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HandelEuropa

Türkei erhebt Extrazölle auf chinesische Autos

20. Juni 2024

Importautos aus China werden auch in der Türkei drastisch teurer. Die chinesischen Hersteller sollen damit bewogen werden, Fabriken in der Türkei zu bauen. Doch erstmal werden Neuwagen für immer mehr Kunden unerreichbar.

Blaues Licht, links neben dem bekannten chinesischen Fabrikat Chery steht eine Frau. Viele Zuschauer machen Fotos mit ihren Handys.
Die Marke Chery ist in der Türkei sehr beliebtBild: Aly Song/REUTERS

Die Türkei will künftig jedes Auto aus China mit Extrasteuern belegen. Wie das Handelsministerium in Ankara ankündigte, werden Zölle in Höhe von 40 Prozent oder mindestens 7000 US-Dollar je Fahrzeug erhoben. Damit weitet die Türkei eine Sondersteuer aus, die sie vor einem Jahr für chinesische Elektroautos eingeführt hat: Ab dem 8. Juli können sich die Steuern auf importierte Autos aus China auf bis zu 50 Prozent summieren.

Vielen Vertretern der Automobilbranche bereitet das große Sorgen. Denn der Binnenmarkt sei schon jetzt volatil und die Teuerungsrate der vergangenen Jahre ohnehin sehr hoch. Die Extrazölle würden die Preise weiter in die Höhe treiben, befürchten sie. 

Erdogans Niedrigzinsmodell hat die Türkei in eine tiefe Wirtschaftskrise gestürzt. Zuletzt lag die Inflation im Mai bei 75,45 Prozent. Die Kaufkraft der Bürger schwand.Bild: Adem Alta/AFP

Dabei kann sich ein Beschäftigter mit einem Durchschnittseinkommen in der Türkei ohnehin kaum ein Auto leisten. Der Mindestlohn beträgt derzeit 485 Euro (Stand: Mitte Juni 2024) bei einer Jahresinflation in Höhe von 75,45 Prozent. Und nach Angaben der Gewerkschaft DISK erhält fast die Hälfte aller Beschäftigten im Land den Mindestlohn.

Werden europäische Marken nachziehen?

Aydın Erkoc, Präsident des Verbandes der Kraftfahrzeughändler (MASFED), hält den Extrazoll auf chinesische Fahrzeuge deshalb für einen Eingriff in den freien Markt. "Wenn die Steuer erhöht wird, sollte das für alle Marken gelten", sagt Erkoc im DW-Interview. Wie viele andere fürchtet er, dass nun auch europäische Hersteller ihre Preise anheben werden. Bisher hätten die sich wegen der billigen Konkurrenz zurückgehalten. Künftig würden dann alle Fahrzeuge teurer.

Auch aus einem weiteren Grund würden Neuwagen in der Türkei teurer, sagt Ali Karakas, CEO der Gebrauchtwagen-Verkaufsplattform "otomerkezi.net": Im Juli tritt das EU-Anpassungspaket für "sicheres Fahren" in Kraft. Fahrerassistenzsysteme wie Bremsassistent, Müdigkeitswarner, Alkohol-Wegfahrsperre und ähnliches sind bei Neufahrzeugen dann Pflicht. Dadurch und durch die Extrazölle auf chinesische Autos könnten die Preise auf dem Automarkt nach seiner Einschätzung um rund 45 Prozent steigen. Das allerdings, so hofft Karakas, wird womöglich den stagnierenden Gebrauchtwagenmarkt wiederbeleben.

"Günstige Fahrzeuge chinesischer Herkunft hatten bisher den größten negativen Einfluss auf den Gebrauchtwagenmarkt. Viele Verbraucher haben neue chinesische Modelle den europäischen Gebrauchtwagen vorgezogen", sagt Karakas. Der Preisanstieg könne jetzt dem Gebrauchtwagenmarkt zugute kommen. 

Zehn chinesische Automarken gibt es derzeit in der Türkei - und diese werden immer beliebter Bild: AFP

Händlerpräsident Erkoc ist weniger optimistisch. Der Umsatz auf dem Gebrauchtwagenmarkt sei seit etwa einem Jahr um bis zu 70 Prozent zurückgegangen. Seiner Meinung nach wird die Flaute mindestens ein halbes Jahr andauern. "Solange die Inflation und die Bankzinsen nicht sinken, wird der Automarkt weiter stagnieren."

Chery verkündet "neue Fabrik in der Türkei"

Bislang wurden chinesische Fabrikate bei den Türken immer beliebter. Zehn chinesische Automarken drängen in den türkischen Markt. Ihr Marktanteil liegt bei zehn Prozent. Entsprechend fiel die Reaktion des chinesischen Handelsministeriums auf die türkischen Extrazölle aus: Man lehne die zusätzlichen Steuern entschieden ab und fordere die Abschaffung der diskriminierenden Zölle, hieß es.

Mit den Sondersteuern will die Türkei einerseits eigene Automarken wie TOGG zu schützen. Andererseits sollen die chinesischen Hersteller, die bisher einen großen Bogen um die Türkei gemacht haben, zu Investitionen in der Türkei ermuntert werden. Und diese Rechnung scheint aufzugehen. 

Mit der Einführung der Extrazölle auf chinesische Autos beabsichtigt Ankara auch die heimischen Marken zu schützen: Hier präsentiert der türkische Staatschef Erdogan die landeseigene Marke TOGGBild: Turkish Presidency/AP/picture-alliance

"Chery" ist in der Türkei die beliebteste chinesische Marke. Ihr Türkei-Chef Si Fenghuo sagte: "Wir sind bestrebt, die Produktion in der Türkei so schnell wie möglich zu realisieren." Ähnlich äußerte sich Kagan Dagtekin, CEO von Dogan Trend Otomotiv, dem türkischen Vertriebspartner der Marke MG: Man bemühe sich, die erste europäische Produktionsstätte in der Türkei zu errichten.

Hüsamettin Yalcin ist Geschäftsführer von Cardata, einem Unternehmen, welches Datendienste über den türkischen Automobilsektor anbietet. Und er will erst Taten sehen: "Seit der Entscheidung über die Extrazölle hören wir, dass einige chinesische Hersteller in der Türkei investieren wollen. Allerdings bleibt es abzuwarten, ob sich diese Ankündigungen bewahrheiten werden".

Mehr E-Autos, weniger Diesel

Nach den jüngsten Daten der Automotive Distributors and Mobility Association (ODMD) stieg der Gesamtabsatz auf dem türkischen Automarkt von Januar bis Mai im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sechs Prozent auf 471.473 Einheiten. Die Zahl der verkauften E-Autos nahm um rund 257 Prozent zu, bei den Hybriden gab es ein Plus von gut 50 Prozent. Dieser Zuwachs ging vor allem auf Kosten der Diesel: Nur noch jedes zehnte Fahrzeug ist ein Selbstzünder. Die Benziner haben ihren Anteil mit 66 Prozent am Gesamtmarkt in etwa gehalten.

Elmas Topcu Reporterin und Redakteurin mit Blick auf die Türkei und deutsch-türkische Beziehungen@topcuelmas
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