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HandelTürkei

Türkei und die Golfstaaten - ein kompliziertes Verhältnis

Cathrin Schaer
17. Juli 2023

Der türkische Präsident besucht ab Montag Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Recep Tayyip Erdogan braucht Geld, um seine angeschlagene Wirtschaft zu sanieren.

Türkei | Mohammed bin Salman und Recep Tayyip Erdogan
Bis vor etwa zwei Jahren waren der türkische Präsident Erdogan (rechts) und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman nicht unbedingt FreundeBild: Ozan Kose/AFP/Getty Images

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird Anfang der Woche drei Tage lang die Arabische Halbinsel bereisen - er wird Gespräche in Saudi-Arabien, in Katar und in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) führen.

Während seines Besuchs will Erdogan milliardenschwere Geschäfte abschließen. Dabei könnte es um vieles gehen - um die Privatisierung türkischer Staatsgüter, Direktinvestitionen, Geschäfte in der Verteidigungsindustrie, Unternehmensübernahmen und Unternehmensverträge.

"Während unseres Besuchs werden wir die Gelegenheit haben, die Unterstützung, die diese Länder der Türkei zukommen lassen wollen, persönlich zu besprechen", sagte Erdogan kürzlich der türkischen Presse. Die besagten Golfstaaten hätten bereits bei früheren Gesprächen ihre Bereitschaft bekundet, Investitionen in der Türkei zu tätigen. "Ich hoffe, dass wir diese während dieses Besuchs zum Abschluss bringen können."

Man hoffe auf Direktinvestitionen in Höhe von rund zehn Milliarden Euro aus den Golfstaaten, sagten hochrangige türkische Beamte der Nachrichtenagentur Reuters. Auf lange Sicht brauche die Türkei insgesamt 25 bis 30 Milliarden Dollar.

Es geht um Geld

Bei dieser Reise von Erdogan in die Golfstaaten stehen die Finanzen im Mittelpunkt. Denn die türkische Wirtschaft ist schwer angeschlagen, Wirtschaftsexperten machen Erdogans unkonventionelle Politik dafür verantwortlich: Die Inflation ist hoch, die türkische Lira ist auf ein Rekordtief gefallen und das Haushaltsdefizit der türkischen Regierung ist jetzt schon unbeherrschbar.

Türkei: Wird Erdogan seine Wirtschaftspolitik ändern?

02:59

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Im Mai wurde Präsident Erdogan nur mit einem knappen Ergebnis wiedergewählt. Bessere Beziehungen zu den wohlhabenden Golfstaaten gelten daher als entscheidend, um die angeschlagene Wirtschaft zu sanieren und dadurch Erdogans Führungsrolle zu festigen.

Die ölreichen Golfstaaten haben bereits dazu beigetragen, die andauernde Devisenkrise der Türkei zumindest kurzfristig zu lösen: Zum einen durch einen sogenannten Währungsswap und zum anderen, in dem sie Geld direkt auf türkische Staatskonten eingezahlt haben. Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate haben der Türkei im Rahmen von Währungsswap-Vereinbarungen rund 20 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt. Erst im März hat Saudi-Arabien fünf Milliarden Dollar bei der türkischen Zentralbank eingezahlt, um die Wirtschaft zu stützen.

Noch vor drei Jahren waren die Türkei und Saudi-Arabien gegenseitig damit beschäftigt, die Einfuhren des jeweils anderen Landes zu boykottieren und Medien zu blockieren. Die Türkei hat eine lange und komplizierte Beziehung zu ihren wohlhabenden Nachbarn - von Rivalität über Entspannung bis hin zum Abbruch aller Beziehungen ist alles dabei gewesen. Erst in jüngster Zeit ist man sich nähergekommen.

Türkei und Katar - ein gutes Verhältnis

2014 hatte sich die Türkei während einer ernsthaften diplomatischen Krise Katars an dessen Seite gestellt: Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien hatten Katar wegen erbitterter Meinungsverschiedenheiten über außenpolitische Ansätze isoliert.

Man warf Katar eine zu große Nähe zum Iran und zu radikalislamischen Gruppen vor. Die Regierung in Doha hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Der diplomatische Konflikt verschärfte sich und führte dazu, dass Katar dreieinhalb Jahre ab 2017 mit einem umfassenden Embargo sanktioniert wurde. Die Sanktionen hatten das Land schwer getroffen. Die Türkei schickte damals Lebensmittel, Wasser und Medikamente und näherte sich Katar weiter an - so weit, dass dort sogar türkische Truppen stationiert wurden.

Die Katarer haben sich bei den Türken revanchiert - zum einen durch politische Unterstützung, aber auch durch Investitionen ins Land: Zwischen 2016 und 2019 sind die katarischen Investitionen in der Türkei um 500 Prozent gestiegen.

Das Verhältnis zwischen beiden Ländern wird häufig als ideologisch und politisch motiviert beschrieben. Doch Experten des in Den Haag ansässigen Thinktanks Clingendael bezeichnen die Beziehung zwischen Doha und Ankara eher als eine Art "Vernunftehe". 

Türkische Bayraktar TB2-Drohnen - beliebt in den Vereinigten Arabischen EmiratenBild: Emrah Yorulmaz/AA/picture alliance

Die militärische Durchsetzungsfähigkeit der Türkei "bietet Katar den Schutz, den es braucht, um eine eigenständige Außenpolitik aufrechtzuerhalten, die dem Druck aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten standhalten kann", erklärten die Experten. Für die Türkei ist die Partnerschaft mit Katar eine Möglichkeit, "ihr Streben nach einer Soft-Power-Führung in der sunnitischen Welt" zu fördern.

Finanzielle Freundschaft zu den VAE

Auch die diplomatischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Türkei waren stark belastet, als sich die Türkei im Streit mit den Golfstaaten auf die Seite Katars gestellt hatte. Doch als Katar 2021 wieder in den diplomatischen Schoß der Golfstaaten aufgenommen wurde, konnte die Türkei ihr Verhältnis zu den ehemaligen Gegnern Saudi-Arabien und den VAE verbessern.

Drei Tage nach Erdogans Wahlsieg im Mai haben die Türkei und die VAE ein Handelsabkommen unterzeichnet, das in den kommenden fünf Jahren einen Wert von etwa 40 Milliarden Dollar haben könnte.

Auch die Zusammenarbeit und der Verkauf von Verteidigungsgütern werden immer wahrscheinlicher. Ende 2022 sollen die VAE mit dem Kauf von bis zu 120 türkischen Bayraktar-TB2-Drohnen geliebäugelt haben, die pro Stück etwa auf einen Wert von fünf Millionen Dollar geschätzt werden. Zwanzig dieser Drohnen wurden im vergangenen November bereits an die VAE ausgeliefert.

Türkei und Saudi-Arabien - Beziehung wie eine "Achterbahnfahrt"

"Die Türkei und Saudi-Arabien sind seit jeher bedeutende regionale Konkurrenten, die um Einfluss und Führung wetteifern", schrieb Sinem Cengiz von der Universität Katar in einer Analyse für das Gulf International Forum im Mai. Seit der Jahrtausendwende ließen sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern am besten mit einer "Achterbahnfahrt" beschreiben, so Cengiz.

Die Türkei verfügt nach den USA über die zweitgrößten ständigen Streitkräfte in der NATO - für Katar von VorteilBild: Fatih Aktas/AA/picture alliance

Im Zuge der Aufstände im sogenannten Arabischen Frühling hatten sich die Türkei wie auch Katar in verschiedenen Ländern auf die Seite der Regierungsgegner gestellt – in Syrien zum Beispiel. Saudi-Arabien, aber auch andere Golfstaaten befürchteten, "dass die Türkei aggressive Absichten haben könnte und dass sie versucht, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen und ihren Einfluss in der arabischen Welt auszuweiten", erklärte Saban Kardas, Professor für internationale Beziehungen an der TOBB-Universität für Wirtschaft und Technologie in Ankara, Ende 2021 in einer Analyse. "Sie haben darin eine Art neoimperialistischen Ansatz gesehen und haben beschlossen, die Türkei als destabilisierendes Element zu sehen."

Als 2018 der saudische Dissident Jamal Khashoggi auf grausame Art und Weise im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet wurde, führte dies fast zu einem vollständigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Bis 2020 riefen saudische Geschäftsleute zum Boykott von in der Türkei hergestellter Waren auf. Im selben Jahr verboten beide Länder Medien, die dem jeweils anderen Land gehörten.

Die Tatsache, dass die Türkei auch innerhalb der islamischen Welt immer mehr zu einem Meinungsführer wurde, hat die Führung in Riad ebenfalls verärgert. Diese Rolle wird traditionell von Saudi-Arabien eingenommen - das Königreich gilt als weltweiter Anführer der sunnitisch-muslimischen Gemeinschaft.

Saudi-Arabien investiert in die Türkei

Trotz der langjährigen Rivalität hat sich die Feindschaft im letzten Jahr aber etwas gelegt. Saudi-Arabien, die größte Volkswirtschaft unter den Golfstaaten und eine der reichsten Nationen der Welt, weiß, dass wirtschaftliche Beziehungen zur Türkei beiden Ländern erhebliche Möglichkeiten eröffnen.

Die Ermordung von Jamal Khashoggi in Istanbul 2018 hat die Beziehungen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien erheblich verschlechtertBild: Emrah Gurel/AP Photo/picture alliance

Daher ist der saudische Handel mit der Türkei von allen Golfstaaten im Vergleich am schnellsten gewachsen. 2022 lag das Handelsvolumen zwischen Saudi-Arabien und der Türkei bei 6,5 Milliarden Dollar. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 erreichte der bilaterale Handel bereits 3,4 Milliarden Dollar, wie die regierungsnahe türkische Zeitung Daily Sabah diese Woche berichtete.

Im Juni berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass sich der staatlich kontrollierte saudi-arabische Ölkonzern Saudi Aramco mit etwa 80 verschiedenen türkischen Unternehmern in Ankara getroffen hat, um in den nächsten fünf Jahren an potenziellen Projekten im Wert von 50 Milliarden Dollar zu arbeiten.

Experten gehen davon aus, dass der sich entwickelnde türkische Verteidigungssektor auch für Riad von Interesse sein könnte. Das Königreich am Golf hat bisher noch keine Bayraktar-Drohnen aus der Türkei gekauft, könnte aber durchaus daran interessiert sein. Es wird auch darüber spekuliert, dass das türkische Militär mit seiner modernen Marine Aufgaben wie die Überwachung von Öltransportrouten übernehmen könnte.

 

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

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