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Syrien: Außenminister Wadephul immer isolierter in der Union

5. November 2025

Abschieben oder nicht? Bundeskanzler Friedrich Merz widerspricht offen seinem CDU-Parteifreund Johann Wadephul in der Frage der Rückkehr syrischer Flüchtlinge.

Wadephul mit Mitarbeitern vor Ruinen
Außenminister Johann Wadephul Ende Oktober im zerstörten Harasta bei DamaskusBild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

Die Gegensätze zwischen Außenminister Johann Wadephul und Bundeskanzler Friedrich Merz prallen inzwischen hart aufeinander. Kurzfristig könnten in Deutschland lebende syrische Flüchtlinge nicht in ihre Heimat zurückkehren. "Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben", fand Wadephul kürzlich bei einem Besuch in einer vom syrischen Bürgerkrieg schwer verwüsteten Vorstadt von Damaskus.

Dagegen der Bundeskanzler: "Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet. Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland, und deswegen können wir auch mit Rückführungen beginnen", sagte er - ausgerechnet in Wadephuls Heimatstadt Husum an der Nordseeküste.

Das klang wie eine Zurechtweisung seines Parteifreundes von der konservativen CDU, auch wenn sich Merz bemühte, den Konflikt mit dem Minister zu relativieren. Wadephul habe einen besonders stark zerstörten Teil von Damaskus besucht. Das klang wie: Mit ihm sind die Emotionen durchgegangen.

Bundeskanzler Merz (rechts, hier im Bundestag) hat sich offen gegen Außenminister Wadephul gestelltBild: Andreas Gora/IMAGO

Regierungssprecher Stefan Kornelius versuchte schließlich, den Konflikt weiter herunterzuspielen: "Selbstverständlich steht der Bundeskanzler hinter dem Außenminister."

Angst vor der AfD

Doch der gegenteilige Eindruck hatte sich da längst aufgebaut. Tagelang hatten sich Kritiker der Unionsparteien CDU und CSU zu Wort gemeldet, darunter Innenminister Alexander Dobrindt von der CSU, der bayerischen Schwesterpartei der CDU. Dobrindt sieht grundsätzlich keinen Grund gegen Rückführungen nach Syrien. Jürgen Krings, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Unionsfraktion aus CDU und CSU im Bundestag, sagte dem Magazin "Stern": "Mit dem Ende des syrischen Bürgerkriegs ist auch der Schutzgrund für alle Bürgerkriegsflüchtlinge weggefallen. Damit müssen in nächster Zeit auch die bisherigen humanitären Aufenthaltstitel aufgehoben werden."

Die CDU-Landesvorsitzenden von Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg hieben in dieselbe Kerbe und forderten eine schnelle Rückkehr der Menschen aus Syrien. Dass sich gerade diese beiden so dezidiert gegen den Außenminister stellen, hat seinen Grund: Unter anderem in ihren Bundesländern finden im kommenden Jahr Landtagswahlen statt.

Die CDU steht unter Druck durch die AfD, die mit ihrem kompromisslosen Kurs gegen Flüchtlinge in den Umfragen punktet und in Sachsen-Anhalt sogar deutlich vorn liegt. Den dortigen CDU-Politikern passten Wadephuls Gewissensbisse offenbar gar nicht. Wie zur Bestätigung warf AfD-Chefin Alice Weidel der CDU eine "Abschiebungsverweigerung" vor.

"Mit Blick auf die aktuellen Wahlumfragen herrscht in der Union große Unruhe", schreibt Henning Hoff von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik der DW. "Maßgebliche Teile der Partei meinen, man könne die Dynamik mit 'größerer Härte' in der Migrationspolitik umkehren, und man will sich deshalb 'keine Blöße' geben."

Er weist aber darauf hin, dass es nicht nur "inhuman", sondern auch "unrealistisch" sei, zu glauben, "man könne rund eine Million syrischer Flüchtlinge, großenteils gut integriert, kurzerhand wieder 'nach Hause schicken'. Die Voraussetzungen dafür sind in Syrien nicht gegeben."

Schon rein rechtlich könnte derzeit nur ein sehr kleiner Teil der in Deutschland lebenden Syrer abgeschoben werden. Doch das spielt in der Debatte in der Union derzeit kaum eine Rolle.

"Zwangssolidarität" mit Israel, "überforderte" Bundeswehr

Syrien ist nicht das einzige Thema, bei dem Wadephul in den eigenen Reihen in die Kritik geraten ist. Im August sagte er, ein Ukraine-Einsatz würde die Bundeswehr "überfordern", was Merz' Verhandlungsposition schwächte, der gerade auf dem Weg nach Washington zu Ukraine-Verhandlungen mit US-Präsident Donald Trump war.

Dann wehrte sich Wadephul gegen eine angebliche deutsche "Zwangssolidarität" mit Israel, während der Kanzler Israel gegen Genozid-Vorwürfe verteidigte. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte das Wort "Zwangssolidarität" in der Zeitung "Die Welt" "sehr problematisch und unglücklich". Politiker wie Omid Nouripour von den Grünen finden, der Ausdruck relativiere die selbsterklärte deutsche "Staatsräson" gegenüber Israel, das unbedingte Eintreten für Israels Sicherheit.

Wadephul (links) bei Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: keine "Zwangssolidarität" mit IsraelBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Hoff meint: "Der Außenminister äußert sich offenkundig immer wieder zu spontan und unüberlegt - auch zu Themen, die gar nicht seine sind, beispielsweise zum deutschen Beitrag zur 'Coalition of the Willing' mit der Sorge, die Bundeswehr würde überfordert. Weniger wäre da mehr."

Schließlich sorgte Wadephul für einen Eklat mit China, einem der wichtigsten Handelspartner Deutschlands. Er sagte eine Reise nach Peking kurzfristig ab, als klar wurde, dass ihm außer einem Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi keine weiteren Termine angeboten wurden. Die chinesische Regierung zeigte sich brüskiert.

Erinnerungen an Baerbock und Scholz

Die Opposition greift den innerparteilichen Konflikt in der Union genüsslich auf. "Auch in der Außenpolitik muss der Kanzler, muss die CDU sich mittlerweile fragen, wofür die CDU eigentlich einen Außenminister stellt", spottete Katharina Dröge, die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag. "Immer wenn der Außenminister sich äußert, wird es ja von den eigenen Parteimitgliedern hinterfragt."

Dabei wollte die Regierung aus Union und SPD vieles besser machen als die Vorgängerregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD. Vor allem die öffentlich ausgetragenen Streitereien sollten aufhören, hatte Merz gesagt und bezog sich dabei ausdrücklich auch auf den außenpolitischen Kurs seiner Regierung aus Union und SPD. Zwischen Scholz und der grünen Außenministerin Annalena Baerbock gab es Reibereien, sie schien mitunter eine Außenpolitik am Kanzleramt vorbei zu betreiben.

September 2023 - UN-Hauptsitz in New York: Die damalige Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) waren nicht immer einig in außenpolitischen FragenBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Jetzt scheint es, als sei genau das wieder das Problem, diesmal zwischen CDU-Parteifreunden. "Es klappt nicht mit der angekündigten 'Außenpolitik aus einem Guss'", so Henning Hoff von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Das liegt einerseits an Wadephuls Rhetorik, der sich in seiner Partei damit tatsächlich unbeliebt gemacht hat, aber auch am Kanzleramt, das noch nicht ausreichend koordiniert und - im aktuellen Fall - zu spät reagiert."