Türkei und PKK: 41 Jahre blutiger Konflikt gehen zu Ende
12. Mai 2025
Die kurdische Arbeiterpartei PKK hat angekündigt, ihre organisatorische Struktur aufzulösen und den bewaffneten Kampf zu beenden. Jahrzehntelang führte sie einen bewaffneten Konflikt mit dem türkischen Staat – nun folgte sie einem Aufruf ihres inhaftierten Anführers Abdullah Öcalan.
In einer Erklärung teilte die PKK mit, ein außerordentlicher Kongress vom 5. bis 7. Mai sei zu dem Schluss gekommen, dass der jahrzehntelange Widerstand die Politik der "Verleugnung und Vernichtung" gegenüber den Kurden durchbrochen habe.
Man befinde sich nun auf dem Weg zu einer politischen Lösung. Damit, so die Organisation, sei ihre historische Mission erfüllt. Der Kongress habe daher beschlossen, die unter der Leitung Abdullah Öcalans stehenden Strukturen der PKK aufzulösen und den bewaffneten Kampf offiziell zu beenden. Auch die Aktivitäten unter dem Namen PKK sollen eingestellt werden.
Den Weg ebnete die ultranationalistische MHP
Einen entscheidenden Impuls für diesen historischen Schritt gab im Oktober 2024 ausgerechnet Devlet Bahçeli, der Vorsitzende der ultranationalistischen MHP. Für Aufsehen sorgte er, als er im Parlament den Abgeordneten der der pro-kurdischen DEM-Parteidie Hand schüttelte – und dies als "vollkommen normal für eine Partei der Einheit in der Türkei" bezeichnete.
Wenig später, am 15. Oktober, wandte sich Bahçeli mit einem beispiellosen Appell an den inhaftierten PKK-Anführer Abdullah Öcalan: Er solle die Organisation zur Niederlegung der Waffen bewegen.
Nur eine Woche später forderte Bahçeli Öcalan sogar auf, die Auflösung der PKK öffentlich im Parlament zu verkünden. "Das Problem der Türkei sind nicht die Kurden, sondern die separatistische Terrororganisation. Er soll ins Parlament kommen und laut sagen, dass die PKK aufgelöst wird", sagte Bahçeli.
Für einen ultranationalistischen Anführer wie ihn war ein solcher Vorstoß historisch einmalig.
Zwei Tage später reagierte Öcalan aus dem Gefängnis: "Ich habe die Macht, den Konflikt und die Gewalt zu beenden und sie auf eine gesetzliche und politische Ebene zu bringen."
In der Folge suchten kurdische Politiker das Gespräch mit unterschiedlichen politischen Akteuren – darunter auch mit Präsident Erdogan und seinem Umfeld. Am 27. Februar rief Öcalan, der seit Jahren im Hochsicherheitsgefängnis auf der Insel İmralı inhaftiert ist, schließlich erstmals dazu auf, die PKK solle sich auflösen. Nach Jahrzehnten des blutigen Konflikts rief er seine Anhänger auch dazu auf, die Waffen niederzulegen.
In den vergangenen Monaten übernahmen DEM-Politiker eine zentrale Rolle im Friedensprozess und fungierten gewissermaßen als Vermittler Öcalans. Präsident Recep Tayyip Erdogan nutzte die Entwicklung aber für sich. Die Regierung präsentierte die nun angekündigte Auflösung der PKK als ihren eigenen Beitrag zu einer "terrorfreien Türkei.
Wer war die PKK?
Der gesellschaftliche Frieden zwischen Türken und Kurden ist ein dauerhaftes Thema in der Türkei. Seit Jahrzehnten fordern viele Kurden mehr kulturelle und politische Rechte vom zentralistisch organisierten türkischen Staat, der solche Forderungen oft als Bedrohung für die nationale Einheit betrachtet.
Schätzungen zufolge machen Kurden etwa 15 bis 20 Prozent der türkischen Bevölkerung aus. Während sie im ganzen Land leben, befinden sich die größten kurdischen Gemeinschaften im Südosten. Auch in den Nachbarstaaten Syrien, Irak und Iran leben bedeutende kurdische Minderheiten. Im Irak verfügen die Kurden mit der Autonomen Region Kurdistan über einen semi-autonomen Status. In Nordsyrien kontrollieren kurdisch dominierte Kräfte (SDF) bestimmte Gebiete.
In der Türkei vertraten bis jetzt vor allem zwei Akteure kurdische Interessen: die Partei für Gleichheit und Demokratie der Völker (DEM-Partei), die auf eine politische Lösung setzt und im Parlament vertreten ist, sowie die PKK, eine marxistisch-leninistisch geprägte Organisation mit bewaffnetem Arm, die sich selbst als Guerillabewegung verstand.
Die Ziele der PKK
Die 1978 gegründete PKK begann 1984 mit einem bewaffneten Aufstand gegen den türkischen Staat – ein Konflikt, den Politikwissenschaftler teils als "Krieg niedriger Intensität" einstufen. Der jahrzehntelange Kampf forderte auf beiden Seiten zahlreiche zivile und militärische Opfer. Tausende Zivilisten kamen bei Anschlägen der PKK ums Leben. Die Organisation wird von der Türkei, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft.
Ursprüngliches Ziel der PKK war die Gründung eines unabhängigen kurdischen Staates. Seit Mitte der 1990er-Jahre verfolgte sie jedoch vor allem das Ziel regionaler Autonomie und kultureller Rechte für die Kurden innerhalb der Türkei. Die Forderung nach Unabhängigkeit hat sie weitgehend zugunsten eines Systems der Selbstverwaltung aufgegeben.
Schätzungen zufolge verfügte die PKK über eine Unterstützerbasis von rund 60.000 Personen – darunter Kämpfer, Sympathisanten und zivile Helfer. Ihr zentrales Rückzugsgebiet lag in den Kandil-Bergen im Nordirak, von wo aus sie militärische Operationen und Logistik organisierte.
PKK-Gründer Abdullah Öcalan sitzt seit 1999 in Haft. Noch im selben Jahr wurde er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Nachdem die Türkei 2002 die Todesstrafe abschaffte, wurde das Urteil in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Trotz seiner Inhaftierung übte Öcalan weiterhin erheblichen Einfluss auf die PKK aus – vor allem über öffentliche Botschaften, die über Anwälte oder Mittelsmänner verbreitet werden.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Initiativen zur Beilegung des Konflikts. Besonders in den frühen Jahren der AKP-Regierung wurden kurdische Rechte ausgeweitet – etwa durch muttersprachlichen Unterricht oder staatliche kurdischsprachige Medien. Ein dauerhafter Frieden aber konnte nicht erreicht werden – bis heute.
Kriminalisierung der kurdischen Politik
In den vergangenen zehn Jahren hat die Regierung unter Präsident Erdoğan die kurdische Politik zunehmend kriminalisiert. Die DEM-Partei und ihre Vorgängerparteien wurden immer wieder mit der PKK in Verbindung gebracht – obwohl sie sich offiziell für eine friedliche Lösung einsetzten und sich von der PKK distanzierten.
Zahlreiche kurdische Politiker – darunter auch der ehemalige HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtaş – sitzen heute wegen Terrorismusvorwürfen in Haft. Einige HDP-Abgeordnete, wie Ömer Öcalan, ein Neffe des PKK-Gründers, haben familiäre Verbindungen zur Organisation.