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Politik

CHP will gegen Wahlkommission vorgehen

19. April 2017

Die größte türkische Oppositionspartei CHP will sich juristisch gegen die Ablehnung ihres Antrags auf eine Annullierung des Verfassungsreferendums wehren. Parteivize Tezcan sprach von einer schweren Legitimitätskrise.

Deutschland Erdogan Anhänger in Köln
Erdogans Anhänger jubeln - die Opposition will sich nicht geschlagen gebenBild: picture alliance/dpa/H. Kaiser

Der stellvertretende Parteivorsitzende der Republikanischen Volkspartei CHP, Bülent Tezcan, kündigte an, dass die CHP alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen werde. Die Partei werde an diesem Donnerstag entscheiden, ob sie vor dem türkischen Verfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage einreichen werde. Zur Entscheidung der Wahlkommission sagte Tezcan: "Das nennen wir organisierten Wahlbetrug, organisierten Stimmraub."

Der CHP-Vorsitzende Kemal Kilicdaroglu warf der Regierung und der Wahlkommission einen "Putsch gegen den nationalen Willen" vor und kündigte an, nicht zu ruhen, "bevor wir nicht Gerechtigkeit erfahren haben".

Die Wahlkommission hatte zuvor in einem Statement den Antrag der Opposition auf Annullierung des Verfassungsreferendums zurückgewiesen. Das Votum der Kommission fiel demnach mit zehn zu einer Stimme aus.

Streitpunkt sind mehrere Millionen ungestempelter Wahlzettel. Die oberste Wahlbehörde (YSK) der Türkei hatte wenige Stunden, bevor die Wahllokale schlossen, bekanntgegeben, dass auch nicht gestempelte Wahlzettel Gültigkeit besäßen. Betroffen sind den Angaben zufolge zwischen 2,5 und 3 Millionen Stimmen.  Die CHP sieht dies als Verstoß gegen geltendes Recht und hatte deshalb am Dienstag die Annullierung der gesamten Abstimmung beantragt.

Die CHP steht mit ihrer Einschätzung nicht alleine da. Die prokurdische Oppositionspartei HDP legte am Mittwoch Beschwerde gegen den Leiter der Wahlkommission, Sadi Güven, wegen "Amtsmissbrauchs" ein, ebenso die  Anwaltskammern in Istanbul und Izmir. Dutzende Bürger beantragten in separaten Petitionen bei der Wahlkommission in Ankara und vor einem Gericht in Istanbul die Annullierung der Abstimmung.

Eine Klage vor dem Verfassungsgericht, wie von der CHP als eine Möglichkeit angekündigt, hat allerdings wenig Aussicht auf Erfolg, da die Wahlkommission befugt ist, über sämtliche Beschwerden alleine zu entscheiden. Einen Rechtsweg gegen ihre Entscheidungen gibt es nicht.

Proteste den vierten Abend in Folge

Unterdessen dauern die Proteste gegen den Ausgang des Referendums und gegen mutmaßliche Rechtsverstöße an. Im Istanbuler Stadtteil Besiktas demonstrierten rund 1500 Menschen friedlich gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan und gegen die Wahlkommission. Die Demonstranten skandierten unter anderem "Mörder, Dieb, Erdogan", wie ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa berichtete. Der Wahlkommission warfen sie Parteilichkeit vor.

Auch in weiteren Vierteln Istanbuls und in anderen Städten des Landes war zu neuen Protesten aufgerufen worden. In den drei größten Städten des Landes -  Istanbul, Ankara und Izmir - hatte eine knappe Mehrheit der Wähler gegen die Einführung eines Präsidialsystems gestimmt.

Nach vorläufigen Wahlergebnissen stimmten am Sonntag 51,4 Prozent der Türken für das Präsidialsystem. Nach der Umsetzung der geplanten Verfassungsänderung sollen voraussichtlich 2019 erstmals gleichzeitig der Präsident und das Parlament gewählt werden. Das Amt des Ministerpräsidenten entfällt. Im Falle eines Wahlsiegs wäre Erdogan dann als Staatsoberhaupt auch Chef der Regierung. Die Opposition befürchtet eine Ein-Mann-Herrschaft und sieht das Land auf dem Weg in eine Diktatur.

qu/gri (rtre, afp, dpa)

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