Türkei erlässt Haftbefehl gegen Journalisten Deniz Yücel
18. Mai 2023Ein türkisches Gericht hat einen Haftbefehl gegen den Journalisten Deniz Yücel verhängt. Die Entscheidung erging in einem Verfahren, in dem Yücel Beleidigung des Präsidenten sowie Verunglimpfung des türkischen Staates und der Justiz vorgeworfen werde, wie sein Anwalt Veysel Ok mitteilte. Der Korrespondent der Tageszeitung "Die Welt" lebt in Deutschland.
Die Vorwürfe gegen Yücel beziehen sich laut der Anwaltsvereinigung MLSA auf Inhalte aus von ihm verfassten Artikeln. Darin habe er den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan etwa einen "Putschisten" genannt. Der Prozess gegen den deutsch-türkischen Journalisten in Istanbul soll Mitte Oktober fortgesetzt werden.
Kritik türkischer wie europäischer Richter an Yücels U-Haft
Yücel war von Februar 2017 bis Februar 2018 ohne Anklageschrift im Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul inhaftiert - überwiegend in Einzelhaft. Das türkische Verfassungsgericht entschied im Nachgang, dass er mit der U-Haft in seinem Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit verletzt wurde. Es sprach ihm eine Entschädigung von rund 3700 Euro zu.
Erst nach einem langen politischen Tauziehen zwischen Ankara und Berlin kam er frei und konnte ausreisen - gleichzeitig wurde Anklage erhoben. Im Juli 2020 wurde er in Abwesenheit wegen Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu rund zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Im Januar 2022 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei wegen der Inhaftierung Yücels und entschied, dass das Vorgehen seine Menschenrechte auf Freiheit und Sicherheit sowie auf freie Meinungsäußerung verletzt habe.
Die Schriftsteller- und Autorenvereinigung PEN erklärte nun, es sei ein Skandal, dass der derzeitige Prozess gegen Yücel überhaupt eröffnet worden sei. Das Verfahren müsse sofort eingestellt werden. Der PEN Berlin wies darauf hin, dass sowohl das türkische Verfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof Yücels Untersuchungshaft für rechtswidrig befunden hätten. Dabei sei zugleich festgestellt worden, dass alle Kommentare, Berichte und Interviews, die Yücel in der "Welt" veröffentlicht hatte und die ihm zur Last gelegt wurden, von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt seien: "In einem Rechtsstaat wäre Deniz Yücel deswegen nicht angeklagt worden."
sti/hf (dpa, epd)