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Politik

Noch nicht genug Geld für Syrien gesammelt

25. April 2018

6,5 Milliarden wurden erwartet, erst die Hälfte ist zugesagt. So die Bilanz der Geberkonferenz für die Flüchtlinge in und aus Syrien. Und eine politische Lösung der Krise ist weit entfernt. Von Bernd Riegert, Brüssel.

Syrien-Konflikt Duma Ruinen
Ruinen in der syrischen Stadt Duma: Wann können Flüchtlinge zurückkehren?Bild: picture-alliance/AP/H. Ammar

Für die Versorgung, Unterbringung und Ausbildung von rund 13 Millionen syrischen Kriegsopfern innerhalb und außerhalb des Landes hat die Geberkonferenz in Brüssel 3,5 Milliarden Euro in diesem Jahr zugesagt. Die Erwartungen wurden damit nicht erfüllt, denn benötigt werden nach Berechnungen der Vereinten Nationen rund sechs Milliarden Euro. "Das ist ein guter Start," sagt der UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcox. Aber: "Bis zum Ende des Tages brauchen wir noch weitere Zusagen."

Große Spender, wie die USA, haben aus haushaltstechnischen Gründen noch keine verbindlichen Angaben gemacht. Lowcox rechnet mit mindestens 750 Millionen Euro aus Washington. Im vergangenen Jahr seien große Spenden auch erst nach dem eigentlichen Ende der Geberkonferenz eingetroffen.

Deutschland steuert bis 2020 eine zusätzliche Milliarde an Hilfen bei und ist mit einem Gesamtvolumen von 1,8 Milliarden damit der größte Einzelspender in der EU. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte in Brüssel, das Geld sei bitter nötig. "Wir wollen uns darauf konzentrieren, dass die Flüchtlinge zurückkehren können und den Staaten helfen, die sie aufgenommen haben."

Bundesaußenminister Maas: "Wir brauchen eine politische Lösung"Bild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Maas forderte, wie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, eine Wiederbelebung der Syrien-Gespräche unter Vermittlung der Vereinten Nationen in Genf. "Wir müssen den politischen Prozess in Syrien voranbringen. Wir brauchen eine politische Lösung, um unerträgliches Leid zu lindern", so der deutsche Außenminister. Russland, die Schutzmacht der syrischen Regierung unter Präsident Bashir al-Assad, hat allerdings kein Interesse an einer Vermittlung der Vereinten Nationen. Im UN-Sicherheitsrat, dem höchsten Gremium der Vereinten Nationen, werden sämtliche Initiativen dieser Art von den Gesandten aus Moskau blockiert.

Flüchtlingslager Libanon

Der Premierminister des Libanon, Saad Hariri, saß bei der Geber-Konferenz für Syrien im Ratsgebäude der EU in Brüssel in der ersten Reihe. Sein Land ist wie Jordanien und die Türkei vom Syrien-Krieg besonders stark betroffen. Die drei westlichen Nachbarstaaten Syriens haben rund fünf Millionen Kriegsflüchtlinge aufgenommen, die zum Teil seit Jahren in riesigen Lagern versorgt werden müssen. "Es geht uns nicht besser, als vor einem Jahr als wir die letzte Konferenz in Brüssel hatten", sagte Hariri. "Die Bedingungen für die Flüchtlinge, aber auch für die gastgebenden Gemeinden werden schlechter. Der Libanon ist ein einziges Flüchtlingslager."

Konferenzsteilnehmer Mogherini und Saad Hariri: "Spannungen nehmen zu"Bild: picture-alliance/Xinhua News Agency/T. Monass

Rund 25 Prozent der Bevölkerung des Landes sind Flüchtlinge. Die elf Milliarden Euro, die die Weltgemeinschaft in den vergangenen sieben Jahren in die Syrien-Hilfe gepumpt hat, reichen nicht aus, um den Menschen ausreichend Schulbildung oder eine berufliche Perspektive zu bieten. "Die Spannungen zwischen den Flüchtlingen und den ansässigen Libanesen nehmen zu", räumte Hariri ein.

Der libanesische Regierungschef bat, wie die Vertreter Jordaniens und der Türkei, um mehr langfristige Hilfen zur Versorgung und Integration der Flüchtlinge, vor allem der Kinder. Dabei gäbe es erste Erfolge, so der libanesische Regierungschef. 13 Prozent mehr Flüchtlingskinder als im Vorjahr könnten in öffentlichen und privaten Schulen im Libanon am Unterricht teilnehmen.

Kein Selbstzweck sondern Eigennutz

Ayman Safadi, der Außenminister Jordaniens, erinnerte daran, dass die Unterstützung von Flüchtlingen nicht nur reine Großzügigkeit der Geldgeber, vornehmlich aus westlichen Ländern sei, sondern auch Selbstschutz. Nur bei einer angemessenen Versorgung der Flüchtlinge hätten radikale, terroristische Gruppen wie dem "Islamischen Staat" weniger Chancen, Nachwuchs unter den Verzweifelten zu rekrutieren. "Der IS ist zwar besiegt in vielen Teilen Syriens", warnte Safadi, "aber nicht zerstört."

Jordaniens Außenminister Safadi: "IS ist besiegt, aber nicht zerstört"Bild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Würden die Flüchtlinge in der Region versorgt, würden sie sich auch nicht auf den Weg nach Europa machen, gibt der Chef des UN-Welternährungsprogramms David Beasley zu bedenken. "In Syrien kostet die Ernährung eines Flüchtlings pro Tag 50 Cent, in Deutschland sind es dagegen 15 Euro. Es ist also wirtschaftlicher die Flüchtlinge vor Ort zu versorgen", so Beasley. Jordanien wie Libanon haben weltweit gesehen die meisten Flüchtlinge pro Kopf der ansässigen Bevölkerung untergebracht. Zum Vergleich: Würde man den gleichen Schlüssel auf Deutschland übertragen, müssten die 80 Millionen Deutschen etwa 20 Millionen Kriegsopfer und Vertriebene aufnehmen.

Neue Gespräche bleiben ein frommer Wunsch

Der Syrien-Beauftragte der Vereinten Nationen, Staffan de Mistura, warnte auf der Geberkonferenz in Brüssel davor, dem Krieg könnten noch viel mehr Menschen zum Opfer fallen, wenn die Assad-Regierung demnächst versuchen sollte, die Provinz Idlib aus Rebellenhand zurückzuerobern. Russland war in Brüssel durch seinen EU-Botschafter vertreten. Wladimir Tschitschow forderte, die EU solle auch den Wiederaufbau zerstörter Regionen in Syrien finanzieren.

Die EU und Bundesaußenminister Maas lehnen das ab. Der Wiederaufbau könne erst stattfinden, wenn der Krieg beendet sei und eine politische Lösung für Syrien gefunden werde. "Das Ziel bleibt ein demokratisches Syrien", sagte die EU-Außenbeauftragte Mogherini. "Das wird nicht leicht. Wir sind nicht naiv, aber das ist die einzige dauerhafte Lösung. Der Krieg kann irgendwann zu einem militärischen Sieg führen, aber er führt nicht zum Frieden."

Die syrischen Kriegsparteien waren auf der Geberkonferenz in Brüssel nicht vertreten. Alle Appelle liefen deshalb ein wenig ins Leere. Geert Cappelaere vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) ist daher nicht sehr zuversichtlich. "Wenn ich sehe, wie die politischen Führer in Syrien sich aufführen, dann bin ich nicht sehr hoffnungsvoll, dass es bald eine Lösung geben wird", sagte Cappelaere der DW.  "Wenn ich aber mit den Kindern in Syrien spreche, dann bin ich extrem hoffnungsvoll. Deshalb der Appell von UNICEF an die Kriegsparteien, machen sie Kinder zum Hauptaugenmerk bei Verhandlungen und dann gibt es auch eine Zukunft für Syrien."

Mehr Mittel als zugesagt

Konkrete Vorschläge, wie die Genfer Gespräche wieder starten könnten, blieben aus. Russland kündigte an, am Samstag in Moskau mit der Türkei und dem Iran über die Zukunft Syriens zu sprechen. Die EU versteht diese Gespräche als Konkurrenz zu den UN-geführten Verhandlungen in Genf. Die Außenbeauftragte Mogherini hatte aber wenigstens eine gute Nachricht zu verkünden. Die "Freunde Syriens", so der Titel der Geberkonferenz, waren im vergangenen Jahr noch generöser als zunächst angekündigt. Zugesagt waren Mittel in Höhe von sechs Milliarden Euro. Tatsächlich gezahlt wurden 7,5 Milliarden Euro, so Mogherinis Bilanz für 2017.

Nach dem Militärschlag - Nahost-Expertin Kristin Helberg im Gespräch

04:20

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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