Der Anschlag von Halle hat gezeigt, dass Synagogen geschützt werden müssen. Aber Zäune, Einlassschleusen, Videoüberwachung oder Wachpersonal kosten. Eine Umfrage zeigt, dass sich das Schutzniveau verbessert hat.
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Seit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 hat sich der Schutz von Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen verbessert. Andererseits gibt es weiterhin Probleme, wie aus der Analyse des Mediendienstes Integration hervorgeht, die in Berlin vorgestellt wurde. Danach fehlt jüdischen Gemeinden zum Teil nach wie vor das Geld etwa für privates Wachpersonal. In einzelnen Bundesländern wurde der Umfrage zufolge außerdem erst ein Teil der Mittel ausgezahlt, die nach dem Anschlag zugesagt worden waren.
Meist fehlt Geld für Wachdienst
Die Ausgangslage sei allerdings katastrophal gewesen. "Wenige Synagogen waren gut geschützt. Gemeinden mussten Maßnahmen wie Zäune, Poller, Einlassschleusen oder Videoüberwachung häufig selbst finanzieren." Im Vergleich dazu habe sich das Schutzniveau inzwischen deutlich verbessert.
Angriffe auf Synagogen in Deutschland
Die versuchte Attacke in Halle ist nicht die erste. Auch nach 1945 zeigt der Antisemitismus in Deutschland sein Gesicht - sei es in Form von Angriffen auf einzelne Personen, Mahnmale oder auf diese acht Synagogen.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas
Welle von Schmierereien
Im Dezember 1959 wird die Synagoge in Köln zum Angriffsziel der rechtsextremen Reichspartei DRP. Zwei ihrer Mitglieder malen Hakenkreuze und den Schriftzug "Deutsche fordern: Juden raus" auf das Gebäude. Es folgt eine Welle antisemitischer Schmierereien im ganzen Land. Die Täter werden verurteilt. Unter dem Eindruck der Vorfälle verabschiedet der Bundestag das Gesetz gegen Volksverhetzung.
Bild: picture-alliance/Arco Images/Joko
Erstes Brandopfer nach Jahrzehnten
Der Anschlag auf die Synagoge in Lübeck im März 1994 löst weltweites Entsetzen aus. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten steht wieder eine Synagoge in Brand. Die Täter: vier Männer aus dem rechtsradikalen Milieu - alle werden verurteilt. Am Folgetag gehen 4000 Lübecker unter dem Motto "Lübeck hält den Atem an" auf die Straße. 1995 wird die Synagoge erneut Opfer eines Brandanschlags.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner
Steinwürfe auf Alte Synagoge Essen
Mit Pflastersteinen bewaffnet attackieren im Oktober 2000 über 100 Palästinenser aus dem Libanon die Alte Synagoge in Essen. Der Vorfall ereignet sich nach einer Demonstration gegen "die Gewalt in Nahost". Bis auf einen Polizeibeamten wird niemand verletzt. Der stellvertretende Generaldelegierte Palästinas in Deutschland, Mahmud Alaeddin, distanziertsich klar von dem Angriff.
Bild: picture-alliance/B. Boensch
Nach der Tat: "Aufstand der Anständigen"
Mit Brandsätzen und Steinen beschädigen im Oktober 2000 ein 19-jähriger Palästinenser und ein 20-jähriger Marokkaner die Neue Düsseldorfer Synagoge. Ihre Tat sei ein Racheakt gegen Juden und den Staat Israel gewesen. Bundeskanzler Schröder reagiert mit den Worten: "Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen (...)". Bund, Länder und NGOs initiieren daraufhin zahlreiche Aktionen gegen Extremismus.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch
Anschlag auf Synagoge in Mainz
Kurz nach ihrer Einweihung wird in der Nacht vom 30. auf den 31. Oktober 2010 ein Brandanschlag auf die Neue Synagoge Mainz verübt. Bekannt ist das Gebäude wegen seines aufsehenerregenden dekonstruktivistischen Entwurfs von Architekt Manuel Herz. Der Neubau befindet sich am Standort der früheren Mainzer Hauptsynagoge, die in der Reichspogromnacht 1938 in Brand gesteckt worden war.
Bild: picture-alliance/akg/Bildarchiv Steffens
Ein nicht antisemitischer Synagogen-Anschlag?
Drei junge Palästinenser werfen im Juli 2014 Brandsätze gegen die Eingangstür der Synagoge in Wuppertal. Ein Gericht urteilt jedoch: Es gebe "keinerlei Anhaltspunkte", dass die jungen Männer antisemitisch eingestellt seien. Juden in Deutschland sowie ausländische Medien sind empört. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Wuppertal erklärt, dies sei "eine Einladung zu weiteren Straftaten".
Bild: picture-alliance/dpa/C. Seidel
Angriff in Berlin verhindert
Erst am 4. Oktober klettert in Berlin ein Mann über die Absperrung der Synagoge in der Oranienburger Straße und zückt ein Messer. Das Sicherheitspersonal kann den Angreifer überwältigen. Sein Motiv ist noch unklar. 1943 wurde die Synagoge in Berlin durch Bomben zerstört. Die Ruine der großen Synagoge wurde 1970 abgetragen, der Vorderbau in den 1990er Jahren wiederhergestellt.
Bild: picture-alliance/dpa/Avers
Angriff in Halle an Jom Kippur
Rund 80 Menschen befinden sich am 9. Oktober 2019 in der Synagoge in Halle, als ein Attentäter sie zu stürmen versucht. Laut Polizei werden dabei zwei Passanten erschossen, mehrere werden verletzt; der Attentäter wird kurz danach festgenommen. Der mutmaßliche Täter soll ein 27-jähriger Deutscher mit rechtsextremistischem Hintergrund sein. Dies ist nicht die erste antisemitische Tat nach 1945.
Bild: Imago Images/S. Schellhorn
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Der Mediendienst Integration ist eine Informationsplattform für Journalisten rund um die Themen Migration, Integration und Asyl in Deutschland. Er hat für die Umfrage unter anderem bundesweit recherchiert, wie viele Gelder für den Schutz jüdischer Einrichtungen zugesagt und wie viele ausgezahlt wurden und ob auch Kosten für private Sicherheitsdienste übernommen werden.