1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Türkei will EU-Beitritt bis 2023

19. August 2016

Zentrale Aktionsplattform für Islamisten - oder würdiger EU-Kandidat? Selbst- und Fremdwahrnehmung klaffen in Ankara weit auseinander. Der türkische EU-Botschafter träumt von der "Krönung" für sein Land.

Türkei Türkischer Polizist bewacht die Bilgi Univerität
Bild: Getty Images/AFP/C. Turkel

Ungeachtet der schweren Krise nach dem Putschversuch wünscht die Türkei, innerhalb der nächsten sechs Jahre Mitglied der Europäischen Union zu werden. "Die türkische Regierung will der EU vor dem Jahr 2023 beitreten", sagte der türkische EU-Botschafter Selim Yenel der Zeitung "Die Welt". Er verwies darauf, dass die türkische Republik im Jahr 2023 hundert Jahre alt werde. "Es wäre die Krönung für mein Land, dann Mitglied der Europäischen Union zu sein", sagte der türkische Diplomat.

Sein Land ziele dabei auf eine "vollwertige Mitgliedschaft" ab, sagte Yenel. "Für uns wäre es langfristig nicht akzeptabel, nicht zur EU zu gehören. Der EU-Beitritt ist sehr wichtig für uns." Eine EU-Mitgliedschaft würde nach Einschätzung Yenels die Standards in der Türkei in allen Bereichen erhöhen - in politischen und wirtschaftlichen Fragen, aber auch beim Verbraucher- und Gesundheitsschutz.

"Wir brauchen Garantien"

Mit Blick auf die geplante Visa-Liberalisierung verlangte der Botschafter Garantien von Seiten der EU: "Wir haben große Zweifel, dass die EU die Visumpflicht für Türken wirklich aufheben wird, wenn wir alle dazu notwendigen 72 Bedingungen erfüllt haben", sagte er. "Wir müssen sicher sein können, dass alle EU-Institutionen einem visumfreien Reiseverkehr für türkische Bürger am Ende auch zustimmen."

Wunschzettel zum 100. Geburtstag der Republik: Der türkische EU-Botschafter Selim Yenel (Archivbild)Bild: European Union/Georges Boulougouris

Der Visa-Streit hat Auswirkungen auf den Flüchtlingspakt zwischen der Europäischen Union und der Türkei. Das im März geschlossene Abkommen sieht vor, dass die Türkei alle auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurücknimmt, die nicht in Griechenland um Asyl bitten oder deren Antrag unbegründet ist. Für jeden Syrer, der aus der Türkei nach Griechenland kam und wieder zurückgeschickt wurde, soll ein Flüchtling aus Syrien direkt aus der Türkei in die EU gelangen. Im Zuge des Abkommens wurde Ankara auch eine Aufhebung des Visazwangs in Aussicht gestellt.

Repressionen nach dem Putschversuch

Die Voraussetzungen dafür sehen viele EU-Politiker allerdings nicht gegeben. Unter anderem wird verlangt, dass die Türkei ihre Anti-Terror-Gesetze abschwächt. Das repressive Vorgehen der Behörden nach dem Putschversuch und die von der Regierung in Ankara erwogene Wiedereinführung der Todesstrafe haben die Bedenken verstärkt. Die Türkei droht ihrerseits damit, das Flüchtlingsabkommen platzen zu lassen, falls der Vizazwang nicht fällt.

Für neuen Zündstoff hatte dieser Tage eine als vertraulich eingestufte Analyse aus dem Bundesinnenministerium gesorgt, wonach die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan seit Jahren islamistische und als terroristisch eingestufte Organisationen unterstützt. Ankara hatte dies vehement zurückgewiesen.

Merkel will die Wogen glätten

Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht derweil, die Wogen zu glätten. Trotz der aktuellen Misstöne sieht sie "eine besondere Verbindung" zwischen Deutschland und der Türkei. "Das wird auch so bleiben", sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Was das deutsch-türkische Verhältnis besonders macht, sind die über drei Millionen türkischstämmigen Menschen, die in Deutschland leben." Zwar gebe es auch enttäuschende Beispiele offenbar nicht gelungener Integration. "Andererseits wäre es ganz falsch, davon auf alle drei Millionen Türkischstämmigen in Deutschland zu schließen", so die Kanzlerin.

Angespannte Lage: Polizisten in Istanbul, einen Tag nach dem Putschversuch im JuliBild: Getty Images/B. Kara

Auch gegenüber der Türkei gelte: "Ein gutes Verhältnis ist einem angespannten vorzuziehen, und in diesem Geist führe ich die Gespräche mit Präsident Erdogan", sagte Merkel in dem Interview. Der versuchte Putsch mit vielen Todesopfern sei für die Türkei ein schlimmer Einschnitt gewesen. Die Regierung in Ankara sei als NATO-Mitglied ein wichtiger Partner und für die Lösung etwa des Syrien-Konflikts wichtig. Die Türkei habe drei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. "Das ist eine große Leistung. Sie ist damit das Land, das den größten Beitrag zur Lösung der humanitären Katastrophe von Syrien leistet", sagte Merkel.

Trittin: Türkei vergrößert das Flüchtlingsproblem

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin fordert hingegen eine härtere Haltung gegenüber Ankara. Er sieht den Flüchtlingspakt mit der Türkei skeptisch. "Die Bundesregierung muss sich klarmachen, dass die reale Politik der Türkei gerade dabei ist, das Flüchtlingsproblem eher zu vergrößern", sagte er der "Nordwest-Zeitung". Das fange in Libyen an, gelte aber auch für die Türkei im Innern. "Der Abbau demokratischer Rechte, die willkürlichen Verhaftungen, die Eskalation im Kampf gegen die Kurden - wenn das anhält, werden auch Menschen aus der Türkei in die EU fliehen", so Trittin.

jj/sti (dpa, afp, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen