Türkei: Kopftuchverbot gelockert
29. Januar 2008Die von der islamisch-konservativen türkischen Regierungspartei AKP angestrebte Abschaffung des Kopftuchverbots an Hochschulen ist am Dienstag (29.1.2008) dem Parlament unterbreitet worden. Da die dafür erforderliche Verfassungsänderungen von der nationalistischen Oppositionspartei MHP mitgetragen werden, gilt eine parlamentarische Mehrheit für ein Ende des seit Jahren heftig umstrittenen Verbots als sicher. Beide Parteien verfügen im Parlament von Ankara über 410 von 550 Mandaten. Die Abstimmung wird für Anfang Februar erwartet.
"Ungerechte Behandlung von Mädchen beenden"
Die Gesetzesvorlage beruht auf einer Vereinbarung der islamischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und der oppositionellen Nationalistischen Aktionspartei (MHP) vom rechten Rand des politischen Spektrums. Demnach dürfen Studentinnen künftig ein Kopftuch tragen, sofern es unter dem Kinn zusammengebunden wird und nicht das Gesicht verdeckt. "Tschadors, Schleier und Burkas sind nicht erlaubt", sagte der MHP-Vorsitzende Devlet Bahceli. Regierungschef Erdogan sagte: "Unser einziges Ziel ist es, die ungerechte Behandlung von Mädchen an den Universitätstoren zu beenden."
Die oppositionelle Republikanische Volkspartei CHP will das Verfassungsgericht anrufen, wenn die Verfassungsänderungen vom Parlament verabschiedet werden sollten. Sie beschuldigt die AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, eine schleichende Islamisierung des Landes zu betreiben.
Weg zur religiösen Diktatur?
Der türkische Generalstaatsanwalt hat der AKP und der MHP in scharfer Form mit Verbotsverfahren gedroht. Er warnte in der vergangenen Woche davor, den Weg hin zu einer religiösen Diktatur zu beschreiten. Niemand habe die Freiheit, "die Demokratie zu zerstören", sagte Sabih Kanadoglu, der Generalstaatsanwalt am Obersten Gericht ist.
Die Aufhebung des Kopftuchverbotes gehört zu den politischen Versprechen der seit mehr als fünf Jahren regierenden AKP. Führende Politiker der Partei argumentieren, dass das Tragen des "Türban", des streng islamisch gebundenen Kopftuchs, zu den Grundrechten gehöre. Kritiker warnen, bei einem Ende des Verbotes werde der Druck auf alle Frauen steigen, das Kopftuch zu tragen.
Das Kopftuchverbot gilt der laizistischen Opposition als ein Symbol für die von Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk verfügte Trennung von Staat und Religion in der Türkei. Seit dem Militärputsch von 1980 wurde das Kopftuchverbot verstärkt durchgesetzt. (sams)