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Vielen bleibt nur die Flucht

Klaus Dahmann28. Dezember 2013

Christen in Syrien konnten lange ein relativ friedliches Leben führen. Im Bürgerkrieg sind aramäische Gemeinden ins Visier radikal-islamischer Gruppen geraten, die gegen das Assad-Regime kämpfen. Experten schlagen Alarm.

Das aramäische Kloster der Heiligen Thekla in Maalula nördlich der syrischen Hauptstadt Damaskus - Foto: Nasrin Arnold (privat)
Bild: Nasrin Arnold

Hoch auf einem Felsen blickt eine blau gewandete Marienfigur, die sogenannte Schutzmantelmadonna, hinab in das Dorf Maalula, das sich im Tal wie in einer felsigen Nussschale ausbreitet. Ein friedvolles Zentrum des syrischen Christentums, in das jedes Jahr tausende Touristen pilgern, um am Kreuzfest teilzunehmen, zu dem große Feuer auf den Felsen entzündet und prachtvolle Umzüge veranstaltet werden - das war Maalula bis Anfang September dieses Jahres. Der Schutz der "Himmelskönigin" hat ebenso wenig ausrichten können wie die syrische Armee, als islamistische Kämpfer mitten in der Nacht das Dorf stürmten und die Einwohner vertrieben. Seitdem liefern sich Rebellen und Regierungstruppen dort heftige Kämpfe.

Islamisten auf dem Vormarsch

"Wenn diese Auseinandersetzungen vorbei sind, dann wird wahrscheinlich nichts mehr von diesem Ort übrig geblieben sein", sagt Werner Arnold im Interview mit der Deutschen Welle. Der Heidelberger Semitist forscht seit fast 30 Jahren zu Maalula und der westaramäischen Sprache - der Sprache, die Jesus einst gesprochen hat - und die sich nur dort erhalten hat. Nun sind die rund 3000 Einwohner geflohen, viele haben in Damaskus bei Verwandten oder in Klöstern Zuflucht gefunden. "Dort sind sie bis heute und können nicht zurück", weiß Arnold aus Telefongesprächen mit aramäischen Flüchtlingen.

Werner Arnold erforscht seit 30 Jahren das in Maalula erhaltene AramäischBild: privat

In der Vergangenheit galt die Lage der Christen in Syrien im Vergleich mit anderen Ländern im Nahen Osten als gut. Das Regime in Damaskus erlaubte ihnen Kirchen zu bauen, sie bekamen eine eigene Einrichtung zur Förderung der aramäischen Sprache. Mit Ausbruch der Rebellion gegen Assad traten allerdings bewaffnete Gruppierungen auf den Plan, die einen islamischen Gottesstaat errichten wollen und andere religiöse Gemeinschaften bekämpfen.

Zum Kreuzfest pilgerten jedes Jahr tausende Gläubige nach MaalulaBild: picture alliance/AP Photo

Menschenraub und Hinrichtungen

Seitdem sind erpresserischer Menschenraub und brutale Hinrichtungen christlicher Geistlicher in Syrien "an der Tagesordnung", beklagt Daniyel Demir vom Bundesverband der Aramäer in Deutschland im DW-Interview. So wurden Ende April 2013 zwei hochrangige Bischöfe entführt - ihr Schicksal ist bis zum heutigen Tag ungewiss. Anfang Dezember wurden mehrere Nonnen, die im Kloster Mar Tikla ausgeharrt hatten, ebenfalls verschleppt.

Radikal-islamische Gruppen riefen öffentlich zum Mord an religiösen Minderheiten auf, berichtet Demir. "Man kann hier wirklich von einer ethnischen Säuberung sprechen. Das hat mit einer demokratischen Oppositionsbewegung nichts mehr zu tun, denn den Christen und den übrigen Minderheiten wird hier schlicht das Existenzrecht abgesprochen."

Für Christen ein "Arabischer Winter"

Die alarmierenden Nachrichten aus Syrien spiegeln sich auch im Weltverfolgungsindex des überkonfessionellen christlichen Hilfswerks "Open Doors" wider: Innerhalb der vergangenen zwei Jahre ist das Land vom 36. auf den 3. Rang vorgerückt. Betrachtet man die Fälle physischer Gewalt gegen Christen, liegt Syrien sogar an zweiter Stelle.

Für den Angriff auf Maalula werden Kämpfer der radikal-islamischen Al-Nusra-Front verantwortlich gemachtBild: picture-alliance/AP

Insgesamt sieht "Open Doors" die Umwälzungen in den arabischen Ländern mit großer Sorge: "Der Arabische Frühling hat sich für viele Christen definitiv in einen Arabischen Winter verwandelt", warnt die Organisation in ihrer jüngsten Studie. Hier seien überall islamistische Gruppierungen auf dem Vormarsch. Außer in Syrien hat sich vor allem die Lage der Christen in Libyen und Tunesien dramatisch verschlechtert. Massive Repressionen gibt es außerdem in Saudi-Arabien (Rang 2) sowie in den schwelenden Krisenherden Afghanistan (Rang 3), Irak (Rang 3) und Somalia (Rang 5).

Kaum Hoffnung

Für die Christen in den arabischen Ländern und speziell in Syrien sieht Maalula-Forscher Arnold wenig Hoffnung. Mit der Hilfe westlicher Staaten, sagt er, rechneten sie schon lange nicht mehr. "Das Interesse am orientalischen Christentum war schon immer gering, und es ist auch jetzt nicht besonders groß. Das ist eigentlich sehr bedauerlich für das Abendland, das sich christlich nennt."

Viele Christen aus Maalula haben in Damaskus Zuflucht gefundenBild: AFP/Getty Images

Für die syrischen Christen hofft Arnold einzig und allein darauf, "dass diese ganze Rebellion irgendwann zusammenbricht." Im Augenblick sehe es jedoch nicht danach aus.

Arnold ist sicher: "Wenn die Entwicklung weitergeht, dass Syrien insgesamt ein islamistischer Staat wird, dann werden wahrscheinlich alle Christen Syrien verlassen, nicht nur die aramäischen Christen aus Maalula."

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