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Töten oder sterben lassen?

Heiner Kiesel7. August 2012

Die Bundesregierung will gesetzlich Klarheit bei der Sterbehilfe schaffen. Schon tobt eine heftige Diskussion. Mit seiner Position zur Sterbehilfe befindet sich Deutschland damit zwischen den Extremen in Europa.

Ein Pfleger hält die Hand eines alten Menschen. dpa - Bildfunk+++
Bild: picture-alliance/dpa

Viele Bürger sind unzufrieden damit, wie die Sterbehilfe in Deutschland geregelt ist. Diesen Schluss legt zumindest eine Umfrage nahe, die das Meinungsforschungsinstitut Emnid durchgeführt hat. Demnach wünscht sich fast jeder zweite Deutsche, dass professionelle Unternehmen auf diesem Gebiet tätig sein dürfen, um gewerbsmäßig zu einem erwünschten Tod zu verhelfen.

Aber gerade das will die Bundesregierung verhindern. Das Bundesjustizministerin warnt in einem Referentenentwurf für ein Sterbehilfegesetz davor, dass gewerbliche Unternehmen Kranken eine "schnelle und effiziente Möglichkeit für einen Suizid anbieten". Das könnte durch die Bereitstellung eines Mittels, oder auch nur eines Zimmers für den Selbstmord geschehen und würde dem geplanten Gesetz nach mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet werden.

Ärger löst das Gesetzesvorhaben deshalb aus, weil es dem Patienten nahestehende Personen straffrei stellen soll. Das könnten Verwandte und Freunde, aber auch der langjährige Hausarzt oder Pflegepersonal sein, die den Kranken beim Sterben unterstützen. Werden Ärzte nun ermuntert, Sterbehelfer zu werden? Die Skepsis von Ärztevertretern, Kirchen und konservativen Politikern ist groß. Der Streit geht auch quer durch die Parteien der Regierungskoalition.

Nicht von der neuen Regelung betroffen ist die aktive Sterbehilfe, bei der sich der Patient auf eigenen Wunsch hin töten lässt. Das soll auch weiterhin verboten bleiben. Erlaubt ist es in Deutschland bereits - nach einer schriftlichen Verfügung des Patienten - nicht direkt tödliche, aber doch lebensverkürzende Mittel zu verabreichen, oder lebenserhaltende Maßnahmen zu unterlassen. Man spricht dabei von indirekter, beziehungsweise passiver Sterbehilfe. Deutschland befindet sich mit seiner Position zur Sterbehilfe damit zwischen den Extremen der derzeitigen Gesetzesregelungen in Europa.

Sterbehilfezimmer in der Schweiz: "Dignitas" und "Exit" bieten ihre Dienste anBild: picture-alliance/dpa

Fachgerecht sterben in den Niederlanden

Am weitesten gehen die Benelux-Staaten. Die Niederlande nehmen dabei eine Vorreiterrolle ein. 2001 wurde in Den Haag ein Gesetz verabschiedet, das zum ersten Mal weltweit aktive Sterbehilfe erlaubte. Im April 2002 trat es in Kraft. Das Regelwerk schreibt dem ausführenden Arzt gewisse Sorgfaltspflichten vor, so muss er vom ausweglosen und schmerzhaften Leiden des Patienten überzeugt sein und davon, dass dieser sich nach reiflicher Überlegung und freiwillig für den Tod entschieden hat. Das alles muss von einem weiteren Arzt bestätigt werden. Die Tötung muss "medizinisch sorgfältig" durchgeführt werden.

In drei Absätzen regelt das niederländische Gesetz, dass auch Minderjährige zwischen 16 und 18 Jahren sich töten lassen dürfen, entweder aufgrund einer Patientenverfügung, oder aufgrund einer Bitte der Eltern. Letztere dürfen den Arzt auch bei 12- bis 15-Jährigen um eine fachgerechte Beendigung des Lebens nachsuchen. Belgien und Luxemburg haben die aktive Sterbehilfe ähnlich geregelt. Damit sind alle vier Arten der Sterbehilfe legal. Diese drei Staaten stehen damit weltweit allein.

Restriktives Polen

Einen ganz anderen Weg geht das katholische Polen. Dort ist Sterbehilfe gänzlich verboten, auch das Abstellen lebenserhaltender Apparate. In der Praxis ist es jedoch schwer zu überprüfen, ob es nicht doch immer wieder zu indirekter oder passiver Sterbehilfe kommt.

Die meisten europäischen Länder sagen "Stopp" zu Beihilfe oder aktiver Sterbehilfe, gestatten es jedoch, dem Patienten das Ende zu erleichtern. Diskutiert über eine Ausweitung wird immer wieder. In Spanien hatten die Sozialisten ein neues Gesetz zur Sterbehilfe versprochen, davon aber nichts umgesetzt. In Frankreich gibt es eine neue Debatte hin zur aktiven Sterbehilfe, die von Präsident François Hollande selbst angeregt worden ist. Über neunzig Prozent der französischen Bevölkerung sollen laut einer Umfrage für eine offenere Regelung sein.

Einen Sonderfall stellt die Schweiz dar. Dort ist die aktive Sterbehilfe zwar auch verboten, aber es ist erlaubt, unheilbar Kranke mit tödlich wirkenden Stoffen zu versorgen. Diese müssen sich die Betroffenen dann aber selbst verabreichen. Voraussetzung ist, dass der Suizid-Unterstützer keine eigenen Vorteile damit verfolgt. So gibt es in der Schweiz auch zwei Organisationen, "Exit" und "Dignitas", die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Menschen beim Sterben zu helfen. Diese Angebote sollen auch von Ausländern immer wieder in Anspruch genommen werden.

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