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Politik

Türkei: Kurdenpartei HDP droht Verbot

Daniel Derya Bellut
18. März 2021

Präsident Erdogan sieht seine Macht durch die HDP bedroht. Willkürliche Verhaftungen und eine Brandmarkung als "Terror-Partei" konnten ihre Wahlerfolge bislang nicht schmälern. Nun legt die Justiz nach.

Symbolbild Pro-Kurdische Partei HDP
Bild: Yasin Akgul/AFP

Seit Wochen hat  die türkische Regierung den Druck auf die pro-kurdische HDP stetig erhöht. Die Stigmatisierung als "Terror-Partei" und die Forderungen von Regierungsvertretern nach einem Parteiverbot wurden immer lauter. Nun folgte der nächste Angriff auf die drittgrößte türkische Partei: Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hat beim Obersten Gerichtshof der Türkei einen Antrag auf ein Verbot der HDP eingereicht

Zudem will die Staatsanwaltschaft 687 Politiker der Partei mit einem Politikverbot für fünf Jahre belegen lassen - unter ihnen einige Top-Politiker wie die Co-Vorsitzende Pervin Buldan und die zurzeit inhaftierten Ex-Vorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag. Die Begründung lautet, dass HDP-Mitglieder mit ihren Aussagen und Handlungen beabsichtigt hätten, die Integrität des Staates zu untergraben und an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen seien.  

Ex-Vorsitzende Selahattin Demirtas und Figen YüksekdagBild: Reuters/M. Sezer

HDP: Die Königsmacher-Partei

Bei den Kommunalwahlen im März 2019 erwies sich die Kurdenpartei als Erfolgsgarant für die Opposition: Die HDP-Parteiführung verzichtete in einigen Städten auf eigene Kandidaten und rief stattdessen ihre Wähler dazu auf, dem Kandidaten der ebenfalls oppositionellen CHP ihre Stimme zu geben. Ohne kurdische Rückendeckung wäre der Wahlsieg der CHP in einigen türkischen Städten nicht denkbar gewesen.

Das Manöver sollte sich für die HDP in den kommenden Monaten und Jahren schwer rächen. Die türkische Regierung erhöhte seither stetig den Druck auf die linksgerichtete Partei: In den meisten der 65 Provinzen, in denen die HDP einen Wahlsieg errungen hatte, wurden deren Bürgermeister und Gemeindevorstände mittlerweile entlassen und durch Zwangsverwalter aus Ankara ersetzt. Der Partei sind nur sechs kleine Gemeinden verblieben.

Erst die Stigmatisierung, dann das Verbot

Zuletzt sprach der türkische Innenminister Süleyman Soylu die HDP und ihre Mitglieder das Existenzrecht ab. "Eine Partei, die die PKK nicht als terroristische Organisation definiert und sich nicht von ihr distanziert, kann keine politische Partei dieses Landes sein", so Soylu. Kurz zuvor ließ er mehr als 700 Provinz- und Bezirksvorsitzende der Kurdenpartei in Gewahrsam nehmen. Vorgeworfen werden der HDP meist Verbindungen zur verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK, die auch von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft wird. In fast allen Fällen ist die Beweislast jedoch dürftig und willkürlich.

Trotz der dürftigen Beweislage wurden zuletzt von Seiten der türkischen Regierung die Forderungen nach einem Parteiverbot immer lauter. Der Koalitionspartner der islamisch-konservativen Regierung Devlet Bahceli, Chef der ultranationalen MHP, forderte Anfang März öffentlich das oberste Gericht der Türkei auf, schnellstmöglich ein Verbot der prokurdischen Partei einzuleiten. Für viele Kritiker war dies eine grobe Beeinflussung der Justiz. Dass nun tatsächlich der Oberste Gerichtshof zur Tat  schreiten soll, ist für Viele ein Beweis dafür, dass die Justiz bei dem eingeleiteten Verbotsverfahren nicht unabhängig gehandelt hat.  

Für Professor Berk Esen von der Sabanci-Universität handelt es sich dabei in erste Linie um Wahltaktik: "Die guten Wahlergebnisse der HDP sind dafür verantwortlich, dass die islamisch-konservative AKP seit den Parlamentswahlen 2015 keine absolute Mehrheit mehr holen konnte". Daher versuche die Regierung, die Oppositionspartei mit allen Mitteln unter die 10-Prozent-Hürde zu drücken, so der Politologe.

Berk Esen, Politikwissenschaftler in der Türkei Bild: Privat

HDP-Parteiverbot Teil einer Wahltaktik?

Zudem sei die Forderung von Seiten der türkischen Regierung nach einem Verbot ein Anzeichen dafür, dass die MHP selbst in einer Krise stecke. "Die jüngsten Prognosen zeigen, dass die MHP zurzeit die 10-Prozent-Schwelle nicht überschreiten würde". Die Nationalisten versuchten nun, die AKP auf ihre Linie zu bringen und durch einen radikaleren Kurs alternative Koalitionspartner auszustechen, sagt Esen. In der türkischen Öffentlichkeit wird spekuliert, ob Erdogans AKP den jetzigen Koalitionspartner durch die ebenfalls ultranationalistische IYI-Partei austauschen könnte.

Viele türkische Beobachter, darunter auch Esen, sind der Auffassung, dass die Regierung zudem versucht, die Opposition durch die Kriminalisierung der HDP zu spalten. Das Kalkül: In den vereinten Oppositionsblock reihen sich auch die sozialdemokratische CHP und die ultranationale IYI-Partei ein, die beide eine kurden-skeptische Wählerschaft hinter sich scharen. Eine zu kurdenfreundliche Politik und die Zusammenarbeit mit der HDP, die von der Regierung als "terroristisch" gebrandmarkt wird, könnte die Stammwählerschaft beider Parteien abschrecken.

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