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Syrien: Wie gefährlich sind die ausländischen Kämpfer?

Cathrin Schaer
25. Mai 2025

Die Terrormiliz IS attackiert Syriens Übergangsregierung und wirbt um ausländische Kämpfer. Die USA fordern Syrien auf, bewaffnete Extremisten aus anderen Ländern zur Ausreise zu bewegen. Wie groß ist das Problem?

Syrien | Latakia | Kämpfe zwischen Regierungskräften und Alawiten
Kämpfe zwischen Regierungskräften und AlawitenBild: Moawia Atrash/dpa/picture alliance

Er sei ein Verräter, Ungläubiger und "Sklave", der vor US-Präsident Donald Trump "gekrochen" sei: In der jüngsten Ausgabe ihres Newsletters "Al Naba" attackiert die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) Syriens neuen Interimspräsidenten Ahmad al-Scharaa. Zugleich spiegelt die Publikation die lange zurückreichende Feindschaft zwischen dem IS und der lange von al-Scharaa geführten Islamisten-Miliz Haiat Tahrir al-Scham ("Bewegung zur Befreiung Großsyriens", HTS) wider. Zwischen 2012 und 2013 gehörte die HTS-Miliz zum IS, bevor sie sich mit Al-Kaida verbündete. Nachdem die HTS 2016 die Verbindungen zu Al-Kaida offiziell abgebrochen hatte, bekämpfte sie den IS fast ein Jahrzehnt lang in den von ihr kontrollierten Landesteilen. 

In dem Text werden gezielt auch ausländische Kämpfer aus dem Umfeld der HTS angesprochen und aufgefordert, dem IS beizutreten. Damit erinnert der IS ungewollt an eines der größten Probleme der syrischen Übergangsregierung: Wie umgehen mit der Präsenz bewaffneter ausländischer Islamisten im Lande?

Während ihres Treffens vergangene Woche in Riad drängte der US-Präsident al-Scharaa, "alle ausländischen Terroristen aufzufordern, Syrien zu verlassen." Das war eine der zentralen Bedingungen der USA für die Aufhebung der Sanktionen gegen das Land. Französische und deutsche Gesandte äußerten sich ähnlich. Es herrscht die Sorge, Syrien könnte sich zu einem Zufluchtsort für extremistische Gruppen entwickeln, die auch international aktiv würden.

Wer sind die ausländischen Kämpfer?

Es ist schwer zu sagen, wie viele Ausländer genau an der Seite der HTS gegen das Assad-Regime kämpften. Ihre Zahl könnte zwischen 1500 und 6000 liegen, meinen Beobachter. Die größte Gruppe stammt aus Zentral- und Ostasien, darunter Uiguren aus China. Viele gehören der sogenannten Islamischen Partei Turkistans an.

Weitere Kämpfer kommen unter anderem aus Russland, anderen ehemaligen Sowjetstaaten, aus dem Balkan, Frankreich, Großbritannien, der Türkei und verschiedenen arabischen Ländern.

Ende 2024, beim Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad, spielten offenbar mehrere Gruppen von Ausländern, darunter Uiguren und Tschetschenen, eine entscheidende Rolle für den Erfolg.

Al-Scharaa drängte daher darauf, die ausländischen Kämpfer für ihre Hilfe zu belohnen. Im Januar wurden mehrere von ihnen in höherrangige Positionen im neuen syrischen Militär berufen. Die Entscheidung sorgte für Kontroversen.

Es sei schwer zu sagen, wie wichtig die ausländischen Kämpfer heute für die syrischen Sicherheitskräfte seien, sagt Aaron Zelin, HTS-Experte am Think Tank The Washington Institute, der DW. Aber Kämpfer des uigurischen Kontingents wirkten beispielsweise als eine Art persönliche Sicherheitstruppe für al-Scharaa. "Sie sind im Grunde diejenigen, die ihn beschützen, weil er ihnen vertraut", so Zelin.

Er habe im Kampf gegen die Streitkräfte des Assad-Regimes in der syrischen Stadt Aleppo mehrere ausländische Kämpfer getroffen, berichtet ein ein in Deutschland lebender syrischer Flüchtling und ehemaliger Kämpfer der DW - seinen Namen will er aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich nennen. "Einige von ihnen waren in Ordnung, andere weniger" - so seine persönliche Erinnerung. "Sie waren sehr auf den Kampf konzentriert und hatten vielfach eine salafistische Denkweise." Der Salafismus gilt als einer der strengsten und radikalsten Islam-Auslegungen. Diejenigen, die geblieben sind, hätten jetzt Familien in Syrien, so der Ex-Kämpfer. 

Wie gefährlich sind die Bewaffneten?

Ausländische Kämpfer mit radikalen religiösen Überzeugungen werden beschuldigt, an der jüngsten Gewalt gegen syrische Minderheiten beteiligt gewesen zu sein. Zudem wird ihnen vorgeworfen, die Kleidung und soziale Gepflogenheiten von Frauen in den syrischen Großstädten zu kontrollieren.

Bis vor Kurzem positionierte sich auch die nun an die Macht gekommene HTS noch als "Verteidiger des sunnitischen Islam", schriebt der Syrienexperte Orwa Ajjoub im März in einem Text für das Italienische Institut für Internationale Politische Studien. Seit dem Sturz des Assad-Regimes habe die Gruppe jedoch öffentlich einen liberaleren Kurs eingeschlagen.

"Dieser abrupte Wandel im Narrativ stellt eine erhebliche Umstellung für die Basis dar", so Ajjoub. "Viele HTS-Kämpfer, die das konservative Umfeld von Idlib nie verlassen haben, treffen nun in Damaskus auf weniger konservative Gemeinschaften."

Szene aus einer frühere Offensive syrischer Rebellen im Westen von Aleppo, November 2024: Viele der Kämpfer, die zu Assads Sturz beitrugen, stammen aus dem AuslandBild: Juma Mohammad/AP Photo/picture alliance

Gefahren durch den IS

"Wenn die HTS ihren Trend zu relativer Mäßigung fortsetzt - etwa die Duldung unverschleierter Frauen, Alkoholverkauf und die Teilnahme an einem politischen Prozess nach westlichem Vorbild -, könnten sich Hardliner innerhalb der Miliz, insbesondere ausländische Dschihadisten, abspalten und zum IS oder Al-Kaida überlaufen oder mit ihnen kooperieren", warnte Mohammed Salih vom Foreign Policy Research Institute, einer Denkfabrik mit Sitz in Philadelphia, im Januar.

Er halte es jedoch für fraglich, ob ausländische Kämpfer in Syrien heute eine große Bedrohung darstellten, meint Aaron Zelin. Diejenigen, denen HTS nicht mehr radikal genug sei, seien höchstwahrscheinlich bereits abgereist, argumentiert der Miliz-Experte. Viele der verbliebenen, weniger radikalen ausländischen Kämpfer wiederum seien sehr diszipliniert. Seit längerem schon versuche al-Scharaa zudem, ausländische Kämpfer, die sich dem neuen Kurs der Gruppe widersetzten, auszugrenzen, zu verhaften oder auszuweisen. Ausländische Kämpfer in den Reihen des IS halte er derzeit für die größte Gefahr, so Zelin.

Ausländische Extremisten werden unter anderem beschuldigt, im vergangenen Dezember im westlichen Syrien einen Weihnachtsbaum angezündet zu haben. Unsere Aufnahme zeigt einen Weihnachtsbaum in friedlichem Umfeld in Aleppo Bild: Khalil Hamra/AP Photo/picture alliance

Ausweisen oder integrieren?

Nach al-Scharaas Treffen mit Trump gab es Berichte, syrische Sicherheitskräfte hätten Stützpunkte ausländischer Kämpfer in Idlib überfallen. Lokale Beobachter sagen jedoch, es sei unklar, ob es sich dabei nur um Gerüchte, eine politische Inszenierung oder tatsächliche Ereignisse handelte.

Manchen Experten zufolge könnte die Integration der ausländischen Kämpfer in die neuen syrischen Sicherheitskräfte der beste Weg sein, mit ihnen umzugehen.

Zelin meint, die ausländischen Kämpfer außer Landes zu bringen, sei für die neue syrische Regierung jedenfalls die am schwierigsten umzusetzende Forderung der USA. "Ich glaube nicht, dass man die ausländischen Kämpfer wirklich aufgeben will, es sei denn, sie verstoßen gegen die Gesetze."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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