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Politik

Ein Mord als politisches Druckmittel

Hilal Köylü
23. Oktober 2018

Das Verhältnis der Türkei zu Saudi-Arabien ist überschattet vom Mordfall Khashoggi. Die Aufklärung des Falls sei stark abhängig von den verworrenen Machtverhältnissen im Nahen Osten, meinen Experten.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem saudischen König Salman bei einem Treffen in Jeddah 2017
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem saudischen König Salman bei einem Treffen in Jeddah 2017Bild: picture-alliance/Anadolu Agency/Turkish Presidency/Y. Bulbul

Der Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi hat eine neue Ära im Verhältnis der Türkei zu Saudi-Arabien eingeleitet. Bislang war Ankara darum bemüht, eine Politik des Gleichgewichts zwischen der sunnitisch-islamischen Bewegung der Muslimbrüder auf der einen Seite und dem wahhabitisch geprägten Saudi-Arabien auf der anderen zu betreiben. Seit dem Mord an Khashoggi nimmt Ankara jedoch gegenüber Saudi-Arabien eine deutlich kritischere Haltung ein.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, er erwarte von der saudischen Führung die Aufklärung des Falls. Man werde nicht damit aufhören, den Fall zu verfolgen, und die Ermittlungen noch intensivieren, so Erdogan. Der ehemalige türkische Außenminister Yasar Yakis von der AKP erklärte, der Mord an Khashoggi sei nicht der einzige Grund für diese klaren Worte. Vielmehr stünde Erdogans Politik gegenüber Riad dahinter.

Beziehungen zwischen Muslimbrüdern und der Türkei

Ein wichtiger Faktor in den Beziehungen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien ist das Verhältnis der Türkei zu den Muslimbrüdern, einer der wichtigsten politischen Bewegungen der arabischen Welt, die ihre Wurzeln in Ägypten hat. Dass die Beziehungen der Türkei zu den sunnitischen Muslimbrüdern Saudi-Arabien nicht gefällt, ist kein Geheimnis. Die Türkei versuche, ihre Beziehungen zu den Muslimbrüdern und dem Iran dennoch aufrecht zu erhalten, erklärt Yakis, auch wenn die verworrenen Verhältnisse im Nahen Osten das nicht immer leicht machten.

Yasar Yakis, ehemaliger Außenminister der Türkei Bild: privat

Yakis erinnert daran, dass Saudi-Arabien als Antwort auf die Haltung der Türkei gemeinsam mit Israel agiere. Zudem kooperiere Riad, das sich im Krieg mit den Muslimbrüdern befindet, mit den Kurden - besonders in Syrien. 

"Die Kurden sind der engste Verbündete der USA, die in Syrien gegen den IS kämpfen. Zuletzt erhielten die Kurden Waffen im Wert von 200 Millionen Dollar. Das Geld dafür kam von der saudischen Führung, die Waffen aus den USA", so Yakis. Ankara, fährt Yakis fort, sei über die Waffenhilfe für die Kurden sehr verärgert gewesen.

Vor dem Hintergrund dieser Beziehungen benutze Erdogan den Mord an Khashoggi, um Verhandlungen mit Saudi-Arabien zu führen. Erdogan habe die Botschaft an die saudische Führung gesendet: "Auch ich habe Dinge in der Tasche, die euch nicht gefallen werden", erklärt Yakis. Allerdings habe Erdogan nicht alle Informationen, die er zum Mordfall Khashoggi hat, preisgegeben. Yakis geht davon aus, dass die Verhandlungen Ankaras mit Riad noch etwas andauern werden.

Tiefe Uneinigkeit

Hinter den Verhandlungen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien steht auch die Vermutung, dass die Türkei eine führende Rolle in der arabischen Welt spielen will. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hatte sich erst jüngst darüber beschwert. Anfang 2018 hatte er bei seinem Ägyptenbesuch die Türkei beschuldigt, den Iran und islamistische Organisationen zu unterstützen. Zudem hatte er erklärt, die Türkei würde versuchen, das Kalifat wieder in der arabischen Welt einzuführen.

Seine Ermordung ist Grund für eine Verschiebung politischer Verhältnisse: Jamal KhashoggiBild: picture-alliance/AA/O. Shagaleh

Burak Bilgehan Özpek, Politikwissenschaftler an der TOBB Wirtschafts- und Technikuniversität in Ankara, macht darauf aufmerksam, dass die Türkei bis heute auf diese Anschuldigungen Saudi-Arabiens so gut wie nicht reagiert habe. Die Türkei hatte zuletzt Saudi-Arabien, das mit einigen anderen arabischen Ländern im Jahr 2017 ein Wirtschaftsembargo gegen Katar verhängt hatte, scharf kritisiert. Einerseits hatte die Türkei Katar im Kampf gegen das Embargo unterstützt, anderseits bemühte sie sich gleichzeitig darum, den Streit mit Saudi-Arabien in Grenzen zu halten.

Özpek zufolge hat der Mord an Khashoggi den kalten Krieg zwischen Ankara und Riad noch einmal angeschoben. Er geht davon aus, dass Ankara den Druck auf Riad noch weiter erhöhen wird. Sollte Saudi-Arabien seine Politik gegenüber der Türkei überdenken, könnte die Spannung wieder abnehmen, so Özpek. Große Hoffnung auf eine Aufklärung des Falls Khashoggi hat er jedoch nicht. "Die Türkei verhält sich, als habe sie diesen Fall unter Kontrolle. Sie schürt die Erwartungen auf eine transparente Aufklärung. Doch die Zeit wird zeigen, wie diese Erwartungen erfüllt werden können." Bis jetzt sei noch nichts aufgeklärt, erklärt Özpek.