1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Syrien nach dem Krieg: Ein Überblick in Grafiken

22. Dezember 2024

Der Krieg in Syrien hat eine Schneise der Zerstörung hinterlassen. Das Land ist zersplittert und wirtschaftlich am Boden; Millionen Menschen sind vertrieben oder auf humanitäre Hilfe angewiesen. Ein Überblick.

Syrien Kämpfer der Syrian Democratic Forces SDF
Bild: Orhan Qereman/REUTERS

Sieben Millionen Vertriebene, eine halbe Million Kriegstote, Hunger und Armut: Nach 14 Jahren Bürgerkrieg liegt das Land in Trümmern. Wie teuer es wird, das Land wiederaufzubauen, ist unklar. Die DW hat wichtige Eckdaten zur aktuellen Lage in Syrien zusammengestellt.

Mit rund 185.000 Quadratkilometern ist Syrien ungefähr halb so groß wie Deutschland. Rund 24 Millionen Menschen leben im Land, doch rund zwei Drittel von ihnen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Dicht besiedelt ist vor allem der Westen Syriens, doch ganze Ballungsräume rund um die Städte Damaskus, Aleppo, Hama oder Homs liegen in Schutt und Asche.

Mindestens 140.000 Gebäude, darunter alleine 3000 Schulen, sind entweder völlig zerstört oder zumindest schwer beschädigt. Auch das Gesundheitssystem ist in weiten Teilen des Landes schwer getroffen - während des Krieges berichteten mehrere Menschenrechtsorganisationen darüber, dass russische und syrische Truppen zahlreiche Krankenhäuser gezielt bombardiert hatten.

Die Schätzungen für die Kosten des bevorstehenden Wiederaufbaus variieren. Fest steht: Es geht um sehr viel Geld. Schätzungen belaufen sich auf eine Gesamtsumme von bis zu einer Billion US-Dollar.

Erschwert werden könnte der Wiederaufbau dadurch, dass Syrien stark mit Landminen verseucht ist, ohne dass das genaue Ausmaß der Kontamination bekannt ist. Von den mehr als 500.000 Kriegstoten kamen allein 12.000 durch Minen oder Blindgänger ums Leben. Damit zählt Syrien seit Jahren zu den drei am schwersten betroffenen Ländern weltweit.

Millionen in Syrien auf der Flucht

Rund sieben Millionen Einwohner Syriens sind im eigenen Land auf der Flucht. Insbesondere in der nordwestlichen Provinz Idlib hatten während des Krieges mehrere Millionen Menschen Schutz vor den Truppen von Machthaber Assad gesucht. Mindestens sechs Millionen weitere Syrerinnen und Syrer sind ins Ausland geflohen - die meisten von ihnen in die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien. Auch Deutschland hat fast 800.000 Kriegsflüchtlinge aufgenommen.

Insbesondere im Libanon dürfte die tatsächliche Zahl geflüchteter Menschen aus Syrien stark von den offiziellen Angaben abweichen. Die Vereinten Nationen gehen eher von anderthalb bis zwei Millionen Geflüchteter aus - obwohl der Libanon selbst nur etwas mehr als fünf Millionen Einwohner besitzt. 

Rückkehr in ein Land am Boden

Viele dieser Menschen wünschen sich, in ihre Heimat zurückkehren zu können. Doch Zweifel bleiben. Denn Syrien ist durch die Jahre des Krieges wirtschaftlich völlig am Boden.

Das Bruttoinlandsprodukt ist quasi in sich zusammengebrochen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, wer überhaupt noch Arbeit besitzt, verdient heute nur noch einen Bruchteil seines Einkommens vor Kriegsbeginn.

Gleichzeitig ist die Inflation im Land mittlerweile fast dreißigmal höher als 2011. Heute leben fast alle Menschen in Syrien unter der von der Weltbank definierten Armutsgrenze - zwei Drittel davon, berichtet das Deutsche Rote Kreuz, sogar in extremer Armut.

Syrien bleibt zersplittert

Hinzu kommt die politische Unsicherheit. Noch immer ist unklar, wie sich das Land weiterentwickelt. Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat die islamistische HTS-Miliz in Damaskus die Macht übernommen und mit der Bildung einer Übergangsregierung begonnen.

Nach außen gibt sich ihr Anführer Muhammad al-Dschulani als gemäßigt, doch seine Organisation wird von mehreren westlichen Staaten noch immer als Terrororganisation eingestuft. Derzeit ringt die EU um eine gemeinsame Haltung gegenüber der HTS.

Und Syrien wird auch weiterhin ein Spielball ausländischer Mächte bleiben. Im Norden sind die Türkei und von ihr unterstützte Milizen im Kampf gegen die Kurden aktiv.

Im Südosten halten die USA eine Militärbasis mit 2000 dort stationierten Soldaten, von der aus sie Stellungen des sogenannten Islamischen Staates im dünn besiedelten Osten des Landes ins Visier nimmt. So will Washington ein Wiedererstarken der Terrormiliz verhindern.

Im Südwesten hat Israel einige Gebiete der eigentlich entmilitarisierten Pufferzone nahe der Golanhöhen besetzt und strategische Ziele in Syrien bombardiert - auch aus Sorge, etwaige Chemiewaffenarsenale könnten in die aus israelischer Sicht falschen Hände geraten.

Im Westen des Landes unterhielt Russland bis zuletzt zwei strategisch wichtige Militärbasen - noch ist unklar, wie es mit ihnen nun weitergeht. Und auch der Iran, bislang größter Unterstützer des Assad-Regimes, versucht, seinen Einfluss im Land so gut es geht aufrechtzuerhalten.

Religiöse Minderheiten Syriens in Angst

Unter seinem langjährigen Machthaber Baschar al-Assad war Syrien Teil des iranisch dominierten sogenannten "Schiitischen Halbmondes"; dabei sind jedoch drei Viertel der Bewohner Syriens sunnitische Muslime.

Assad selbst gehört der Religionsgruppe der Alawiten an, einer eigenständigen, vom Schiitentum abgeleiteten Glaubensrichtung. Insgesamt gibt es in Syrien rund zwei bis drei Millionen Alawiten, die sich nun Sorgen machen, als Profiteure des Assad-Regimes gebrandmarkt und entsprechend verfolgt zu werden.

In Syrien leben zudem offiziell auch mehr als zwei Millionen Christen, auch wenn viele von ihnen in den vergangenen Jahren aus dem Land geflohen sein dürften. Auch sie haben nun Angst vor einer möglichen Verfolgung aus religiösen Gründen.

Was geschieht nun mit den Kurden?

Während des Krieges hatten die Kurden im Nordosten Syriens - ähnlich wie zuvor schon im Nordirak - ein de facto autonomes, selbst verwaltetes Gebiet errichten können. In Syrien zählen knapp drei Millionen Menschen zu den Kurden. In der Türkei sind es nach unterschiedlichen Schätzungen jedoch bis zu 15 Millionen.

Ankara will die Entstehung eines eigenen Kurdenstaates mit allen Mitteln verhindern und gibt als Grund unter anderem an, dass "Kämpfer kurdischer Terrormilizen" in der Türkei Anschläge verüben und in Nordsyrien einen Rückzugsraum finden könnten. Deshalb greifen die türkische Armee und die von ihr unterstützten syrischen Milizen auch nach dem Sturz Assads weiter die kurdischen Gebiete in Nordostsyrien an.

Die Türkei strebt zumindest eine durch eigenes Militär besetzte Pufferzone entlang der syrischen Grenze an. Unterschwellig dürfte in Ankara aber auch die Angst eine Rolle spielen, dass auch die Kurden in der Türkei verstärkt nach Autonomie oder gar einem eigenen Staat rufen könnten, wenn sie in den direkten Nachbarländern erfolgreich sind.

Die Kurden sind mit geschätzten 25 bis 30 Millionen Menschen weltweit eines der größten Völker ohne eigenen Staat. Ihr Siedlungsgebiet erstreckt sich seit der Neuordnung des Mittleren Ostens nach dem Ersten Weltkrieg vor allem auf die Türkei, Syrien, Irak und Iran; die daraus entstandenen Konflikte schwelen also schon seit über 100 Jahren. Ob es durch die politische Neuordnung in Syrien nun auch zu einer dauerhaften Befriedung im Nordosten des Landes kommt, bleibt daher ungewiss.

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen