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Politik

Türkei nach Putsch: 32.000 in Haft

28. September 2016

Am 15. Juli hatten in der Türkei Teile des Militärs versucht, die Regierung wegzuputschen. Der Umsturzversuch scheiterte, die Regierung schlug hart zurück. Justizminister Bozdag zieht eine Zwischenbilanz.

Türkei Gefängnis in Antalya
Gefängnis der türkischen Stadt AntalyaBild: picture-alliance/dpa/T. Bozoglu

Zweieinhalb Monate nach der Niederschlagung des Putsches sitzen in der Türkei rund 32.000 Verdächtige in Untersuchungshaft. Insgesamt seien gegen 70.000 Verdächtige juristische Schritte eingeleitet worden, sagte Justizminister Bekir Bozdag in einem Interview eines türkischen Fernsehsenders.

Ihnen werde vorgeworfen, in Verbindung mit der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen zu stehen. Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft Gülen vor, Drahtzieher des Militärputsches zu sein. Er geht von einem "terroristischen Netzwerk" Gülens aus.

Die größten Prozesse in der türkischen Geschichte

Es könne weitere Festnahmen, aber auch Freilassungen geben, erklärte Bozdag. Die bevorstehenden Gerichtsprozesse würden die bislang größten in der türkischen Geschichte.

Der türkische Justizminister BozdagBild: picture-alliance/dpa/E.Sansar

Es sei "noch nicht ganz geklärt", wie sie geführt würden, sagte der Justizminister. Nötig seien mehr juristische Einrichtungen, um alle in den Putsch verwickelten Gülen-Anhänger belangen zu können. In der Stadt Sinan nahe der türkischen Hauptstadt Ankara wird bereits ein neues Gerichtsgebäude gebaut.

Gülen lebt im US-Exil, die Türkei fordert seine Auslieferung. Nach Angaben Bozdags haben die USA angekündigt, in einigen Tagen auf das Auslieferungsgesuch zu antworten. Gülen hat die Anschuldigungen, er sei Drahtzieher des Putschversuches, wiederholt zurückgewiesen. In einem Gespräch mit der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" sagte der 75-Jährige jetzt: "Wer andere Menschen Terroristen nennt, obwohl sie Frieden predigen, ist selbst ein Terrorist".

Der islamische Prediger GülenBild: picture-alliance/dpa/M. Smith

Gülen übt Selbstkritik

Nach eigenen Worten sieht der Prediger inzwischen Teile seines früheren Wirkens kritisch. "In meinen frühen Predigten habe ich zu pauschal den Westen verurteilt. Heute sehe ich das anders", sagte Gülen in dem "Zeit"-Interview. Jeder Mensch sei ein Produkt seiner Zeit. "In meiner Jugend wurden die Amerikaner, die Russen, der Vatikan und die Juden für das Leid der Muslime verantwortlich gemacht. Ich habe mich damals von Schmutzkampagnen und Verschwörungstheorien beeinflussen lassen."

Gülens "Hizmet"-Bewegung steht für ein konservatives, auf weltliche Bildung gegründetes Islamverständnis. Kritiker werfen dem Prediger vor, seine Bewegung weise sektenähnliche Züge auf. Seit dem Putschversuch beantragten nach Informationen der "Zeit" einige hundert Anhänger Gülens Asyl in Deutschland. Zugleich verzeichneten Schulen, die zum Netzwerk des Predigers in Deutschland gehören, vermehrt Abmeldungen von Schülern.

wl/se (dpa, afp, rtr, kna)