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Politik

Türkei: Europas Richter schlagen Alarm

4. März 2017

Von unabhängiger Justiz in der Türkei kann nicht mehr die Rede sein. Deutsche Richter und Juristen aus anderen europäischen Staaten solidarisieren sich mit ihren Kollegen - und beklagen einen "Rückbau des Rechtsstaats".

Türkei - Istanbul Justizpalast
Der Justizpalast in IstanbulBild: Getty Images/AFP/B. Kilic

Europäische Richterverbände haben einen Hilfsfonds gegründet, der inhaftierte oder aus ihrem Amt entlassene türkische Richter und Staatsanwälte und deren Familien unterstützt. An dem Fonds mit einem Startkapital von rund 50.000 Euro beteiligten sich Richterverbände aus allen Teilen Europas, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Rebehn betonte: "Wir beobachten mit großer Sorge, wie Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Rückbau des Rechtsstaats in der Türkei vorantreibt." Mit dem Hilfsfonds wollten die Juristen ein Zeichen der Solidarität mit den betroffenen Kollegen setzen.

Mehr als 200 Hilfsanfragen 

Größere Spenden seien bisher aus der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Portugal, Irland und England geflossen. Der Deutsche Richterbund habe zunächst 10.000 Euro bereitgestellt. Mehr als 200 Hilfsanfragen aus der Türkei hätten die Europäische Richtervereinigung inzwischen erreicht, sagte Rebehn. Die Tendenz sei allerdings stark steigend. Der Fonds prüfe jeden Einzelfall.

Das türkische Gefängnis von Sincan vor den Toren Ankaras (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/A. Altan

"Es handelt sich vielfach um verzweifelte Hilferufe von Familien mit Kindern, die in existenzielle Not geraten sind, weil der Familienvater inhaftiert ist und der Staat das Vermögen der Familie konfisziert hat", sagt Rebehn. Oft wüssten die Beschuldigten, ihre Familien und Anwälte über Monate nicht, welcher strafrechtlicher Vorwurf erhoben werde: "Das hat mit fairen, rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun."

In der Regel zahle der Fonds einen Zuschuss zum Lebensunterhalt, mit dem die Familien etwa drei bis vier Monate über die Runden kämen.

Die türkische Regierung hat seit dem gescheiterten Staatsstreich im vergangenen Juli Tausende Richter und Staatsanwälte entlassen oder inhaftiert. Ihnen wird vorgeworfen, Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen zu sein. Rebehn sieht auch die EU-Kommission gefordert: "Der EU-Beitrittskandidat Türkei ist dabei, den Rechtsstaat und eine unabhängige Justiz abzuwickeln." Die Reaktionen darauf aus Brüssel bezeichnete der Jurist als "zu zaghaft". Damit steht der Richterbund auf einer Linie mit dem scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck, der in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" die Frage aufgeworfen hat, "ob die Türkei überhaupt noch den Anspruch hat, eine Demokratie und ein Rechtsstaat zu sein".

ml/jj (epd, dpa)

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