Zahllose Kulturgüter wurden im syrischen Bürgerkrieg zerstört. Das "Syrian Heritage Archive Project" in Berlin hilft, die Erinnerung daran zu erhalten. Erstmals gibt eine Ausstellung nun Einblick in diese Arbeit.
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Das Land, das Syrien einst war
02:48
Strahlend blau ist der Himmel auf dem Foto, das Issam Hajjar 2011 von der berühmten Umaiyyaden-Moschee in Aleppo gemacht hat. "Es war ein klarer Januartag und ich war in der Altstadt unterwegs, um Bilder aufzunehmen", erinnert sich der syrische Fotograf noch heute genau. Das Bild zeigt den Innenhof der Moschee, belebt von Menschen, im Hintergrund das imposante Minarett des Gebetshauses, das zum Weltkulturerbe zählt.
Issam Hajjar hat zahllose solcher Bilder gemacht, von Bauwerken und archäologischen Stätten, aber auch vom einfachen Leben in der Provinz. Bilder, die heute von großem Wert sind. Denn sie helfen dabei, die Erinnerung an ein Land zu bewahren, das es so nicht mehr gibt. Mancherorts stehen nur noch ausgebombte Ruinen. Kulturstätten sind schwer beschädigt oder völlig zerstört - wie auch das Minarett der Umayyaden-Moschee, das im April 2013 nach schweren Kämpfen in der Stadt einstürzte.
Ein riesiges digitales Archiv
Der Fotograf, der heute in Berlin lebt, hat einen Teil seiner Bildersammlung deshalb an das "Syrian Heritage Archive Project" übergeben, ein Gemeinschaftsprojekt des Museums für Islamische Kunst und des Deutschen Archäologischen Instituts. Seit 2013 sammeln deutsche und syrische Wissenschaftler Bilder, Filme und Berichte über die Kultur- und Naturschätze Syriens, digitalisieren sie und erstellen daraus ein Archiv. Ob alte Fotos oder archäologische Forschung: Alles wird erfasst und systematisch sortiert.
"Wir haben hier über die letzten sechs Jahre ein unglaubliches Datenvolumen angesammelt", sagt Professor Stefan Weber vom Museum für Islamische Kunst in Berlin, der das Projekt vor sechs Jahren initiiert hat. Rund 340.000 Dokumente sind mittlerweile zusammengekommen - das umfassendste Archiv über Syrien außerhalb des Landes. "Das ist ein einmaliger Schatz."
Eintauchen in Syriens Kulturgeschichte
Eine Auswahl aus diesem Schatz zeigt nun die Ausstellung "Kulturlandschaft Syrien - Bewahren und Archivieren in Zeiten des Krieges" im Berliner Pergamonmuseum. Der Besucher kann dabei umherwandern zwischen fünf verschiedenen Stationen mit Bildern und Filmen, je eine für die Altstädte von Damaskus und Aleppo, für Palmyra und Raqqa sowie für die sogenannten Toten Städte – dörfliche Siedlungen aus spätrömischer und frühbyzantinischer Zeit.
Bewegend sind vor allem Fotografie-Paare, die zeigen, wie ein Ort vor dem Bürgerkrieg aussah - und was dieser daraus gemacht hat. Eine uralte Basarstraße in Aleppo etwa, hier erfüllt von lebendigem Treiben, dort nur noch ein Haufen Schutt. Die Betonung der Schau liegt aber nicht auf dem Verlust. Vielmehr wird daran erinnert, was Syrien weiterhin besitzt - ein jahrtausendealtes Kulturerbe von überragender Bedeutung.
Vorlage für den Wiederaufbau
"Es geht auch darum, den Syrern das selber klar zu machen", sagt Karin Pütt, die das "Syrian Heritage Archive Project" koordiniert. Ein Land, das mehr war und ist als der vernichtende Bürgerkrieg und an die vergangenen Zeiten hoffentlich irgendwann wieder anknüpfen kann. Denn auch das ist ein Ziel des Projekts: Anhaltspunkte für einen Wiederaufbau zerstörter Substanz nach dem Ende des Krieges zu liefern.
Seit 2015 wirkt auch Fotograf Issam Hajjar am Syrian Heritage Archive Projekt mit. Eine Tätigkeit, die nicht immer einfach ist, denn mit vielen Bildern aus seinem Heimatland verbindet sich, wie er sagt, "ein ganzes Paket an Erinnerungen". Trotzdem ist ihm die Arbeit an dem digitalen Archiv in Berlin ein Herzensanliegen: "Zu zeigen, welche Vielfalt Syrien besitzt, ist für mich eine Lebensmission."
Angriff aufs Kulturerbe - Die Zerstörungswut des IS
Palmyra war einst eine blühende Oasenstadt. Nach dem Wüten von IS-Terroristen, ist nur eine Trümmerwüste geblieben. Der Wiederaufbau wird schwierig. Weltweit haben viele Weltkulturstätten das gleiche Schicksal erlebt.
Bild: picture-alliance/dpa/V. Sharifulin
Früher und Heute
Von der antiken Oasenstadt Palmyra, die durchzogen war von prächtigen Tempeln, Säulenalleen und Thermen ist nicht viel übrig geblieben. 2015 machte die IS-Terrormiliz diesen kostbaren Baal-Tempel dem Erdboden gleich. Der libanesische Fotograf Joseph Eid, dessen Bilder derzeit im Kestner-Museum ausgestellt sind, hält sein Foto von 2014 vor die Ruinen. Die UNESCO konnte die Stadt nicht schützen.
Bild: Getty Images/AFP/J. Eid
Ein Trümmerfeld
Auch andere Stadtteile der eigentlich geschützten UNESCO-Kulturerbestätte in Palmyra sind der Zerstörungswut der marodierenden IS-Milizen zum Opfer gefallen. Diese Aufnahmen sind im März 2016 gemacht worden. An Wiederaufbau ist erstmal nicht zu denken.
Bild: picture-alliance/dpa/V. Sharifulin
Patrouillen durch Palmyra
Inzwischen haben syrische Regierungs-Truppen die Stadt Palmyra wieder zurückerobert. Seit März 2017 fahren täglich militärische Patrouillen durch die Ruinen - zum Schutz vor weiteren Angriffen der IS-Terrormilizen, die zum zweiten Mal mit Hilfe russischer Luftangriffe zurückgeschlagen werden konnten. Das Bild zeigt die Reste des antiken Triumphbogens, der weitgehend zerstört ist.
Bild: REUTERS/O. Sanadiki
Mar Elian in Syrien
Die antike Klosteranlage Mar Elian, die von Christen südöstlich der Stadt Homs gebaut worden ist, war ebenfalls ein prächtiges Bauwerk, das unter dem Schutz der UNESCO-Welterbe-Verordnung stand. Trotzdem blieb auch dieses Kulturgut von den IS-Milizen nicht verschont.
Bild: picture-alliance/dpa/Islamischer Staat
Zerstörung und Propaganda
Die Echtheit diese Szene konnte nicht eindeutig bestätigt werden. Das Bild ist ein Screenshot eines Propagandavideos der Terrormiliz "Islamischer Staat", das angeblich zeigt, wie IS-Kämpfer mit Bulldozern die Mauern der Klosteranlage von Mar Elian einreißen. Inzwischen wurde die Stadt al-Qaryatain von der syrischen Armee zurückerobert und das Kloster soll wieder aufgebaut werden.
Bild: picture-alliance/dpa
Al-Hadra im Irak
Anfang 2015 zerstörten IS-Milizen auch Teile der antiken Stadt Al-Hadra - ehemals Hauptstadt des ersten arabischen Königreiches - die hier vor dem Angriff zu sehen ist. Jahrtausende alte Statuen aus assyrischer Zeit in der nordirakischen Stadt Mossul und an der Grabungsstätte Ninive wurden ebenfalls eingerissen. Die historische Stadt Nimrud sollen die Dschihadisten mit Bulldozern überfahren haben.
Bild: picture-alliance/N. Tondini/Robert Harding
Bamiyan-Tal: Zerstörung durch die Taliban
2001 zertrümmerten die afghanischen Taliban die Buddhastatuen von Bamiyan, die im 6. Jahrhundert aus dem roten Sandstein gemeißelt wurden. Auch sie konnten nicht von der UNESCO oder der Weltgemeinschaft geschützt werden. Zurückblieben nur die leeren Höhlen. Inzwischen werden die über 50 Meter hohen Stauen mit Hilfe von 3D-Druckern rekonstruiert.
Bild: AP
Timbuktu in Mali
Diese Minarette aus Lehm, wie sie in Mali in dieser Bauweise häufig zu sehen sind, zerstörten die IS-Truppen 2012. Inzwischen sind die religiösen Gebäude nach historischem Vorbild wieder aufgebaut worden. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat die Zerstörung von Weltkulturerbe inzwischen bei einem Prozess gegen einen Islamisten unter Strafe gestellt.