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Politik

"Welt"-Korrespondent in Istanbul in Gewahrsam

17. Februar 2017

Erstmals ist während des Ausnahmezustandes in der Türkei ein deutscher Journalist in Polizeigewahrsam. Deniz Yücel wird vorgeworfen, einer Terror-Organisation anzugehören. Deutschland fordert ein faires Verfahren.

Deniz Yücel (Foto: Imago/Müller-Stauffenberg)
Bild: Imago/Müller-Stauffenberg

Deniz Yücel hatte sich der Polizei in Istanbul bereits am vergangenen Dienstag gestellt, wie die Redaktion der Tageszeitung "Die Welt" bestätigte. Den Anwälten des 43-Jährigen sei gesagt worden, dass gegen ihn wegen Mitgliedschaft in einer Terror-Organisation, wegen Terrorpropaganda und wegen Datenmissbrauchs ermittelt werde. Dabei scheint es um gehackte E-Mails zu gehen, die vom Mailkonto von Energieminister Berat Albayrak stammen sollen, dem Schwiegersohn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Yücel hatte über die von einer Gruppe namens Redhack verbreiteten Mails zwei Artikel verfasst. Redhack gilt in der Türkei als Terror-Organisation.

Das Auswärtige Amt appellierte an die Türkei, im Ermittlungsverfahren gegen Yücel rechtsstaatliche Regeln sowie Fairness einzuhalten.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, man setze darauf, dass die türkischen Behörden Yücel fair behandelten, gerade mit Blick auf die auch in der Türkei verfassungsrechtlich verankerte Pressefreiheit. 

Yücel für türkische Behörden ein einheimischer Journalist

Yücel besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft. Aus Sicht der türkischen Behörden ist er damit ein einheimischer und kein ausländischer Journalist. Nach Angaben der "Welt" wurde Yücels Istanbuler Wohnung durchsucht, nachdem der Korrespondent sich der Polizei gestellt hatte. In der Türkei sitzen zahlreiche regierungskritische Journalisten unter Terrorvorwürfen in Haft. Menschenrechtsorganisationen halten die Anschuldigungen häufig für konstruiert und für politisch motiviert. Die Regierung weist solche Kritik zurück.

Um Mails von ihm soll es gehen: Energieminister und Erdogan-Schwiegersohn Berat AlbayrakBild: picture alliance/AA/S. Z. Fazlioglu

„Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt sagte: "Unser Korrespondent Deniz Yücel leistet exzellente Arbeit. Die türkische Regierung weist immer wieder darauf hin, dass die Türkei ein Rechtsstaat ist. Darum vertrauen wir darauf, dass ein faires Verfahren seine Unschuld ergeben wird." Poschardt appellierte zudem an die türkischen Behörden, keine Untersuchungshaft für seinen Korrespondenten zu verhängen. "Deniz Yücel hat seine Bereitschaft gezeigt, an einem rechtsstaatlichen Verfahren mitzuwirken. Das und die Würdigung der Pressefreiheit, wie sie in der türkischen Verfassung festgeschrieben ist, sollten in die Entscheidung einfließen."

Im Zusammenhang mit der E-Mail-Affäre wurden seit Ende Dezember noch sechs weitere Journalisten türkischer Medien festgenommen. Drei von ihnen befinden sich wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft bei jeweils einer anderen Terror-Organisation in Untersuchungshaft. Im Fall einer Verurteilung drohen ihnen bis zu zehn Jahre Haft.

Deutsche Journalisten-Verband: Attacke auf Pressefreiheit in Deutschland  

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert unterdessen den Polizeigewahrsam für Yücel. "Es zeigt, dass Präsident Erdogan versucht, den Ausnahmezustand zu missbrauchen, um unliebsame Berichterstattung unmöglich zu machen", sagte der DJV-Vorsitzende Frank Überall. "Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie den Fall aufgreift und ihre diplomatischen Kanäle nutzt, um unseren Kollegen zu schützen." Das Vorgehen auf türkischer Seite sei eine neue Eskalationsstufe, weil mit Yücel auch die Pressefreiheit in Deutschland angegriffen werde. Schließlich sei die Grundlage der Vorwürfe die Berichterstattung in der "Welt".

sti/haz (afp, dpa, Die Welt)