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Politik

Syriens Wiederaufbau - mit deutschem Geld?

Diana Hodali
5. September 2018

Der Syrien-Krieg dauert noch an, das zeigen die Angriffe auf Idlib. Diktator Baschar al-Assad und seine Schutzmächte planen schon den Wiederaufbau. Russland fordert Geld aus Europa. Sollte Deutschland sich beteiligen?

Syrien Aleppo Zerstörung und Ruinen
Bild: Imago/Xinhua/A. Safarjalani

Tarek M. spricht, so oft es geht, mit seiner Familie in Aleppo. 2015 floh er über die Balkanroute nach Deutschland - damals war er 23 Jahre alt. M. floh alleine, seinen echten Namen will er nicht nennen. Denn M. ist vor dem Militärdienst geflohen - er wollte sich nicht an Kampfhandlungen des Assad-Regimes beteiligen, das den Westen der Stadt beherrschte, wo er mit seiner Familie lebte. In Ostaleppo hatten die Aufständischen vier Jahre den Angriffen des syrischen Regimes und seiner Unterstützer getrotzt. Doch dann schossen vor allem russische Kampfjets diese Festung sturmreif. Im Dezember 2016 konnte Syriens Regime die gesamte Stadt unter Kontrolle bringen.

Die Folgen der Schlacht sind bis heute sichtbar, das hört Tarek M., der jetzt in Ruhrgebiet lebt und arbeitet, auch von seiner Familie: Die Infrastruktur sei überlastet, die Wasser-und Stromversorgung desolat. Im Osten der Stadt sei es noch schlimmer, sagt er. Die Berichte seiner Eltern und die Fotos und Videos, die zirkulierten, zeichneten das Bild einer Trümmerlandschaft. "Von Wiederaufbau im Osten kann keine Rede sein", sagt Tarek M. "Und selbst wenn, wem würde das Geld dafür denn zugute kommen?", fragt er skeptisch.

Tarek M. kam 2015 über die Balkanroute nach DeutschlandBild: privat

Deutsche Politik ohne klaren Kurs

Heute kontrolliert Assad mit Hilfe seiner Schutzmächte Russland und Iran geschätzte zwei Drittel des Landes. "Noch ist der Krieg in Syrien nicht vorbei", sagt Tarek M. Die Schlacht des Regimes um die letzte Hochburg sämtlicher Aufständischer und Extremisten in Idlib wird erwartet. Fällt Idlib, geht Assad als Sieger hervor.

Viele Städte in Syrien liegen in Schutt und Asche. Deshalb ist der Wiederaufbau eine entscheidende Frage. Vor allem geht es darum, wer ihn finanziert. Denn weder das syrische Regime, noch der Iran oder Russland wollen die Kosten alleine tragen. Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, geht von rund 250 Milliarden US-Dollar aus, die benötigt werden, um Syriens Infrastruktur aufzubauen. Das syrische Regime beziffert die Summe sogar mit 400 Milliarden US-Dollar.

Auch weite Teile der syrischen Stadt Homs sind völlig zerstörtBild: picture-alliance/MAXPPP/Kyodo

Russland forderte bereits von Europa, finanzielle Wiederaufbauhilfe in Syrien zu leisten. Doch auch wenn Kanzlerin Angela Merkel vor ihrem Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Meseberg die gemeinsame Verantwortung Deutschlands und Russlands für eine Lösung der Syrien-Krise unterstrich: Im politischen Berlin tut man sich schwer, eine eindeutige Antwort auf die Frage einer möglichen deutschen Beteiligung am Wiederaufbau Syriens zu geben, schließt sie aber nicht aus. Erst im April 2018 - bei einer Syrien-Geberkonferenz in Brüssel - sprach Bundesaußenminister Heiko Maas davon, dass eine politische Lösung eine Voraussetzung für Wiederaufbauhilfe sei.

Auch Regierungssprecher Steffen Seibert verkündete, dass Deutschland innerhalb der Weltgemeinschaft einen Beitrag dazu leisten wolle, eine politische Lösung zu finden, um den Menschen in Syrien ein vernünftiges Leben zu ermöglichen. Wie eine Nachkriegsordnung aussehen könnte, das weiß allerdings noch niemand. Außenpolitiker Rolf Mützenich, SPD, sieht in diesem Zusammenhang die Vereinten Nationen in der Pflicht. "Eine Bedingung ist, dass es eine von den Vereinten Nationen legitimierte Friedenslösung geben muss", sagte er der Deutschen Welle: "Eine Lösung, die es allen Menschen, die nach Syrien zurückkehren wollen, auch ermöglicht, zurückkehren zu können."

Rolf Mützenich (SPD): Bedingungen für WiederaufbauhilfeBild: Imago/M. Popow

Assad will ein "homogenes" Syrien

Doch für wen Syrien in der Zukunft noch zugänglich sein soll, daran ließ Machthaber Assad bisher keinen Zweifel. Man habe zwar viele Männer und die Infrastruktur verloren, aber dadurch habe Syrien eine gesündere und homogenere Gesellschaft erhalten, sagte er 2017 bei einer Konferenz in Damaskus.

"Mein Eindruck ist, dass die syrische Führung die Gebiete, in denen die Aufständischen stark waren, ganz systematisch entvölkert hat", sagt Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Dafür spreche auch Dekret Nummer 10, das der syrischen Regierung die Konfiszierung von Eigentum von ins Ausland geflüchteten Syrern erlaubt, sollten diese nicht binnen eines Jahres ihre Ansprüche in Syrien geltend machen. Es könnte darauf hinauslaufen, dass gewisse Gebiete dann mit einer anderen Bevölkerungsgruppe im Interesse des Regimes und weniger im Interesse rückkehrender Flüchtlingen wieder aufgebaut werden. Sollten aber Flüchtlinge kommen, die aus oppositionellen Gebieten geflohen oder als Gegner Assads bekannt sind, "müssen sie damit rechnen, dass sie verhaftet, gefoltert und getötet werden", sagt Steinberg der DW.

Enge Verbündete: Der russische Präsident Wladimir Putin (lks.) mit seinem syrischen Amtskollegen Baschar al-AssadBild: picture-alliance/dpa/Sputnik/M. Klimentyev

Dabei verknüpft Wladimir Putin seinen Vorstoß zum gemeinsamen Wiederaufbau Syriens mit der Aussicht auf die Rückkehr von Flüchtlingen aus Europa. Er weiß, wie sehr das Thema Deutschland und auch die EU spaltet. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff kritisiert den Vorstoß Russlands scharf. Der Tageszeitung Die Welt sagte er, Russland sei mit seinem militärischen Engagement finanziell an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gegangen und könne deshalb beim Wiederaufbau keine große Rolle spielen: "Das darf aber nicht dazu führen, dass wir die von Russland kaputtgebombten Straßen wieder instand setzen, über die Assads Schergen dann zurückkehrende Flüchtlinge in die Folterkeller verschleppen."

Deutschland müsse konkrete Forderungen an Russland stellen. Doch Russland von der Notwendigkeit der UN-geführten politischen Lösung zu überzeugen, dürfte nach jetzigem Stand schwer werden.

Rückkehr der Flüchtlinge?

Guido Steinberg hält es dennoch für möglich, dass Deutschland sich früher oder später am Wiederaufbau Syriens beteiligen wird, "wenn es die Möglichkeit gibt oder auch nur die Aussicht, Flüchtlinge zurückzuschicken". Momentan könne davon aber keine Rede sein, sagt Rolf Mützenich. Zurzeit verbiete sich die Rückkehr, insbesondere in die Gebiete, wo Menschen vertrieben worden sind. Falls andere deutsche Politiker gar an Abschiebung nach Syrien denken sollten, warnt Pro Asyl-Sprecher Bernd Mesovic, so sei das schon aus praktischen Gründen nicht möglich: Fluchtgründe seien in den schriftlichen Verfahren während der Jahre 2014/2015 nicht ausreichend individualisiert erhoben worden, weil man die Verfahren beschleunigen wollte. Daher wisse man gar nicht in allen Fällen, vor welcher Kriegspartei die Menschen geflohen sind.

Keine Wiederaufbauhilfe aus Deutschland: SWP-Experte Guido SteinbergBild: DW/M. Aqil

Zunächst aber geht es um die Frage der Wiederaufbauhilfe. Außenpolitiker Mützenich sagt, man müsse darüber nachdenken, wie internationale Organisationen und Mitgliedsländer der Vereinten Nationen an einem Wiederaufbau mitwirken können und unter welchen Bedingungen. Etwa eine halbe Million Syrer sind durch die Bomben von Assad und seinen Unterstützern in den vergangenen sieben Jahre im Krieg getötet worden. Würde man sich bei einer finanziellen Unterstützung des Wiederaufbaus in Syrien nicht mit einem Despoten gemein machen? "Wenn ich alleine mit diesem Ansatz - der moralisch vollkommen berechtigt ist - in der praktischen Politik arbeiten muss, dann werde ich letztlich auch den Menschen nicht gerecht, die versuchen wollen, in ihrer Heimat zu leben", sagt Rolf Mützenich.

Den syrischen Bürgern in Syrien kann man ohnehin nicht gerecht werden - so zumindest sieht es Tarek M. "Das Geld käme doch eh nicht den normalen Bürgern zugute, die es brauchen, sondern nur Assads Freunden", sagt er. Die Bundesregierung würde schon so viel für Syrer in Deutschland tun. Der 26-Jährige könnte nach seiner Flucht vor dem Militärdienst selbst in ein aufgebautes Syrien nicht zurückkehren: Sobald er einen Fuß auf syrisches Gebiet setzt, droht ihm eine Gefängnisstrafe.

Nahost-Experte Guido Steinberg hält eine deutsche Beteiligung am Wiederaufbau Syriens - egal unter welchen Umständen - für falsch. Weder Damaskus, noch Teheran, noch Moskau würden Deutschland anschließend jemals wieder als außen- oder sicherheitspolitischen Akteur ernst nehmen, sagt er. Iran und Russland wollten das Assad-Regime stabilisieren und neues Prestige gewinnen: "Und wir würden damit die Kriegsziele von Verbrechern befördern."

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