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PolitikNahost

Baschar al-Assad bleibt auf unbestimmte Zeit

Diana Hodali
25. Mai 2021

Mitten in einer Wirtschaftskrise und der Corona-Pandemie sollen die Syrer einen Präsidenten bestimmen. Der Gewinner steht aber schon fest: Baschar al-Assad. Ein Ende seiner Herrschaft ist nicht in Sicht.

Syrien Wahlkampf l Wahlplakat, Präsident Baschar al-Assad in Damaskus
Präsidentschaftswahl ohne echte Konkurrenz: Der Wahlsieg Assads steht schon vorher festBild: Louai Beshara/AFP

Dicht an dicht stehen die Menschen vor der syrischen Botschaft in Beirut. Sie tragen Baseball-Caps auf denen das Konterfei von Syriens Präsident Baschar al-Assad zu sehen ist, halten Plakate hoch, die sein Gesicht zeigen und rufen Slogans wie "Gott, Syrien, Assad - wir würden alles für dich geben". Sie sind größtenteils mit Bussen der Assad-treuen Syrian Workers Association zur Botschaft gekommen, um ihre Stimme abzugeben. Die Videos im Netz sind beeindruckend.

Unter anderem wurden Syrer auch in Äypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgerufen, wählen zu gehen. Denn an diesem Mittwoch (26.05.) finden in Syrien Präsidentschaftswahlen statt. Es sind die zweiten Präsidentschaftswahlen seit Beginn des Krieges, bei dem Hunderttausende Menschen getötet und Millionen gezwungen wurden, das Land zu verlassen.

Vermeintliche Gegner ohne Chance

Assad, der 2014 bei den letzten Präsidentschaftswahlen 88,7 Prozent der Stimmen erhalten hat, wird sich aller voraussichtlich nach eine vierte Amtszeit von sieben Jahren sichern können, auch, wenn er, wie bei der letzten Wahl, Gegenkandidaten rein formell zugelassen hat: den ehemaligen Staatsminister für parlamentarische Angelegenheiten, Abdullah Salloum Abdullah, und Mahmoud Ahmad Marei. Letzterer führt die Nationaldemokratische Front an, eine kleine, staatlich unterstützte Oppositionspartei.

"Assad macht sich über demokratische Strukturen lustig, indem er vorgibt zwei von Geheimdiensten zugelassene Kandidaten seien echte Konkurrenten. Sie haben keine Chance, zu gewinnen", sagt Mouna Ghanem, Direktorin der Organisation Syrian Women's Forum for Peace.

Der gesamte Wahlprozess - von der Auswahl der Kandidaten bis zur Auszählung der Stimmen - wird vom Regime kontrolliert. Ebenso klar ist, dass das Regime versucht, mit den Wahlen Legitimität zu erzeugen.

"Aber die Wahlen zeigen vor allem, dass Assad uns noch erhalten bleibt, gegen alle Widerstände in den letzten zehn Jahren", so Guido Steinberg, Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Assad kontrolliert heutzutage etwa wieder zwei Drittel des Territoriums - nur die Region Idlib, der kurdisch verwaltete Nordosten und die türkischen Protektorate unterstehen weiterhin nicht seiner Herrschaft.

Abhängigkeit von Russland und Iran

Erreicht hat er das mit der Hilfe Russlands und des Iran – als Russland ab 2015 kurz vor einer drohenden Niederlage Assads mit Luftwaffe, Spezialkräften und Militärpolizei eingriff, als der Iran Brigaden und schiitische Milizen schickte. Durch ihre Unterstützung hat Assad den Krieg militärisch bereits gewonnen, auch wenn dieser Krieg noch nicht vorbei ist. "Weil er aber militärisch schon entschieden ist, wird es schlicht auch keine politische Lösung geben. Es gibt keine Anreiz, warum man noch politisch über etwas verhandeln sollte“, erläuterte Syrien-Expertin Kristin Helberg bei einer Veranstaltung des Vereins Querkultur. Assad sei daher abhängig von diesen Mächten, "die ihn an der Macht halten“, so Helberg. Und Assad müsse diese Mächte jetzt auch entlohnen: "Diese Parteien sehen Syrien als eine Art Beute, die es aufzuteilen gilt", so die Expertin. Russland habe sich schon per Vertrag Bodenschätze wie Öl und Gas gesichert, vor allem aber Phosphor. 

Außerdem, so Guido Steinberg, könne man bereits deutlich einen Konflikt zwischen dem Iran und Russland um Einfluss auf die syrische Armee, Geheimdienste und syrische Milizen beobachten. "Syrien ist also nicht mehr ganz souverän." Neben dem Iran und Russland erfährt Assad aber auch Rückhalt von reichen Geschäftsleuten, die von Investitionen oder Schwarzmarktgeschäften profitieren.

"Schwere Hypothek" für Moskau

Russland hat sowohl politisch als auch militärisch viel in Syrien investiert. "Das Land ist eine schwere Hypothek für Russlands Präsident Wladimir Putin", sagt Kristin Helberg. Klar ist: Russland kann das Land alleine nicht stabilisieren.

Handshake zwischen Putin und Assad 2020 auf einer Militärbasis in DamaskusBild: Reuters/SANA

Die sicherheitspolitische Lage bewerten viele als volatil. Der sogenannte Islamische Staat hat das Land nie verlassen – Tausende Terroristen sollen sich im syrisch-irakischen Grenzgebiet noch im Untergrund befinden. Auch die militärische Präsenz des Iran wird als große Gefahr betrachtet - besonders von Israel.

Die Infrastruktur des Landes liegt in weiten Teilen am Boden. In den vom Regime kontrollierten Gebieten wächst die Not. Die Menschen stehen stundenlang an für Brot. Lange Schlangen bilden sich vor Tankstellen, weil Benzin ein knappes Gut geworden ist. "Russland möchte, dass der Westen sich mit Assad arrangiert - auch um den Wiederaufbau zu finanzieren, weil Russland kein Geld dazu hat", sagt Kristin Helberg.

Annäherung arabischer Staaten 

Die schlimme humanitäre Lage leistet Russlands Wunsch nach Unterstützung Vorschub. Auch das 2019 ins Leben gerufene Genfer Verfassungskomitee soll den Westen dazu bringen, "sich gesichtswahrend anzunähern", so Helberg. Putin bietet Europa zudem an, geflohene Syrer wieder nach Syrien schicken zu können. Dabei will Assad das eigentlich nicht. Nicht ohne Grund ließ er per Dekret viele Binnenflüchtlinge und ins Ausland geflohene Syrer enteignen. Regimetreue Bürger und Kämpfer erhielten stattdessen deren Wohnungen und Häuser. Auch nicht ohne Grund verschwinden immer wieder Regimekritiker.

Die Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate in Damaskus ist seit Ende 2018 wieder geöffnetBild: Reuters/O. Sanadiki

Putin braucht Verbündete für Syrien. Und es deutet sich an, dass vor allem aus der Region bereits einige Länder Interesse an einer Normalisierung zu Syrien haben. Ägypten strebt die Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga an, bereits 2018 ließen die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Botschaft auf einem niedrigeren diplomatischen Level wieder öffnen.

Ob und wann Saudi-Arabien folgen könnte, ist fraglich. Es ginge diesen Staaten vornehmlich darum, Syrien wieder näher an die arabische Welt zu binden – weg vom iranischen und türkischen Einfluss, so Julien Barnes-Dacey, Direktor der Nahost- und Nordafrika-Programme am European Center for Foreign Relations. Das bedeute allerdings nicht, dass sich dadurch die Realitäten im Land zwingend änderten. Eine Rückkehr Assads auf die große politische Bühne - etwa in Washington oder in Paris - scheint derzeit aber noch ausgeschlossen.

Wiederaufbau an Bedingungen knüpfen

Syrien liegt wirtschaftlich am Boden - dazu kommen die US-Sanktionen, ebenso wie die aus Europa. Sowohl Europa als auch die USA finanzieren aber auch einen Großteil der humanitären Hilfe für Syrien. "UN-Unterorganisationen arbeiten vor Ort auch mit Organisationen und Personen zusammen, die auf der Sanktionsliste Europas und der USA stehen", so Helberg. Man habe sich in eine Abhängigkeit begeben, dabei hätte man Assad hierfür gar nicht gebraucht, so die Expertin. Umgekehrt gelte dies aber sehr wohl, so Helberg. Denn die Organisationen übernähmen staatliche Aufgaben.

Zerstörtes Wohngebiet in der Stadt Aleppo Bild: picture-alliance/dpa/S. Kremer

In Europa wünschen sich viele Hilfsorganisationen zwar, die Menschen in Syrien zu unterstützen. Die Syrien-Expertin warnt jedoch davor, diese Hilfe über Regime-nahe Organisationen und Personen abzuwickeln, denn dies würde eine Zusammenarbeit mit dem Regime bedeuten. "Dadurch festigt man genau die Strukturen, die zu diesem Aufstand geführt haben. Denn wenn Europa will, dass mehr Syrer zurückkehren, wird das nicht passieren, solange Assad dort in dieser Form herrscht. Es ist einfach nicht sicher für sie."

Stattdessen sollten gezielte Sanktionen beibehalten und mit der Zivilgesellschaft abgesprochen werden. "Und auch den Wiederaufbau sollte man nicht einfach bedingungslos unterstützen", so Helberg. 

Aus dem deutschen Auswärtigen Amt war derweil zu hören, dass es keinen Wiederaufbau und keine Normalisierung der Beziehungen mit dem Regime geben werde, solange dieses sich nicht an einem glaubwürdigen politischen Prozess unter Leitung der Vereinten Nationen beteilige. Danach sieht es bisher nicht aus.

Mitarbeit: Matthias von Hein 

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