Türkei soll sich zu Genozid bekennen
15. April 2015Mit breiter Mehrheit haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments für die entsprechende Resolution gestimmt, die die Regierung in Ankara zu diesem Schritt "ermutigt". Der 100. Jahrestag der damals begangenen Verbrechen sei eine bedeutende Gelegenheit, die Vergangenheit aufzuarbeiten, heißt es darin. Unter anderem solle die türkische Regierung ungehinderten Zugang zu Archiven ermöglichen. Und weiter: Die Anerkennung der Ereignisse als "Völkermord" solle den Weg für eine "aufrichtige Aussöhnung zwischen dem türkischen und dem armenischen Volk" bereiten.
Türkei zeigt sich unbeeindruckt
Als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches lehnt die Türkei ab, die Ereignisse von damals als Genozid zu bezeichnen. Schon im Vorfeld hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Bedeutung der Resolution als unbedeutend abgetan. Vor Journalisten in Ankara erklärte er: "Das geht bei uns an einem Ohr rein und am anderen wieder raus." Die Türkei habe "keine solche Sünde, kein solches Verbrechen" begangen.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Europaparlament, Knut Fleckenstein, sagte dazu in Brüssel, die Aufarbeitung der eigenen Geschichte sei eine Grundlage für eine respektvolle und vertrauenswürdige internationale Zusammenarbeit. "Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen an die heutige politische Führung, sehr wohl aber um die Übernahme von Verantwortung."
EU-Parlament spricht seit Jahren von Völkermord
Nach Angaben von Armenien war der Tod von bis zu 1,5 Millionen Landsleuten während des Ersten Weltkriegs Ergebnis einer gezielten Vernichtungskampagne des Osmanischen Reiches. Die Türkei, die in die EU aufgenommen werden will, geht von deutlich weniger Toten aus. Armenier gedenken am 24. April der Massaker an ihrem Volk vor 100 Jahren. Das Europäische Parlament war 1987 nach eigenen Angaben die erste größere internationale Organisation, die die Ereignisse im Jahr 1915 als Völkermord bezeichnet hat.
Der deutsche EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) sagte in Brüssel, es gebe eine moralische Verpflichtung Gräueltaten anzuerkennen. Es könne "keine Verleugnung der historischen Wirklichkeit" geben, sagte die Vize-Präsidentin der EU-Kommission, Kristalina Georgieva. Sie räumte aber ein, dass es unter den Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Haltung zu der Frage gebe, ob bei den Armeniern von "Völkermord" gesprochen werden solle.
Papst verärgert die Türkei
Am Wochenende hatte Papst Franziskus die Türkei zutiefst verärgert, indem er die Armenier als Opfer des ersten Genozids des 20. Jahrhunderts bezeichnete. Diese Äußerung unterstützten die Europaparlamentarier in ebenfalls verabschiedeten Ergänzungen zu der Resolution. Er habe sich im Geiste des Friedens und der Versöhnung geäußert, heißt es dort zu Worten des katholischen Kirchenoberhaupts.
uh/qu (dpa,afp)