Streit um Überflugrechte
14. Oktober 2012Was als Grenzkonflikt begann, ist mittlerweile auch zu einem Streit um Überflugrechte geworden: Seit Samstag (13.10.2012) ist der syrische Luftraum für türkische Flugzeuge Tabu: Die Flieger dürfen Syrien weder überfliegen, noch dort landen. Die Türkei reagierte ihrerseits mit der Sperrung ihres Luftraumes für syrische Flugzeuge.
Am Mittwoch hatte die türkische Regierung ein syrisches Passagierflugzeug, das in Moskau gestartet war, zur Landung gezwungen. Der türkische Geheimdienst habe Informationen über verdächtige Fracht gehabt, hieß es aus Ankara. Der Airbus A-320 wurde daraufhin von türkischen F-16-Kampfflugzeugen abgefangen. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan bestätigte schließlich den Fund "militärischer Güter", doch die russische Regierung weist die Beschuldigungen nach wie vor zurück. Es habe sich um eine legale Lieferung von Radarteilen gehandelt, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow.
Bei einem Besuch in der Türkei zeigte Bundesaußenminister Guido Westerwelle Verständnis für das Vorgehen des NATO-Partners. "Die Türkei muss nicht erdulden, dass Waffen durch den eigenen Luftraum nach Syrien geschafft werden", sagte er. "Wenn eine solche Lage für uns Deutsche eingetreten wäre, hätten wir genauso gehandelt." Gleichzeitig mahnte Westerwelle die Konfliktparteien aber zur Besonnenheit.
Internationales Abkommen erlaubt Transitflüge
"Der Luftraum über einem Staatsgebiet gehört zu diesem Staatsgebiet", so Elmar Giemulla, Luftrechtexperte an der Technischen Universität Berlin im Gespräch mit der Deutschen Welle. Nach internationalem Recht darf der betroffene Staat bestimmen, wer sein Territorium überfliegen darf und mit welcher Ladung an Bord - ziviler oder militärischer. Dies ergebe sich aus dem Souveränitätsgedanken der Staaten. "Natürlich kann jeder Staat auch darüber verfügen, wie weit er diese Rechte freigibt."
Eigentlich sind Syrien und die Türkei 1944 einem Abkommen beigetreten, das den Unterzeichnern Durchflüge ohne gesonderte Genehmigung erlaubt - allerdings nur zu zivilen Zwecken, wie Marcus Schladebach, Experte für Luft- und Weltraumrecht an der Universität Kiel, erläutert. Im Fall der abgefangenen syrischen Maschine sei daher die Kernfrage, ob es sich bei den beschlagnahmten Radarteilen tatsächlich um militärisches oder doch um ziviles Gerät handele. Sollte die Maschine tatsächlich militärische Ladung an Bord gehabt haben, falle der Flug nicht unter das Abkommen und hätte somit einer vorherigen Genehmigung bedurft.
Keine Waffengewalt gegen Passagiermaschinen
Wenn ein Flugzeug unerlaubt in den Luftraum eines Staates eindringt, gibt es eine Reihe von Gegenmaßnahmen, die das betroffene Land ergreifen kann: Zunächst wird es das Flugzeug über Funk kontaktieren. Dann können Abfangjäger geschickt werden, die dem Piloten der unerwünschten Maschine zu erkennen geben, dass er den Luftraum verlassen oder den Kampfjets folgen soll. Erst wenn die Mannschaft darauf nicht reagiert, kann ein Flugzeug abgedrängt und zur Landung gezwungen werden - wie im Falle der syrischen Maschine. "An der Stelle wird es natürlich kritisch", sagt Elmar Giemulla von der TU Berlin. Je nachdem, wie widerwillig die Mannschaft des Flugzeuges sei, könne es dann gefährlich werden. Auch sei nicht bekannt, ob die Türkei tatsächlich alle anderen Maßnahmen ergriffen hat, bevor sie den Airbus abfing.
Waffen dürfen aber gegen Passagierflugzeuge nicht verwendet werden, so der Kieler Experte Schladebach. Das Verbot erging im Zusammenhang mit dem Abschuss eines koreanischen Jumbojets 1983. Das Passagierflugzeug war vom Kurs abgekommen und von russischen Abfangjägern über der sowjetischen Insel Sachalin abgeschossen worden. Es wurde irrtümlicherweise für ein Spionageflugzeug gehalten. Alle 269 Menschen an Bord kamen dabei ums Leben.
Militär darf auch abgeschossen werden
Bei militärischen Flugzeugen und Hubschraubern gilt das Abschuss-Verbot nicht, sagt Elmar Giemulla. "Die darf ich abschießen, sobald sie unerlaubter Weise in meinen Luftraum eindringen." Allerdings müsse auch das im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geschehen. Auch im internationalen Luftraum, also über der hohen See, außerhalb des Souveränitätsgebietes eines Staates, gelte dieser Grundsatz.
Im Juni hatte Syrien einen türkischen Kampfjet abgeschossen, der vermeintlich in syrischen Luftraum eingedrungen war. Es war der Auftakt für den sich in den vergangenen Wochen immer weiter zuspitzenden Konflikt zwischen der syrischen Regierung und der Türkei, dem einstigen Verbündeten des Assad-Regimes, der inzwischen aber auf Seiten der Opposition steht. Am Freitag drängten türkische Kampfjets dann im Grenzgebiet einen syrischen Militärhubschrauber ab.
Angesichts der Sperrung des syrischen Luftraums müssen türkische Fluglinien nun Umwege über andere Länder in Kauf nehmen. Für alle anderen Airlines gelten die Luftraumsperrungen aber nicht.