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Jetzt willkommen: Syrer in den USA

Michael Knigge / ml 10. April 2016

Die ersten Flüchtlinge aus Syrien treffen im Rahmen eines neu aufgelegten Programms zur Umsiedlung in den USA ein. Eine vorbildliche Kooperation mit Washington, lobt die Flüchtlingsagentur der Vereinten Nationen, UNHCR.

Syrische Flüchtlinge in Jordanien
Bild: Reuters

Während Europa in der Flüchtlingskrise regelrecht auseinanderzubrechen droht, haben sich die Vereinigten Staaten bei der Aufnahme von Migranten zunächst sehr zurückgehalten. Die Angst vor Anschlägen und eine vergiftete innenpolitische Debatte in Vorwahlzeiten sprachen gegen die Aufnahme einer größeren Zahl von Flüchtlingen.

Präsident Barack Obama stieß im September vergangenen Jahres auf vehementen politischen Widerstand bei den Republikanern, aber auch innerhalb des Regierungsapparates, als er seinen Plan bekanntgab: Bis Ende September 2016 solle die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien, die in den USA Zuflucht finden, um mindestens 10.000 steigen.

Am Donnerstag sind nun die ersten Syrer im Rahmen des neuaufgelegten Programms zur schnelleren Umsiedlung in den USA eingetroffen - sieben Monate nach dem Versprechen des Präsidenten.

Die al-Abbouds zum Beispiel haben in den vergangenen drei Jahren in Jordanien gelebt. Die siebenköpfige Familie ist nun in Kansas City eingetroffen. In den Flüchtlingslagern Jordaniens haben die US-Behörden spezielle Anlaufstellen geschaffen, um den Umsiedlungsprozess rasch in Gang zu bringen. Vor seiner Abreise aus Jordanien sagte Ahmad al-Abboud der Nachrichtenagentur Associated Press, er sei bereit zur "Integration in den USA " und wolle "hier ein neues Leben beginnen".

Die bedrohten Fälle

Ahmad al-Abboud stammt aus Homs in Syrien. Er und seine Familie waren in Jordanien vor allem auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Myriam Baele, die Leiterin des Umsiedlungsprogramms der Vereinten Nationen in Jordanien, beschreibt die al-Abbouds als ziemlich typische Familie für das Programm. Die Vorauswahl hat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nation, UNHCR, getroffen.

In diesem Lager in Jordanien hat die Familie al-Abboud bis zu ihrer Umsiedlung in die USA gelebtBild: Getty Images/AFP/M. Ngan

"Wir suchen uns die bedrohten Fälle aus", sagt Baele im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die meisten betroffenen Menschen seien wie die al-Abbouds auf finanzielle Unterstützung angewiesen, da sie nicht über eigene Mittel verfügten. Andere sind in gesundheitlich schlechtem Zustand oder haben in ihrer vom Bürgerkrieg erschütterten Heimat Folter oder Gewalt erlebt.

Bisher haben Myriam Baele und ihr Team etwa 13.000 Syrer für das Programm vorgeschlagen. Vorausgegangen ist in jedem Fall eine Sicherheitsüberprüfung und ein Check, ob die Menschen den Status als Flüchtling nach Definition der Vereinten Nationen erfüllen. Diese Informationen werden dann an die US-Behörden weitergegeben. Dazu zählen nicht nur der Lebenslauf und biometrische Daten, sondern auch alle Informationen, die mit der Flucht der "Kandidaten" zusammenhängen.

"Es gibt eine umfassende Reihe an Maßnahmen und Kontrollmöglichkeiten, um sicherzustellen, dass es sich bei den Migranten um Flüchtlinge handelt und ganz bestimmt nicht um Kriminelle. Maßnahmen sowohl von Seiten des UNHCR und von Seiten der Vereinigten Staaten", sagt Baele. Alles in allem sei die Kooperation mit den US-Behörden in diesem beschleunigten Programm "ausgezeichnet", betont Myriam Baele.

Sie glaubt, dass die Vereinigten Staaten den Zeitplan halten können und das ehrgeizige Ziel von zusäätzlich mindestens 10.000 Flüchtlingen aus Syrien bis Ende September erreichen können.

Schwierige Zeit

Susan Fratzke ist sich da nicht so sicher. Sie ist Expertin für Flüchtlingsfragen und arbeitet für das Migration Policy Institut, MPI, mit Sitz in Washington. Sie sagt: "Alles, was wir tun können, um den Prozess anzukurbeln ist gut."

Der Hintergrund: Der republikanische Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur, Donald Trump, und auch andere Politiker lassen keinen Tag verstreichen, ohne die Stimmung im Land gegen Muslime und Einwanderer anzustacheln. Das ist definitiv keine Atmosphäre, in der die Aufnahme von tausenden syrischer Flüchtlinge nur Monate von der Präsidentenwahl einfach wäre.

"Es sind schwierige Zeiten für das Umsiedlungsprogramm, aber ich würde mir wünschen, dass wir bei unserer Tradition bleiben, Flüchtlinge, die letztlich bleiben sollen, willkommen zu heißen", sagt Susan Fratzke. Die meisten Befürchtungen der Amerikaner entstünden aus Missverständnissen oder durch fehlende Informationen. Oder eben, weil gewisse Präsidentschaftsanwärter aus ihrer Sicht regelrechte Panikmache betrieben.

"Natürlich kann niemand bei jeder Person zu 100 Prozent sicher sein. Aber die Flüchtlinge sind definitiv besser gecheckt als jeder andere Ausländer, der in unser Land kommt, ob als Einwanderer oder als Besucher", betont die Expertin.

Mögliches Wahlkampf-Thema

In der Geschichte des Ansiedlungsprogramms hat es seit dem 11. September nur drei Fälle unter zehntausenden von Einwanderern gegeben, in denen später der Vorwurf einer terroristischen Verbindung im Raum stand, unterstreicht Susan Fratzke. Und in diesen drei Fällen sei es nicht um Anschläge oder direkte Gewalttaten gegangen, sondern um eine finanzielle Unterstützung terrorverdächtiger Organisationen.

Susan Fratzke ist sich sicher, dass das Thema im Präsidentschaftswahlkampf wieder hochkocht. Mit Sorge beobachtet sie, mit welcher rhetorischen Schärfe argumentiert wird.

USA in der Spitzenrolle

Die aktuelle Debatte könnte das weitaus umfassendere und positive Bild überdecken, das die Integrationsbemühungen in den USA im allgemeinen abgeben. "Es gibt ja so viele andere Menschen, die ihre Heimat verloren haben und eingegliedert werden müssen. Die USA hatten stets das weltgrößte Programm dafür - mit einer Quote von mehr als 60 Prozent aller umzusiedelnden Flüchtlinge weltweit, seit das Programm aufgelegt wurde", unterstreicht Susan Fratzke. "Das ist schon wichtig zu wissen, auch wenn wir natürlich nocht mehr tun könnten."

Im vergangenen Jahr haben die USA die entsprechende UNHCR-Liste der Staaten angeführt, in die die meisten Flüchtlinge legal einreisen konnten: mit 53.000 Menschen, gefolgt von Kanada (10.000) und Australien (5.000). Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien wurden allerdings bislang nur in kleiner Zahl umgesiedelt. Spät begonnen sind die Anstrengungen jetzt aber deutlich spürbar. UNHCR-Sprecherin Baele verweist auch darauf, dass die zuständigen Behörden "sehr großzügig gewesen sind gerade bei den Fällen, die für uns die bedrohtesten Fälle waren."

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