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Politik

Flüchtlinge vor verschlossenen Grenzen

3. Juli 2018

Seit einer Großoffensive des Assad-Regimes im Südwesten Syrien sind tausende Syrer auf der Flucht. Sie fliehen Richtung Jordanien und den israelisch besetzten Golanhöhen. Doch beide Länder haben ihre Grenzen geschlossen.

Flüchtlingen an den Grenzen zwischen Syrien und Jordanien
Bild: picture-alliance/Xinhua/M. A. Ghosh

Der syrische Teil der Golanhöhen ist nur wenige Kilometer entfernt von hier - hinter rostigem Stacheldraht und einem hochgesicherten Zaun. Der zieht sich entlang der Waffenstillstandslinie, die sich durch die hügelige Landschaft auf den von Israel annektierten Golanhöhen schlängelt. Von hier aus sind Zelte und mit Plastik-Planen errichtete Notunterkünfte zu sehen.

Fast täglich kommt Dubi Hadar an diese Stelle mit seiner Kamera und schaut auf die andere Seite. "Seit drei Jahren schon sehen wir, dass Flüchtlinge hier herkommen." Aber in den letzten Tagen habe die Anzahl der Zelte stark zugenommen, meint Hadar, der seit vielen Jahren auf dem israelisch besetzten Golan lebt. Oft kommt er mit Besuchern an diesen Ort, um zu zeigen, wie nahe alles beieinander liegt.

Nun kann man auf der syrischen Seite Menschen dabei beobachten, wie sie Notunterkünfte rund um das Dorf Bariqa aufbauen. Aus der Ferne sind im Minutentakt dumpfe Einschläge zu hören: Bombenangriffe der Assad-Verbündeten aus der Luft. Immer wieder steigt schwarzer Rauch am Horizont auf.

Dubi Hadar an der sensiblen Grenze zwischen Israel und SyrienBild: DW/T. Kraemer

Etwa 270 000 Syrer sind nach Einschätzung des Flüchtlingshilfswerks UNHCR in diesen Tagen im Südwesten Syriens auf der Flucht.Seit Mitte Juni führen Assads Truppen und Verbündete eine Großoffensive gegen die Stadt Dara'a, in der 2011 der Aufstand gegen Diktator Bashar al Assad begann, und gegen die gleichnamige Provinz. Sie gilt als eine der letzten Bastionen oppositioneller Gruppen.

Die von Russland und Iran unterstützte syrische Armee soll laut Medienberichten bereits mehr als die Hälfte des Gebiets eingenommen haben. Die Kämpfe dauern an, obwohl das Gebiet in der sogenannten "Deeskaltionszone” liegt, die letztes Jahr zwischen den USA, Russland und Jordanien vereinbart wurde. Nun suchen die Menschen Schutz nahe der jordanischen Grenze und nahe zum israelisch-besetzten Teil der Golanhöhen.

Geschlossene Grenzen

Doch weiter kommen sie nicht: Beide Länder halten ihre Grenzen geschlossen. Jordanien hat bereits hunderttausende syrische Flüchtlinge aufgenommen und sagt, es werde keine weitere Personen ins Land lassen. Offenbar ist die medizinische Hilfe aus Jordanien nicht oder nur bis zur Grenze gekommen.

Von Assads Offensive an die israelisch-jordanische Grenze vertriebene SyrerBild: picture-alliance/AA/A. Al Ali

Israel hat seit Beginn des Bürgerkriegs gar keine Flüchtlinge aufgenommen, versorgt aber seit fünf Jahren syrische Kriegsverletzte in israelischen Krankenhäusern und liefert humanitäre Hilfe auf die andere Seite. Syrer, die in das Gebiet kommen, hoffen offenbar, dass die Nähe zu Israel sie schützen werde und die Assad-Truppen hier nicht großflächig bombardieren. Das Gebiet sei allerdings keine offizielle Pufferzone, so ein Sprecher der israelischen Armee.

Die Situation der Menschen östlich des Zauns sei sehr schlimm, warnen Hilfsorganisationen. "Sie sind in einer verzweifelten Lage und es fehlt fast an allem”, sagt Gal Lusky, Gründerin der israelischen Organisation Israel Flying Aid. "Es gibt nicht genügend Unterkünfte, kein Wasser, kein Essen und die Leute müssen einen Ort finden, der ihnen etwas Sicherheit gibt.” 

Die Organisation arbeitet dabei eng mit der israelischen Armee zusammen, denn israelische Helfer können nicht auf die andere Seite. Seit 2013 hat Israel einige tausend syrische Kriegsverletzte in israelischen Krankenhäusern und einem Feldlazarett behandelt. Die Mission "Guter Nachbar” liefert außerdem humanitäre Hilfe in das syrische Gebiet.

Israel hat seine Truppen auf den besetzten Golanhöhen verstärktBild: picture-alliance/dpa/I. Yefimovich

Am Freitag teilte die israelische Armee mit, das sie 300 Zelte und mehrere Tonnen Nahrungsmittel, Medikamente und Kleidung über Nacht auf die andere Seite gebracht habe. "Mehrere tausend syrische Zivilisten, die vor den Auseinandersetzungen geflohen sind, leben hier unter schwierigsten Bedingungen nahe der israelischen Grenze - ohne Zugang zu Wasser, Strom, Essen und anderen nötigen Dingen”, so die Stellungnahme.

Auch mehrere schwer verletzte Syrer wurden in israelischen Kliniken aufgenommen.  Doch Flüchtlinge aufnehmen werde man generell nicht.  "Wir werden unsere Grenzen weiter verteidigen”, sagte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu am Sonntag. Gleichzeitig solle "humanitäre Hilfe ermöglicht werden, soweit dies möglich sei”. Aber: man werde "keinen Einlass nach Israel gewähren.”

Situation nach den Kämpfen

Israels Regierung blickt vor allen Dingen auf die möglichen Szenarien nach den Kämpfen um die Provinz: Immer wieder hat das Land betont man wolle verhindern, dass sich Assads Verbündete - Iran und die libanesische Hisbollah Milizen - nahe dem israelischen Gebiet festsetzen.

Auf den Golanhöhen setzen die Einwohner auf die israelische Armee, damit es ruhig bleibt, sagt Dudi Hadar. Sein Sohn Carmel meint, Israel müsse auch weiterhin neutral in dem Konflikt bleiben. "Wir sind als Feinde aufgewachsen, die meisten dort hassen uns. Wir sollten weiterhin humanitäre Hilfe liefern. Gleichzeitig aber müssen wir unsere Grenzen strikt verteidigen.”

Fast 300 000 Menschen sind derzeit im Südwesten Syriens auf der FluchtBild: picture-alliance/AA/A. A. Ali

Wieder schallt das dumpfe Geräusch von mehreren Luftangriffen herüber. Erneut steigt schwarzer Rauch am Horizont auf. Der Kontrast zur Ruhe auf der israelischen Seite könnte nicht größer sein. Auf einigen Feldern wird die Ernte eingeholt, Kühe weiden auf den weiten Flächen des Hochplateaus. Nur die verfallenen Armeebaracken, rostige Panzer und vor allem die vielen Minenfelder, gekennzeichnet durch gelbe Schilder mit der Aufschrift "Vorsicht Minen” zeugen vom Krieg, den Syrien und Israel Anfang der 70er Jahre um die Golanhöhen geführt hatten.

Bis heute befinden sich beide Ländern de facto im Kriegszustand. Für viele Syrer wäre eine Flucht in israelisch besetztes Gebiet deshalb auch nur eine der letzten Optionen - schliesslich gilt es als Feindesland. Solange aber die Offensive des Assad-Regimes andauert, suchen Tausende auch weiterhin Schutz nahe der israelischen Seite. Israel hat seine auf dem Golan stationierten Truppen am Sonntag nochmals verstärkt. 

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