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Gesellschaft

Türkei: Massiver Druck auf kurdische Medien

13. Dezember 2018

Etliche Zeitungen und Internetseiten, TV- und Radiosender wurden bereits verboten und geschlossen. Tausende Journalisten haben ihre Arbeit verloren. Die türkische Regierung setzt kurdischen Medien immer mehr zu.

Türkei Pro-kurdische Zeitung Ozgur Gundem wird geschlossen
Die pro-kurdische Zeitung "Özgür Gündem" wurde 2016 geschlossenBild: Getty Images/AFP/Y. Akgul

"Özgür Ülke" (Freies Land) ist eine der wenigen kurdischen Zeitungen in der Türkei, die noch lebt. Zumindest ihr Geist lebt weiter. Das haben die Mitglieder mehrerer Journalistenverbände verdeutlicht, indem sie der Opfer des Bombenanschlags auf die Zentrale der Zeitung vor 24 Jahren gedachten. Vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude in Istanbul erinnerten sie an das Attentat und daran, dass der Fall bis heute nicht aufgeklärt ist.

Annähernd 100 kurdische Journalisten seien in den 1990er Jahren unter nicht geklärten Umständen ermordet worden, sagt Hakki Boltan, Sprecher der von kurdischen Medienschaffenden gegründeten Initiative Freier Journalisten. "Schon damals hat man versucht, den kurdischen Journalismus zum Schweigen zu bringen", sagt Boltan, "doch es ist ihnen damals nicht gelungen und es wird ihnen weiterhin nicht gelingen."

Özgür Ülke war einer der vielen Titel, unter denen die Macher der "Özgür Gündem" (Freie Tagesthemen) publizierten. Seit ihrer Gründung 1992 wurden ihre Zeitungen mehrfach geschlossen und immer wieder unter neuem Namen gegründet. Als aktuelles Nachfolgemedium gilt die kürzlich gegründete "Yeni Yaşam" (Neues Leben).

In einer der letzten Ausgaben titelte "Özgür Gündem": "Wir werden uns nicht beugen"Bild: picture-alliance/dpa/S. Suna

Seit dem Putschversuch nimmt der Druck zu

In den vergangenen 24 Jahren ließ der türkische Staat 35 Zeitungen schließen. Vor allem nach dem Putschversuch im Juli 2016 hat die Regierung mehrere Notstandsdekrete erlassen, auf deren Basis etliche kurdische Medien verboten und geschlossen wurden. Allein Ende 2016 wurden nach Angaben von Experten knapp 140 Medienunternehmen geschlossen. 2300 Journalisten verloren ihre Arbeit.

Im September 2016 brachte man so von einem Tag auf den anderen zwölf TV- und elf Radiosender zum Schweigen. Darunter "Zarok TV" - ein Fernsehsender, der ausschließlich Zeichentrickfilme auf Kurdisch ausstrahlte. "Zarok TV" durfte zwar nach einiger Zeit wieder senden, allerdings nur unter Auflagen. 40 Prozent der Sendungen müssen in türkischer Sprache ausgestrahlt werden, und das Programm muss "die türkische Kultur widerspiegeln".

Ein anderes Medium, das kurz nach dem Putschversuch geschlossen wurde, war die Nachrichtenagentur "Jin Haber Ajansi". In der "JINHA" arbeiteten ausschließlich Frauen. Unter ihnen die kurdische Künstlerin und Journalistin Zehra Dogan. Sie wurde bereits in den Tagen des Putschversuchs vorübergehend inhaftiert und wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt. 2017 wurde sie zu acht Jahren und neun Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Aus Protest gegen ihre Haftstrafe malte der englische Künstler Banksy ein Bild von Zehra Dogan an eine Mauer in New York.

Banksys Protest gegen die Haft der kurdischem Journalistin Zehra Dogan in New YorkBild: reuters/A. Espinal

Nur wenige beschuldigte Journalisten haben so prominente Unterstützer. Die Türkei ist das Land mit den meisten inhaftierten Journalisten. In diesem Jahr wurden von Januar bis November 132 Journalisten festgenommen, 60 inhaftiert und vier Medienunternehmen geschlossen. Nach Angaben von Journalistenorganisationen sitzen derzeit mehr als 150 Journalisten in der Türkei hinter Gittern. Viele werden der Terrorpropaganda beschuldigt. Dafür kann es in der Türkei genügen, über kurdische Themen zu berichten, ohne die offizielle Sprache der Regierung in Ankara zu verwenden.

"Kein Sender, der sich an das kurdische Publikum wendet, bekommt heute noch eine Sendelizenz. Keine Internetseite erhält die Erlaubnis, online zu gehen", sagt Boltan von der "Initiative Freier Journalisten". Das habe begonnen, nachdem die türkische Regierung die Friedensverhandlungen mit der PKK beendet habe, sagt Boltan. "Die Menschen können höchstens noch die TV-Sender gucken, die über die Satelliten aus dem Ausland ausstrahlen."

Nicht nur kurdische Medien sind betroffen

Doch die Attacken des Staates treffen nicht nur die kurdischen Medien. Vor allem im Osten des Landes betreffe die Repression alle Medien, die nicht unter der Kontrolle der AKP stünden, sagt Faruk Eren, Vorsitzender der Gewerkschaft für Arbeit und Medien der Konföderation der Revolutionären Arbeitergewerkschaft der Türkei (DISK). Mit diesem Vorgehen wolle man richtige und objektive Berichterstattung aus dieser Region verhindern. "Die Menschen haben keine Möglichkeiten mehr, Nachrichten aus dem Osten der Türkei zu erhalten. Wir erfahren nicht, was in den Regionen geschieht, in denen gekämpft wird. Die gleichgeschalteten Mainstream-Medien bringen sowieso nur das, was die Regierung will", sagt Eren.

Und die Repression treffe nicht nur die Medienschaffenden selbst. "Am 6. Mai 2016 begann eine Kampagne zur Solidarisierung mit der Zeitung Özgür Gündem, weil die Ausgaben immer wieder per gerichtlicher Anweisung eingesammelt und zensiert wurden", so Eren. Daraufhin habe die Polizei die Zeitung zum bisher letzten Mal geschlossen. Viele Journalisten und Akademiker, die sich für die Zeitung einsetzten, wurden verklagt. "Fünf von ihnen wurden zu Haftstrafen zwischen 1,5 bis vier Jahren verurteilt", sagt Eren.

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