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Politik

Syriens langer Weg zum Frieden

13. September 2017

In Astana treffen sich Vertreter mehrerer mit dem Assad-Regime verbündeter Staaten. Sie wollen das Land weiter in Richtung Waffenstillstand bringen. Das könnte gelingen. Wie weit ist der Frieden noch entfernt?

Syrien Armee
Soldaten der syrischen Armee vor Deir az-ZorBild: picture-alliance/Press Service of the President

Glückwünsche hatte Sergei Shoigu auch im Gepäck. Die solle er von Putin überbringen, erklärte der russische Verteidigungsminister bei seinem Besuch am Dienstag dieser Woche in Damaskus, und zwar für die Befreiung von Deir ez-Zohr. Das syrische Militär hatte zuvor den Belagerungsring durchbrochen, den Kämpfer der Terrororganisation"Islamischer Staat" (IS) vor drei Jahren um die Stadt im Osten Syriens gezogen und seitdem gehalten hatten.

Seit der Einnahme Ost-Aleppos im Dezember des vergangenen Jahres hat das Regime Bashar al-Asads, verstärkt durch russische und iranische sowie zahlreiche Kräfte der Hisbollah, etliche Städte von den Rebellen zurückerobert. Man habe einen "Sieg" in Syrien errungen, erklärte dieser Tage laut einem Bericht der libanesischen Zeitung Al-Akhbar Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Was bleibe, seien "vereinzelte Schlachten". Insgesamt aber, so deute er an, sei die Schlacht um Syrien geschlagen.

Streit um Zahlen

Ähnlich optimistisch wie Nasrallahäußerte sich das russische Militär. Das Assad-Regime kontrolliere inzwischen rund 85 Prozent des syrischen Territoriums, hieß es in Moskau in einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters.

Allerdings teilen nicht alle Beobachter diesen Optimismus. Das in London ansässige, international als glaubwürdige erachtete Syrische Observatorium für Menschenrechte geht davon aus, dass das Assad-Regime nur 48 Prozent des syrischen Territoriums kontrolliert. 23 Prozent hielten die "Syrischen Demokratischen Kräfte" im Norden des Landes, weitere zwölf die verschiedenen dschihadistischen Gruppierungen, allen voran der IS.

Neuauflage der Gespräche in Astana. Hier der Un-Syrienbeauftragte de Mistura (li.) mit dem russischen Vermittler A. LavrentievBild: Getty Images/AFP

Wie immer die Prozentzahlen im Einzelnen ausfallen mögen, insgesamt geben sich Russland, Iran und das Assad-Regime siegessicher. Das zumindest deuten die Bemerkungen aus dem Vorfeld der am Donnerstag beginnendenGespräche in der kasachischen Hauptstadt Astanaan. Dort werden Russland, die Türkei und Iran zusammen mit Vertretern der syrischen Regierung über das weitere Vorgehen beraten.

Gespräche um weitere Schutzzone

Im Vordergrund der Gespräche wird die Einrichtung einer Schutzzone an der Grenze zu Jordanien stehen. Am Wochenende hatte der russische Außenminister Lawrow entsprechende Vorgespräche mit dem jordanischen König in Amman geführt. Die nun einzurichtende Zone soll die bereits bestehenden in Idlib, Homs und in der Nähe von Damaskus ergänzen.

Die bereits bestehenden Schutzzonen bieten Zivilisten zumindest relative Sicherheit. Zwar kam es auch dort zu - vereinzelten - Einschlägen größerer Geschosse, insgesamt aber hält die vereinbarte Waffenruhe. Nun soll in Astana der Status dieser Zonen noch einmal bestätigt werden. Zu ihnen haben auch die USA beigetragen. Am Rande des G-20-Treffens Anfang Juli in Hamburg hatten sich der russische Präsident Putin und sein amerikanischer Amtskollege Donald Trump auf die Einrichtung befriedeter Regionen grundsätzlich verständigt. Seitdem ging der Aufbau voran.

Hijab? Nein danke! Eine Syrerin trennt sich nach der Einnahme von Deir az-Zor von ihrer VollverschleierungBild: Reuters/R. Said

Kämpfe halten weiter an

Trotz aller diplomatischen Bemühungen gehen die Kämpfe in Syrien weiter, und zwar an mehreren Fronten: zum einen bekämpfen sich dschihadistische und gemäßigte Rebellen, zum anderen stehen beide Gruppen - unabhängig voneinander - den Truppen Assads gegenüber. Nach wie vor sterben aufgrund dieser Kämpfe zahlreiche Zivilisten - allein am Dienstag dieser Woche kamen nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 70 Unbeteiligte ums Leben. Zudem starben knapp 40 Soldaten der syrischen Armee.

Trotzdem steuert das Assad-Regime nun auch nach Einschätzung der Vereinten Nationen auf einen Sieg zu. Dies hatte der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, in der vergangenen Woche erklärt. "Für die Opposition ist die Nachricht klar", sagt er". "Falls sie planen sollten, den Krieg zu gewinnen, beweisen die Fakten, dass dies nicht der Fall ist. Darum ist es nun an der Zeit, den Frieden zu gewinnen."

Von einem Sieg Assads wollte er dennoch nicht reden. "Einen Sieg kann es nur geben, wenn es eine nachhaltige und langfristige politische Lösung gibt", erklärte de Mistura.

Bildungsoffensive: Unterricht in der Sicherheitszone QuneitraBild: Reuters/A. Al-Faqir

Militärischer Sieg, aber kein Friede

Insbesondere die gemäßigte syrische Opposition reagierte auf de Misturas Erklärung empört. Trotzdem dürfte er nach Einschätzung von Experten Recht behalten. "Assad wird noch lange Zeit an der Macht bleiben", erklärte der an der Universität Edinburgh lehrende Syrien-Experte Thomas Pierret gegenüber der Nachrichtenagentur AfP. Allerdings sei Assad weit von einem totalen militärischen Triumph entfernt. "Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es immer wieder bewaffnete Aufstände im ganzen Land geben", so Pierret.

Dies, vermutet Pierret, dürfte dazu führen, dass Syrien über Jahre ein schwacher Staat sein wird, geführt von einer instabilen, potentiell bedrohten Regierung. "Die Aufständischen werden den Staat nicht direkt bedrohen, wohl aber sind sie eine strukturelle Bedrohung für ein Regime, dass an mehreren Stellen schwächelt."

Dieses Regime wird ein Land regieren und wieder aufbauen müssen, dessen Gebäude landesweit zu einem guten Viertel zerstört sind. Auch seine medizinischen Institutionen und die Bildungseinrichtungen sind zur Hälfte nicht mehr funktionsfähig.

Die Gespräche in Astana dürften dazu beitragen, das Land einen Schritt weiter in Richtung eines Waffenstillstands zu bringen. Von einem dauerhaften Frieden ist Syrien noch weit entfernt.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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