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Angst vor Eskalation

Andreas Gorzewski9. Januar 2013

Der syrische Bürgerkrieg droht, auf die Nachbarstaaten überzugreifen. Die Türkei will sich mit Patriot-Raketen schützen. Auch der Zusammenbruch des syrischen Staatsgefüges bereitet Sorgen.

Türkische Soldaten patroullieren im November 2012 an der syrischen Grenze. (Foto: AFP)
Türkische Soldaten patroullieren an der syrischen GrenzeBild: BULENT KILIC/AFP/Getty Images

Deutsche und andere Patriot-Abwehrraketen sollen in einigen Wochen die Türkei vor möglichen Raketenangriffen aus Syrien schützen. Die Verlegung der Waffensysteme hat am Dienstag (08.01.2013) begonnen. Die Sorge vor einem Übergreifen des Bürgerkriegs treibt auch die anderen Nachbarn Syriens um. Israel kündigte an, die 1967 von Syrien eroberten Golan-Höhen mit einem Grenzzaun gegen das Einsickern von feindlichen Kämpfern abzusichern.

Der türkische Politikwissenschaftler Mehmet Akif Okur traut Syriens Präsident Baschar al-Assad zu, den Bürgerkrieg durch Angriffe bewusst über die Grenzen zu tragen. Davon könnte sich das hoch gerüstete Assad-Regime eine Zuspitzung der Situation erhoffen, in der es sich vielleicht noch länger an der Macht halten könnte. Doch auch ohne solche gezielten Angriffe ist die Lage für die fünf Anrainerstaaten bedrohlich. "Die Eskalation des Konflikts bedeutet eine echte Gefahr für alle Nachbarstaaten Syriens", sagt der Forscher vom Strategischen Institut Ankara. Er verweist im Gespräch mit der Deutschen Welle unter anderen auf den Libanon und den Irak. Viele irakische Sunniten seien mit Rebellen in Syrien eng verbunden oder verwandt. Der Libanon wiederum sei mit seinem großen Nachbarn so verwachsen, dass jede Entwicklung in Syrien den kleinen Levante-Staat unmittelbar betreffe.

In Tripolis lieferten sich Anhänger und Gegner des syrischen Regimes mehrfach FeuergefechteBild: Reuters

Syrien mischt sich im Libanon ein

Damaskus beeinflusst die Politik im Zedernstaat Libanon. Die Regierungskoalition in Beirut ist in weiten Teilen pro-syrisch. Dagegen wollen verschiedene politische Gruppen den Einfluss Syriens zurückdrängen. In der Hafenstadt Tripolis beschossen sich pro- und anti-syrische Kräfte schon mehrfach.

Auch die Türkei ist schon lange vom Bürgerkrieg betroffen. Mehr als 150.000 syrische Flüchtlinge sind in die Türkei geflohen. Mehrmals schlugen Granaten von syrischer Seite jenseits der Grenze ein. Im Grenzdorf Akcakale starben im Oktober fünf Türken durch Granatbeschuss. Mögliche Raketenangriffe aus dem südlichen Anrainerstaat sollen ab Februar 2013 die Patriot-Batterien abwehren. Die deutsche Regierung betont den defensiven Charakter der Bundeswehrmission. Von ihrem künftigen Standort bei Kahramanmaras können die Raketen das etwa hundert Kilometer entfernte Syrien sowieso nicht erreichen.

Patriot-Raketen als Schutz und Solidaritätssymbol

Okur ist sich allerdings nicht sicher, ob die Patriot-Raketen einen vollständigen Schutz gegen syrische Raketen bieten. "Aber sie sind als Symbol wichtig", betont der türkische Professor. Von den Patriot-Systemen gehen eine Botschaft der Solidarität aus. "Das zeigt, dass die NATO die Türkei vor Gefahren an ihren Grenzen schützt", sagt der Forscher.

Raketen in die Türkei verschifft

01:20

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Das türkische Parlament hatte der Regierung in Ankara kurz nach dem Angriff auf Akcakale erlaubt, im Ernstfall in Syrien einzumarschieren. Solch eine Intervention hält Okur derzeit für unwahrscheinlich. Auch Bitten von syrischen Rebellen nach einem Einmarsch wird die Türkei nach Einschätzung des Politologen nicht nachkommen. "Aber wenn Baschar al-Assad chemische Waffen gegen die Bevölkerungsmassen einsetzen würde, dann würde das alles ändern", glaubt Okur. Ein Chemiewaffen-Einsatz, vor dem westliche Regierungen mehrfach gewarnt haben, wäre dem Professor zufolge ein Horror-Szenario.

Jordaniens Wirtschaft hart getroffen

Schon jetzt leidet auch der Nachbar Jordanien unter dem Bürgerkrieg. Etwa 200.000 Flüchtlinge aus dem Norden haben dort Zuflucht gesucht. Außerdem sei die Wirtschaft hart getroffen, sagt der jordanische Politikwissenschaftler Hasan al-Momani. Alle wesentlichen Exporte Richtung Europa seien vor dem Bürgerkrieg über Syrien gelaufen.

Für den Forscher der University of Jordan wäre der schlimmste Fall eine erhebliche Zunahme der Kämpfe und ein völliger Zusammenbruch staatlicher Strukturen in Syrien. "Dann würden wir eine Eskalation der Gewalt haben, die massive Auswirkungen auf Jordanien hätte", sagte der Leiter des universitären Regionalzentrums für Konfliktprävention. Am Ende könnte Syrien zu einem zweiten Somalia mit unkalkulierbaren Folgen für die ganze Region werden.

Immer mehr syrische Flüchtlinge kommen nach JordanienBild: dapd

Im Vergleich zum Libanon gebe es im Königreich aber keine Kämpfe zwischen Anhängern und Gegnern des Assad-Regimes. "Dennoch haben wir einige Feuerwechsel und Übergriffe gehabt und einige jordanische Soldaten wurden verletzt."

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