1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Säkularismus adé?

26. April 2016

Was lange als unantastbar galt - die von Kemal Atatürk eingeführte Gewaltenteilung von Staat und Religion in der türkischen Verfassung - wird auf einmal in Frage gestellt. Die Opposition ist entsetzt.

Deutschland Türkei Recep Erdogan in Karlsruhe
Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Der türkische Parlamentspräsident Ismail Kahraman will eine islamische Verfassung für die Türkei. "Wir sind ein muslimisches Land. Deshalb brauchen wir eine religiöse Verfassung", sagte der AKP-Politiker laut Medienberichten bei einer Konferenz in Istanbul. Für Säkularismus sei indes kein Platz. "Warum sollten wir uns als muslimisches Land von der Religion distanzieren?", wird Kahraman zitiert.

Parlamentspräsident Kahraman ist federführend bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung, die nach Angaben der Regierung auf den europäischen Menschenrechtsstandards basieren soll. Die AKP verfügt im Parlament über 317 der 550 Sitze. Um ihren Verfassungsentwurf einem Referendum zu stellen, benötigt sie 330 Stimmen.

Parlamentspräsident Ismail Kahraman will eine islamische VerfassungBild: Imago/Xinhua/M. Kaya

Opposition widerspricht

Der Vorsitzende der Oppositionspartei CHP, Kemal Kilicdaroglu, widersprach vehement. Der vom Staatsgründer der modernen Türkei Mustafa Kemal Atatürk eingeführte Säkularismus sei wichtig, damit jeder frei seine Religion ausüben könne, teilte Kilicdaroglu über den Internet-Kurzbotschaftendienst Twitter mit.

Mustafa Kemal Atatürk hat den säkulären Staat in der Türkei eingeführtBild: picture-alliance/dpa

AKP-Chef und Präsident Recep Tayyip Erdogan plant bereits seit längerem eine Änderung der Verfassung. Zwar hat die AKP im Parlament die absolute Mehrheit, dennoch fehlt ihr die für eine Änderung der Verfassung erforderliche Mehrheit. Die Oppositionsparteien lehnen das von Erdogan vorgeschlagene Präsidialsystem ab, sie werfen ihm schon jetzt ein Abgleiten in eine autoritäre Herrschaft vor.

Die derzeitige Verfassung enthält keine Staatsreligion und beruft sich auch nicht auf Allah. Die meisten Türken sind sunnitische Muslime, dazu kommen etwa 20 Prozent Aleviten. Außerdem leben in der Türkei etwa 100.000 Christen und 17.000 Juden.

as/se (afp, kna)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen