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Politik

Freiwillige Umsiedlung nach Nordsyrien?

Seda Serdar kk
3. November 2019

Die Türkei will in Syrien ein sicheres Rückkehrgebiet für syrische Flüchtlinge schaffen. Diese sollten ausschließlich auf "freiwilliger" Basis dorthin zurückkehren. Doch wie realistisch ist das Vorhaben?

Türkei Grenze - Syrische Flüchtlinge
Derzeit leben rund 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge in der TürkeiBild: Getty Images/AFP/B. Kilic

"Freiwillig, sicher und in Würde": Das seien die Voraussetzungen, die für eine Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in den von der Türkei besetzten Nordteil des Landes gegeben sein müssten. So umriss UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Freitag in einem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Erwartungen der Vereinten Nationen. Nach dem Treffen erklärte Guterres, das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) werde ein Expertenteam mit der Prüfung der Pläne beauftragen und weitere Verhandlungen mit den türkischen Behörden führen.

UN-Generalsekretär Guterres und der türkische Präsident ErdoganBild: picture-alliance/AP/Turkish Presidency

Wiederholt hatte Erdogan versichert, bis zu zwei Millionen der derzeit rund 3,6 Millionen in der Türkei lebenden syrischen Flüchtlinge in die eroberten Gebiete in Nordsyrien umsiedeln zu wollen. Dabei handelt es sich um ein Gebiet von 120 Kilometern Länge und etwa 30 Kilometern Breite. Die Rückkehr erfolge auf "freiwilliger" Basis. Vorbild für die nun geplanten Rückführungen sind jene, die nach dem Abschluss der Militäraktion "Euphrates Shield" durchgeführt wurden. Damals kehrten nach Angaben des türkischen Innenministeriums fast 330.000 syrische Flüchtlinge nach Afrin zurück. Dort war die Türkei zuvor gegen kurdische Milizen vorgegangen.

Kampfbereit: die kurdische YPG-Milizen im nordysrischen AmudaBild: picture-alliance/dpa/B. Ahmad

Doch kehren die Flüchtlinge tatsächlich freiwillig zurück? Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezweifelt das. Einem Bericht der Organisation zufolge erklärten syrische Flüchtlinge, sie seien von türkischen Polizisten unter Androhung körperlicher Gewalt dazu gezwungen worden, Anträge zu unterzeichnen, in denen sie darum gebeten hätten, nach Syrien zurückzukehren. Aus freien Stücken hätten sie aber nicht gehen wollen. Die Türkei bestreitet die Vorwürfe.

EU pocht auf strikte Freiwilligkeit

Grundsätzlich sei es durchaus denkbar, Syrern die Perspektive zur Rückkehr anzubieten, sagt Andreas Nick (CDU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Allerdings dürften sie dazu auf keinen Fall gezwungen werden. Die Rückführung müsse auf Grundlage internationalen Rechts erfolgen. Europa und Deutschland würden keine Maßnahmen unterstützen, die auf Zwang beruhten.

Doch scheint es vielen Syrern schwerzufallen, sich in der alten Heimat eine neue Existenz aufzubauen. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass viele Flüchtlinge aus Syrien illegal in die Türkei zurückkehren, sagt der Syrienexperte Oytun Orhan vom Forschungszentrum ORSAM in Ankara im DW-Gespräch.  So sei es auch im Fall der Umsiedelung nach Afrin gewesen. "Nach der Rückkehr waren die Syrer enttäuscht. So kehrten sie um und leben jetzt als nicht registrierte Flüchtlinge erneut in der Türkei."

Geringe Zahl von Rückkehrern erwartet

Sollte die Rückkehr tatsächlich auf freiwilliger Basis erfolgen, dann dürfte die Zahl der Rückkehrer kaum in die Millionen gehen, erwartet Orhan. "Zudem kommen von den rund 3,6 Millionen Syrern nur zehn bis 15 Prozent aus dem Gebiet östlich des Euphrats. Man kann also davon ausgehen, dass nur 400.000 bis 500.000 zurückkehren."

Nach Ansicht des türkischen Oppositionspolitikers Ümit Ozdag von der nationalistischen "Iyi-Parti" herrscht "Unklarheit" über die in der Türkei geltenden Regelungen zur freiwilligen Rückkehr. Die 2014 verabschiedete Verordnung zum zeitlich begrenzten Schutz formuliere die Voraussetzung eindeutig: "Wenn der Krieg endet, müssen die Syrer nach Hause zurückkehren. Der Begriff 'freiwillig' trifft die Bedingungen nicht." 

Gewalt und Unsicherheit: Die syrische Stadt Tel Abyad nach der Explosion einer Autobombe am 2. November 2019Bild: Getty Images/AFP/B. Alkasem

Der Blick nach Europa

Nachdem die ersten syrischen Flüchtlinge im Jahr 2012 in die Türkei kamen, ging die zunächst hohe Akzeptanz Schritt für Schritt zurück. Nun will Präsident Erdogan die Wähler zurückgewinnen, indem er die Zahl der in der Türkei lebenden Flüchtlinge zu verringern versucht. Auch aus diesem Grund droht er der Europäischen Union mit Blick auf das 2016 unterzeichnete Abkommen über die Neuansiedlung von Flüchtlingen. So hat er wiederholt angekündigt, er werde den Flüchtlingen die Türen nach Europa öffnen. Das hat in den EU-Staaten zur Sorge vor einer neuen Fluchtbewegung geführt.

Aus diesem Grund sei der Ansatz der EU mindestens fragwürdig, sagt Sevim Dağdelen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei "Die Linke" im Deutschen Bundestag. Anstatt Milliarden in die Türkei zum Schutz gegen Flüchtlinge zu investieren, sollte das Geld besser in den Wiederaufbau Syriens fließen.

"Internationale Sicherheitszone" noch auf dem Tisch

Die deutsche Bundesregierung setzt weiterhin auf eine politische Lösung der Krise. Zwar hat der Vorschlag von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer für eine internationale Sicherheitszone im In- und Ausland keine Zustimmung gefunden. Doch scheint die CDU die Möglichkeit eines internationalen Engagements in Nordsyrien weiterhin zu prüfen.

Das Thema werde weiterhin Teil der regelmäßigen Konsultationen der NATO-Länder bis zum Gipfel des Bündnisses in London Ende des Jahres sein, erwartet Andreas Nick. Hinsichtlich des in Sotschi getroffenen Abkommens zwischen Russland und der Türkei zur Stabilität in Nordsyrien ist der Parlamentarier skeptisch. Man müsse sorgfältig beobachten, ob die Vereinbarung wirklich eine stabile Situation für die Region darstelle, auf deren Grundlage dann zivile Initiativen und der Wiederaufbau beginnen könnten. "Ich bin skeptisch, dass dies der Fall sein wird."

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