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Syrien: Leben auf den Trümmern des eigenen Hauses

Sonia Al-Ali Syrien
24. Mai 2025

Nach Jahren in Flüchtlingslagern kehren viele Syrer in ihre früheren Heimatorte zurück. Doch die sind vielfach zerstört. Aufgeben wollen die Rückkehrer trotzdem nicht, wie Sonia Al-Ali aus der Region Idlib berichtet.

Zwei Kinder sitzen auf Trümmerhaufen vor Resten eines Hauses (in Maar Dibsa, südlich von Idlib)
Kinder auf den Trümmern ihres Elternhauses, südlich von IdlibBild: Sonia Al-Ali/DW

Sie lebten unter furchtbaren Umständen: Tausende Familien fristeten ihr Dasein in Flüchtlingslagern im Norden Syriens, nahe der syrisch-türkischen Grenze. Sie schliefen unter zerfetzten Zelten, die weder vor der Hitze des Sommers noch der Kälte des Winters ausreichend Schutz boten.

So war die Befreiung Syriens vom Regime Baschar al-Assads für sie ein ermutigendes Zeichen: Sie hofften, aus den bis vor kurzem noch sogenannten "Rebellengebieten" in ihre Dörfer und Häuser zurückkehren zu können. Doch die Häuser in der alten Heimat sind heute meist ebenso zerstört wie die Infrastruktur.

Überall Zerstörung: Mit ihren Familien zurückgekehrte Flüchtlingskinder nahe IdlibBild: Sonia Al-Ali/DW

Damit sehen sich die Rückkehrer zahlreichen Herausforderungen gegenüber. Da nach Jahren der Flucht meist auch ihre finanziellen Mittel verbraucht sind, haben sie auch mit ökonomischen Problemen zu kämpfen.

"Alles hier ist verwüstet"

"Wir haben zwar unsere Häuser verloren, aber nicht unseren Lebenswillen und unsere Überlebensfähigkeit", sagt die 36-jährige Nadima al-Barakat im Gespräch mit der DW. Sie ist in ihr Dorf im Süden Syriens zurückgekehrt. Dort lebt sie nun in einem Zelt auf den Trümmern ihres zerstörten Hauses.

Als sie den Blick über den Ort schweifen lässt, kann sie ihre Tränen nicht zurückhalten. "Alles hier ist verwüstet. Unser Besitz ist zerstört, unsere Häuser und ebenso unsere Erinnerungen." Und weiter: "Nach unserer Rückkehr mussten wir feststellen, dass das Haus dem Erdboden gleichgemacht war. Wir haben kein Geld, es neu aufzubauen, mein Mann kam vor vier Jahren bei einem Luftangriff ums Leben." Der Wiederaufbau koste rund 5000 Dollar, sagt sie. "Die habe ich nicht."

Einige der Häuser und Geschäfte des Viertels, in dem al-Barakat lebt, wurden durch Feuer zerstört, andere in Trümmerhaufen verwandelt und von Milizen des Assad-Regimes geplündert. Zudem fehlen grundlegende Dienstleistungen. Bevor die Bewohner in ein normales Leben zurückkehren können, müsste vieles wieder aufgebaut werden, sagt al-Barakat. So etwa das Strom- und Wassernetz, Schulen und Bäckereien.

Notdürftig renoviertes Haus in der Ortschaft Maar Dibsa, südlich von Idlib Bild: Sonia Al-Ali/DW

Derzeit aber fehle es an allem. Es gebe weder sanitäre Einrichtungen noch eine stabile Stromversorgung oder angemessene medizinische Versorgung. Auch gebe es im Zelt keine Privatsphäre. Ein weiteres Problem sei die Brandgefahr.

Wiederaufbau Stein um Stein 

Raed Al-Hassan ist müde. Seit geraumer Zeit ist der 39-Jährige damit beschäftigt, sein zerstörtes Haus Stein um Stein wieder aufzubauen. Er sei mit seiner sechsköpfigen Familie aus dem Lager Harbanusch nahe der Grenze zur Türkei in seine Heimatstadt Maar Dibsa südlich von Idlib zurückgekehrt, berichtet er der DW. Mit einfachen Mitteln sammelt er den Schutt seines zerstörten Hauses ein und setzt die Steine der zerstörten Wände neu zusammen. Auch die Eisenstangen aus der eingestürzten Decke verwendet er noch einmal. Zwar seien die Materialien nicht optimal, räumt er ein "Aber wir haben keine Wahl." Es werde lange dauern, bis der Wiederaufbau abgeschlossen sei, klagt er. "Wir brauchen schnelle Lösungen."

Zerstörte Krankenhäuser und Schulen

Zurückgekehrt ist auch Mohammed al-Raslan. Die hohen Preise für Baumaterialien hindern ihn bisher aber daran, sein Haus zu renovieren, sagt der 45-Jährige. Darum habe er es nur auf notdürftige Weise wieder instandgesetzt, so dass die Familie zumindest ein Dach über dem Kopf habe. "Als ich mit meiner Frau und meinen vier Kindern nach Kafr Nabuda (nahe der Stadt Hama, Anm. Red.) zurückkam, musste ich feststellen, dass von meinem Haus nur baufällige Mauern ohne Dach übriggeblieben waren." Zunächst habe er das Haus mit einer Nylonplane abgedeckt und die Fenster und Öffnungen mit Zementsteinstücken verschlossen. "Wir Syrer sind es gewohnt, uns an die schwierigsten Bedingungen anzupassen", sagt er im Gespräch mit der DW. Trotz des baufälligen Zustands sei das Haus immer noch besser als das Leben in Lagern. "Dort mangelt es an Hygiene, Krankheiten sind weit verbreitet."

Die Bewohner hätten bei der Rückkehr mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen, sagt al-Raslan. So etwa mit hohen Preisen für Wasser und dem Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, vor allem im Gesundheitssektor. Alle Krankenhäuser und medizinischen Einrichtungen seien durch Bombenangriffe zerstört oder geplündert worden. Besonders schlimm sei, dass auch die Schulen in Schutt und Asche lägen und keine Schüler mehr aufnehmen könnten, sagt er. 

Mit eigenen Händen: Schwieriger Wiederaufbau nahe der Stadt SarakibBild: Sonia Al-Ali/DW

"Die meisten Dörfer und Städte südlich von Idlib sind zerstört und müssen wiederaufgebaut werden", sagt Bilal Makhzoum, ein Sprecher der Stadt Maarat al-Numan im Nordwesten Syriens. Dennoch seien 15 bis 20 Prozent der ehemaligen Bewohner in ihre Häuser zurückgekehrt. Wenn sich die grundlegenden Dienstleistungen bald wieder verbesserten, werde das auch weitere Vertriebene ermutigen, zurück in ihre Heimatstadt zu kehren, meint Makhzoum.

"Alleine schaffen wir das nicht"

Man sei gerade dabei, die Zahl der zurückgekehrten Einwohner zu ermitteln, so der Stadt-Sprecher. Außerdem habe man kleine Hilfspakete und kostenloses Brot an die Rückkehrer verteilt. Zudem werde man mit Hilfe einer Stiftung mehr als 200 beschädigte Häuser wiederherstellen, so Makhzoum. Am dringlichsten sei, komplett zerstörte Wohngebäude neu aufzubauen und staatliche Einrichtungen wieder funktionsfähig zu machen. Bald werde man Straßen pflastern, die Straßenbeleuchtungen reparieren und die Gehwege wieder in Ordnung bringen, verspricht er. 

Derzeit hätten zwar viele Familien Zelte auf den Trümmern ihrer Häuser aufgebaut. Dies könne jedoch keine Lösung auf Dauer sein. "Wir hoffen, dass sich möglichst viele Organisationen am Wiederaufbau beteiligen. Alleine schaffen wir das nicht."

Aus dem Arabischen adaptiert von Kersten Knipp

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