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Politik

Wie mächtig ist Assad noch?

20. Mai 2020

Der syrische Präsident Assad steht unter enormem Druck: Zwar unterstützen Russland und der Iran ihn weiterhin, doch seine finanziellen Probleme lösen sie nicht. Nun geht Assads Cousin Rami Makhlouf auf Distanz.

Assad (r.) Ende April mit dem iranischen Außenminister Dschawad Sarif
Assad (r.) Ende April mit dem iranischen Außenminister Dschawad SarifBild: picture-alliance/AP/SANA

Der Botschafter Russlands in Teheran, Levan Dzhagaryan, hielt die Zeit offenbar für gekommen, einiges klarzustellen: Am Wochenende gab er der iranischen Nachrichtenagentur Mehr ein Interview zur Haltung der russischen Regierung gegenüber dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Darin dementierte er Gerüchte über eine zwischen Russland und dem Iran geschlossene Vereinbarung, die die Absetzung Assads vorsehe.

Es gebe Gerüchte, Russland sei mit Präsident Assad nicht zufrieden, sagte Dzhagaryan. Diese Gerüchte spiegelten jedoch nicht die Position der russischen Regierung. "Ich möchte betonen, dass wir den politischen Prozess in Syrien weiterhin unterstützen werden", so Dzhagaryan. "Wir werden die legitime Regierung Syriens unterstützen. Die Zukunft des Landes gehört dem syrischen Volk. Nur die Syrer sind die Entscheidungsträger ihres Landes."

Putin (l.) und Assad im Januar in DamaskusBild: Reuters/SANA

Die Meldung über eine Entfremdung zwischen Russland und dem Iran auf der einen und Baschar al-Assad auf der anderen Seite gründeten auf dem Umstand, dass in Syrien auch nach mehr als neun Jahren Krieg immer noch gekämpft wird - und Assad mit seiner Kompromisslosigkeit einen Waffenstillstand verhindert. Russland und der Iran haben massiv in diesen Krieg investiert. Bereits seit längerer Zeit wollen sie ihn nach Möglichkeit beenden. Doch seitdem beide Länder auch Mittel zur Eindämmung gegen die Corona-Krise zum Schutz der eigenen Bevölkerung aufbringen müssen, drücken die Ausgaben noch stärker auf den Staatshaushalt als ohnehin schon.

"Der Iran und Russland halten an Assad fest"

Dennoch hielten sowohl Russland wie auch der Iran weiter an Assad fest, sagt Julien Barnes-Dacey, Direktor des Nahost- und Nordafrika-Programms des "European Council on Foreign Relations". "Russland wünscht sich zwar, Assad möge eine politisch konstruktivere Rolle spielen. Aber in Moskau weiß man auch, dass er die absolute Schlüsselfigur in Syrien ist. Er steht im Zentrum der Macht, und darum lässt Moskau nicht fallen." 

Auch in Teheran setze man weiter auf Assad, so Barnes-Dacey. "Der iranischen Regierung geht es weniger darum, wie zukunftsfähig das System ist. Sie interessiert sich viel mehr für die nationale Sicherheit. Und die sieht sie mit Assad am besten gewährleistet. Deshalb setzt sie weiterhin auf ihn."

Oppositionsanhänger feiern am 18. März in Idlib den neunten Jahrestag des Aufstands gegen AssadBild: AFP/O. H. Kadour

Entsprechend hat sich am Wochenende auch Hossein Amir-Abdollahian, der Chefberater des iranischen Parlamentspräsidenten, zur Haltung des Iran gegenüber Assad geäußert. Auch er dementierte Gerüchte, die politischen Führungen in Moskau und Teheran hätten sich darauf verständigt, Assad abzusetzen. Entsprechende Berichte über eine solche Vereinbarung seien "eine große Lüge", teilte er mit. Assad sei der "legitime Präsident Syriens."

Die Kritik des Milliardärs

Unmutsäußerungen bekommt Assad allerdings im eigenen Land zu hören. Am Dienstag dieser Woche erklärte Assads Cousin Rami Makhlouf, einer der reichsten Männer des Landes, die Regierung habe die Beschlagnahme seines Vermögens angeordnet und ihm zugleich verboten, während der kommenden fünf Jahre Geschäfte mit dem syrischen Staat zu machen. Die Erklärung ist der vorläufige Höhepunkt einer Entfremdung innerhalb der syrischen Macht- und Geschäftselite, die sich bereits seit Monaten hinzieht. 

So hatte sich Makhlouf Ende April via Twitter kritisch über den politischen Stil des Präsidenten geäußert. Darin bezog er sich auf Vorfälle im vergangenen Dezember. Damals hatte die syrische Regierung einem Bericht des "Economist" zufolge Teile von Makhloufs Vermögen beschlagnahmt. Der Unternehmer habe Zollbestimmungen missachtet, hieß es damals.

Rami MakhloufBild: picture-alliance/AP

Im April dieses Jahres überfielen Milizen dann Makhloufs Unternehmen Syriatel, den größten Mobilfunkanbieter des Landes. Dabei wurden mehrere Führungskräfte verhaftet. Im Anschluss forderte der Staat Lizenzgebühren in Höhe von mindestens 170 Millionen US-Dollar. Die Aktion finde im Rahmen einer Antikorruptionskampagne statt, erklärte Assad.

"Die Sicherheitskräfte verhaften unsere Mitarbeiter auf unmenschliche Weise", klagte der seinerseits nicht für zimperliche Methode bekannte Makhlouf nun über Twitter. Anschließend wandte er sich direkt an seinen Cousin im Präsidentenpalast: "Präsident, die Sicherheitskräfte haben begonnen, die Freiheiten der Menschen anzugreifen. Dabei sind die deine treuen Unterstützer. Die Situation ist gefährlich und weiß Gott, wenn wir so weitermachen, wird die Situation des Landes sehr schwierig sein."

Asma Assad in neuer Rolle?

Die beiden gegen Makhlouf gerichteten Aktionen könnten eine neue Phase der syrischen Wirtschaftspolitik einleiten, in der Asssads Ehefrau Asma eine führende Rolle spielt. Die Zeitung Al-Sharq al-Awsat berichtet, am vergangenen Sonntag hätten syrische Staatsmedien eine Erklärung der Präsidentengattin ausgestrahlt, in der sie bekannt gab, dass sich fortan das Präsidialamt um die Kriegsverletzten wie auch die Reform der Wirtschaft kümmern werde. 

Präsidentengattin Asma al-Assad Bild: picture-alliance/Salampix

Dass Makhlouf sich öffentlich äußere, deute an, dass es in der syrischen Elite rund um den Präsidentenpalast zu Entfremdungserscheinungen gekommen ist, sagt Barnes-Dacey. Diese könnten Assad aber nichts anhaben. "Der Präsident hält auch innenpolitisch die Macht in der Hand. Gegen ihn ist im Land nichts möglich. Auch die Elite kann gegen seinen Willen wenig tun."

Chronische Finanzknappheit

Dennoch steht die Regierung vor massiven finanziellen Problemen. Außer Russland und dem Iran sowie die Teheran verbundene Hisbollah hat sie keine nennenswerten Verbündeten. Die westlichen Staaten sind zurückhaltend gegenüber jeder Politik, die dazu beitragen könnte, Assad an der Macht zu halten. Mit ihm, so die in meisten europäischen Hauptstädten gängige Auffassung, wird sich das Land nicht dauerhaft befrieden lassen. Hinzu kommen nun die globalen Belastungen durch die Corona-Pandemie. Syrien dürfte weiter an chronischer Finanzknappheit leiden.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika