1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Türkei stoppt Handel mit Israel – was nun?

Burak Ünveren | Pelin Ünker
8. Mai 2024

Israel und die Türkei genossen bis vor kurzem hervorragende Handelsbeziehungen - trotz der politischen Ressentiments. Die Türkei könnte sich mit dieser Entscheidung selbst schaden.

Türkische und israelische Flaggen
Die israelische Zentralbank betrachtete die Türkei noch im Herbst 2023 als "wichtigsten Exportpartner Israels in der Region"Bild: Evrim Aydin/AA/picture alliance

"Die intensiven Handelsbeziehungen halten wir nicht mehr am Laufen. Die Sache ist vorbei." Mit einem Lächeln antwortete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan so vor rund zwei Wochen beim Staatsbesuch des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auf die Frage der DW nach dem Stand der Beziehungen zu Israel.

Zu diesem Zeitpunkt galt noch die vage Ansage, die Türkei werde den Export von 54 Produkten nach Israel "einschränken". Wenige Tage nach Erdogans Statement kam dann die Ankündigung des türkischen Handelsministeriums, Ankara werde seine Handelsbeziehungen mit Israel vollständig aussetzen.

Nicht mehr "problemlos"

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die beiden Länder trotz der angespannten politischen Beziehungen lukrativen Handel gepflegt.

In einem 2022 veröffentlichten Bericht des türkischen Exporteursverbands TIM wird der bilaterale Handel als der "problemloseste Bereich" zwischen den beiden Ländern beschrieben: "Der Handel zwischen der Türkei und Israel hat eine stabile, von den politischen Besorgnissen unabhängige Struktur." Davon kann nun keine Rede mehr sein.

Das Volumen des gemeinsamen Handels lag 2022 bei gut neun Milliarden US-Dollar. Israel lieferte Waren im Wert von mehr als zwei Milliarden Dollar in die Türkei. Umgekehrt beliefen sich die Exporte der Türkei nach Israel auf rund sieben Milliarden Dollar.

Im Jahr 2023 ging das gemeinsame Handelsvolumen laut Reuters dann bereits auf rund sieben Milliarden US-Dollar zurück.

Negative Aussichten für die Türkei

Wie wird sich der Handelsstopp nun auf die bereits angeschlagene türkische Wirtschaft auswirken?

Oguz Oyan, emeritierter Ökonom und ehemaliger Politiker der größten Oppositionspartei CHP (Republikanische Volkspartei) prognostiziert, dass diese Entscheidung die Suche der Türkei nach ausländischen Investitionen beeinträchtigen wird.

Die ohnehin schwierige Lage der türkischen Wirtschaft könnte sich daher noch verschlimmern: "Der Westen - also die USA und Europa - sieht Länder, die Israel sanktionieren, nicht positiv", so Oyan.

"Der Handelsstopp wird nicht nur die Beziehungen zu Israel negativ beeinflussen, sondern auch die zu den Finanzmärkten - und somit auch den Geldfluss in die Türkei."

Tourismus in Gefahr

Zu den Branchen, die durch den Handelsstopp Schaden nehmen könnten, gehört der türkische Tourismus.

Für israelische Touristen war die Türkei bisher ein populäres Reiseziel. Rund 850.000 Israelis besuchten das Land 2022, im Jahr nach dem Corona-Lockdown. 2023 waren es neun Prozent weniger.

Kritik aus Israel

Israels Außenminister Israel Katz zeigte sich nach der türkischen Entscheidung zum vollständigen Stopp der Handelsbeziehungen empört: "Erdoğan verletzt die internationalen Abkommen, indem er die Häfen blockiert. Er ignoriert die Interessen des türkischen Volkes und der türkischen Geschäftsleute. So handelt ein Diktator", sagte Katz.

Drohen rechtliche Konsequenzen? "Nein", denkt Professorin Funda Başaran Yavaşlar aus der Marmara-Universität in Istanbul, die sich auf internationales Finanzrecht spezialisiert hat.
 
Bisher habe keine der beiden Vertragsparteien Schritte unternommen, Verträge aufzulösen. Başaran ist der Meinung, dass dies so bleiben wird.
 
Eine mögliche Lösung könnte im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) gefunden werden, so Başaran. Die Länder seien beide Mitglieder und könnten von den WTO-Mechanismen profitieren.

Eine Szene, die wahrscheinlich nie wieder vorkommen wird: Tage vor dem Hamas-Angriff auf Israel lächelten Netanjahu und Erdoğan vor laufenden Kameras. Heute wirft Erdoğan Netanjahu Kriegsverbrechen vorBild: AK Party/Zuma/picture alliance

Harscher Ton seit der Wahlniederlage

Warum hat Ankara seinen Ton gegenüber Israel so verschärft? Einige Experten sehen einen Grund in Erdogans historische Niederlage bei den Kommunalwahlen am 31. März.

Gabriel Haritos, in Jerusalem ansässiger Forscher bei der griechischen Denkfabrik ELIAMEP, wertet den Handelsstopp im DW-Gespräch als "eine politische Taktik".

Ökonom Oyan sieht das ähnlich. "Im Wahlkampf hatte die AKP-Regierung Probleme wegen ihrer guten Handelsbeziehungen mit Israel." Vor laufenden Kameras hätten AKP-Politiker Israel zwar Kriegsverbrechen vorgeworfen, doch die wirtschaftlichen Beziehungen seien reibungslos weiter gelaufen. "Das hat das Wahlverhalten der islamisch-konservativen Wähler beeinflusst."

Oyan glaubt, Erdogans AKP wolle sich nach der Wahl neu aufbauen und alles wiedergutmachen. "Sie haben bei der Wahl große Verluste erlitten. Die AKP möchte ihr beschädigtes Prestige und den Vertrauensverlust in der Gesellschaft reparieren", so Oyan.

Burak Ünveren Redakteur. Themenschwerpunkte: Türkische Außenpolitik, Deutsch-Türkische Beziehungen.