich jede Menge Musik. Mehr als 30.000 Besucher aus aller Welt sind gekommen, darunter wichtige Leute aus der Medienbranche. Für die mehr als 2000 angereisten Musiker eine riesige Chance, von Musikmanagern oder Booking-Agenturen entdeckt zu werden oder einen Auftritt bei einem internationalen Festival zu bekommen.
Doch die Konkurrenz ist groß. In "Maggie Mae's", einem an der 6. Straße gelegenen Szenelokal mit Bühne und Dachterrasse, spielt "Skyline". Die junge Band um Leadsängerin Pearl Turner ist aus Austin und hat eigentlich ein Heimspiel. Doch für ihren großartigen Power-Rock findet sie an diesem Abend nur ein kleines Publikum. Vielleicht 20 Zuhörer sitzen im Restaurant an den Tischen und nippen an ihren Drinks. Doch das ist für "Skyline" nur einer von fünf Auftritten bei SXSW - es kann nur besser werden.
Deutsche Präsenz
Unter den mehr als 2000 Künstlern sind auch 21 deutsche Bands. Ihre Reise wurde von der Initiative Musik unterstützt, einer gemeinnützigen Organisation, die von der deutschen Bundesregierung finanziert wird.
Im sogenannten "Deutschen Haus", etwas abseits gelegen von den Musik-Hotspots der 6. Straße, treten einige von ihnen auf. Darunter der Elektromusiker Robot Koch und seine Sängerin Delhia. Sie legen einen tollen Auftritt hin. Noch zu später Stunde gelingt es Robot Koch, mit den energetischen Sounds seiner "Organic Electronic Music" das schon erschlaffte Publikum noch einmal in seinen Bann zu ziehen. Vor zwei Jahren ist Koch nach Los Angeles gezogen und hat schon einige Bühnenerfahrung in den USA. Aber in Austin ist er das erste Mal. "Wir versprechen uns davon in erster Line Kontakte, das Ganze ist ja eine Kontaktbörse", sagt er vor seinem Auftritt.
Hoffen auf den Karrieresprung
Die Musiker könnten sich vorkommen wie die berühmte Nadel im Heuhaufen. Nur einer von Tausend schafft es vielleicht. "Ich mache mir aber gar keine Gedanken darüber. Was passieren soll, wird passieren", gibt sich Koch gelassen. Austin habe eine ganz spezielle Energie und ziehe ein sehr unterschiedliches, ein sehr breites Publikum an. "Hier ist wirklich von Bluegrass über Metal bis Elektronik alles vertreten", lobt er.
Auch Niklas Kramer aus Berlin schätzt diese Bandbreite. Für sein Projekt "Still Parade" ist es der erste Auftritt in den USA. Aus den Abrufen bei Youtube und anderen Internetplattformen weiß Kramer, dass er hier "relativ viele" Fans hat. Von den allabendlichen Gigs in Austin erwartet er allerdings nicht den großen Durchbruch, da ist er realistisch. "Wenn jeden Abend immer um die hundert Leute zu unserem Konzert kämen, wäre das schon ein Wahnsinnserfolg". Für deutsche Bands sei es immer noch etwas Besonderes, in die USA zu kommen. "Es ist immer noch nicht so normal wie es sein sollte", meint Kramer. Das Problem ist aus seiner Sicht allerdings auch hausgemacht: "Ich habe immer noch das Gefühl, dass sich deutsche Musik sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sehr nur nach innen geguckt wird", sagt er nach seinem Auftritt im "Deutschen Haus". Deswegen sei es "total wichtig, dass deutsche Künstler international unterstützt werden."
In Austin sind die Deutschen ein kleiner Teil eines scheinbar unaufhörlichen Stroms von Musik, Partys und gutgelaunten Menschen. Und der wird sich in den nächsten Tagen weiter durch die Stadt bewegen. Ein Ende scheint noch nicht abzusehen zu sein. Oder wie es Jody Carter formuliert: "Der Spaß hört niemals auf."