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Politik

Syrien - das Scheitern der Demokraten

Kersten Knipp | Mehyeddin Hussein
15. März 2019

Acht Jahre nach Beginn der Revolution in Syrien hat die Assad-Regierung die demokratische Opposition weitgehend besiegt. Ihre Niederlage hat viele Ursachen. Mangelnde Unterstützung aus dem Ausland ist eine davon.

Proteste gegen Präsident Bashar Assad in Syrien NEU
Bild: picture-alliance/dpa/K. Elfiqi

Deutschland will sich in der humanitären Hilfe für Syrien mehr als bislang engagieren. Um über 1,4 Milliarden Euro will die Bundesregierung ihren Beitrag an die Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen erhöhen. "Damit sind wir der zweitstärkste Geldgeber in der Region", sagte Entwicklungsminister Gerd Müller bei der Syrien-Geberkonferenz in Brüssel.

Politisch hingegen hat Deutschland sich um das Wohl der Landes bisher wenig gekümmert. Die Hoffnung auf eine Demokratisierung Syriens hat sich erledigt, nachdem die Regierung von Baschar al-Assad mit Hilfe ihrer Verbündeten die Opposition weitgehend militärisch besiegt hat. Die Erwartungen in eine neue politische Kultur, die die Revolution vor acht Jahren im März 2011 geweckt hatte, haben sich nicht erfüllt.

Multikulturelles Mosaik zerstört

Erstaunlich sei das nicht, sagt der Islamwissenschaftler Daniel Gerlach. Die Regierung in Damaskus habe seit jeher vor allem ein Ziel verfolgt: sich gegen mögliche Umsturzversuche zu wappnen. "Sie hat in Jahrzehnten kaum etwas anderes getan, als sich auf einen Aufstand vorzubereiten." Das habe sie nicht nur mit Hilfe ihrer Geheimdienste und des Militärs getan. Zugleich habe sie sich auch politisch gewappnet. Dabei habe sie vor allem auf eine Taktik gesetzt: die Bevölkerung des Landes entlang ethnischer und konfessioneller Linie zu spalten oder diese Differenzen, wo sie bereits vorhanden waren, zu vertiefen.

Triumph: Syrische Regierungstruppen im Juli 2018Bild: picture-alliance/ Xinhua/A. Safarjalani

Konsequent habe die Regierung sowohl unter Hafis al-Assad wie anschließend auch seinem Sohn Baschar sich den Umstand zunutze gemacht, dass Syrien ein multikulturelles Mosaik sei. Dessen Bestandteile habe sie konsequent gegeneinander aufgewiegelt, indem es die Furcht der einzelnen Gruppen voreinander schürte. "Darüber ist es dem Regime gelungen, die Bevölkerung Syriens in Loyalitätslager zu zwingen. Jeder dieser Gruppen hat es sich als Beschützerin empfohlen", so Gerlach, der diese Mechanismen eingehend in seinem soeben erschienenen Buch "Der Nahe Osten geht nicht unter" dargelegt hat.

Schwache demokratische Opposition

Hinzu komme: Der politische Druck, den die Regierung seit Jahrzehnten auf die Bevölkerung ausübe, habe dazu beigetragen, dass sich eine demokratische Opposition nicht herausbilden konnte. Vor der Revolution des Jahres 2011 gab es im Wesentlichen zwei oppositionelle Organisationen: Zum einen islamistische Gruppen, die aber selbst nicht demokratisch waren und von denen die meisten der regimekritischen Syrer darum auch keine Impulse erwarteten. Und zum anderen eine säkulare, kommunistisch orientierte Opposition. "Deren Vertreter waren sehr konsequent: Sie waren bereit, für ihre politische Einstellung ins Gefängnis zu gehen", so Gerlach. "Sie hatten allerdings keine Pläne, das Regime gewaltsam zu stürzen. Darüber hinaus waren sie auch nicht wirklich stark organisiert."

Ähnlich sieht es auch Abdulbaset Sieda, der ehemalige Präsident des oppositionellen Syrischen Nationalrats. "Das Regime legt im Umgang mit dem Land die Mentalität einer Bande an den Tag, die ihre Macht auf nichts anderes als Waffengewalt gründet." Darum habe es auch keine politische Opposition gegeben, die die Anliegen der Bevölkerung hätte artikulieren und politisch umsetzen können. 

Keine internationale Unterstützung

Dies habe auch Folgen für den 2011 begonnenen Aufstand gehabt. Zu dessen Beginn habe die Opposition kein klares politisches Programm gehabt und darum viele Bürger nicht überzeugen können. Das wiederum habe es der Regierung leicht gemacht, die Aufständischen zu bekämpfen. "Die Opposition hat es nicht vermocht, einzelne Bevölkerungsgruppen wie Alawiten, Christen, Kurden und Drusen anzusprechen und zu integrieren." Allerdings habe es der Opposition auch an Unterstützung von außen gefehlt, so Sieda im Gespräch mit der DW. "International gab es kaum Bereitschaft, uns zur Seite zu stehen und die Probleme des Landes zu lösen."

Der allmächtige Staat: Syrische Geheimdienstmitarbeiter gehen im März 2011 gegen Demonstranten vorBild: picture-alliance/abaca/Balkis Press

Der entscheidende Schritt für die Opposition hätte sein müssen, die Bevölkerung zu einen und hinter sich zu bringen, sagt Daniel Gerlach. So habe das Regime die Opposition innerlich spalten und ihre einzelnen Bestandteile gegeneinander ausspielen können. Auch die dschihadistischen Gruppen hätten ihren Teil dazu beigetragen, den Aufstand zu spalten. Denn viele Syrer hätten sich ihnen nicht anschließen wollen. "Auf diese Weise sind große Blöcke entstanden, zwischen denen die demokratische Opposition zerrieben worden ist."

Kosmopolitische Visionen

Es sei allerdings zweifelhaft, ob das Regime seine alleinige Macht wirklich habe erhalten können, so Abdulbaset Sieda. In Syrien seien internationale Einflussbereiche entstanden. So sei im Nordwesten die Türkei ein dominanter Faktor, im Nordosten die USA, im Süden sowie rund um Damaskus Russland und Iran. Diese Situation werde absehbar erhalten bleiben. "Darum müssen wir Syrer uns auf uns selbst konzentrieren. Der Weg zu einer Lösung ist noch lang. Eine Zauberformel, mit der sie sich auf einen Schlag lösen ließen, gibt es nicht."

Allerdings, meint Daniel Gerlach: Die politische Kultur zur Überwindung der Lage sei langfristig durchaus vorhanden. Syrien sei längst ein kosmopolitisches Land, dessen Bürger die Demokratie in vielen westlichen Ländern kennengelernt hätten. "Diese Menschen wissen, wie Demokratie funktioniert. Trotz des niederschmetternden Ausgangs des Krieges ist das durchaus positiv zu bewerten. Jüngeren Schätzungen zufolge favorisiert die überwiegende Mehrheit der Syrer ein demokratisches System."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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