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Politik

Türkei-Krise: Weniger deutsche Touristen

Diego Cupolo
27. Juli 2017

Wegen der politischen Spannungen zwischen Berlin und Ankara reisen immer weniger Deutsche in die Türkei. Dort bemüht man sich stattdessen um Touristen aus Nahost, berichtet Diego Cupolo aus Antalya.

Türkei - Tourismus in Antalya
Bild: DW/D. Cupolo

Dramatisch erheben sich die Berge aus dem türkisfarbenem Meer, das von weiten Sandstränden gesäumt wird. Die Mittelmeerküste der Türkei schien einmal Welten entfernt von den politischen Vorgängen in Ankara. Die Region, die auch als türkische Riviera bekannt ist, zog noch vor zwei Jahren europäische Touristen in Scharen an.

Doch damit ist es seit den diplomatischen Auseinandersetzungen zwischen der EU und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorbei.

Necmettin Can Gulseven sitzt an einem von vielen leeren Tischen in der Dem-Lik Café Bar im Herzen Antalyas, der wichtigsten Stadt in der Region. Der Geschäftsführer sagt, es sei schon eine Weile her, dass er größere Gruppen von Europäern in seinem Viertel gesehen habe.

"Vor einigen Jahren waren jeden Abend 15 Tische mit Europäern, hauptsächlich Deutschen besetzt", erzählt er der DW. "Aber letzten Freitagabend hatten wir nur drei Tische mit Europäern belegt. Das ist schlecht, wenn man bedenkt, dass jetzt Hauptsaison ist."

Gulseven sagt, der Hauptgrund dafür sei die sich verschlechternde Sicherheitssituation seit dem Putschversuch letztes Jahr, dem zahlreiche Terroranschläge folgten. Aus Sicherheitsgründen, sagt der Bar-Manager, gingen Spezialkräfte auf Streife durch den historischen römischen Hafen, in dem sich sein Café befindet. Das verstöre die Touristen.

"Manchmal schaut die Polizei abends bei uns in der Bar vorbei", sagt Gulseven. "Sie machen nichts, schauen nur, wer da ist, aber es fühlt sich an, als ob sie eine Razzia durchführen würden. Auch wenn unsere Kunden nichts zu verbergen haben, werden sie nervös und gehen sofort, nachdem die Polizisten wieder weg sind."

Ein möglicher weiterer Schlag für die türkische Tourismusindustrie: Die deutsche Regierung hat ihren Bürgern von Reisen privater und geschäftlicher Art in die Türkei abgeraten. Außenminister Sigmar Gabriel sagte, für die Sicherheit deutscher Touristen in der Türkei könne nicht garantiert werden, nachdem der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner Anfang Juli in der Türkei verhaftet worden war.

Vor zwei Jahren wären diese Tische in Gulsevens Bar belegt gewesenBild: DW/D. Cupolo

Die Reisewarnung könnte verheerende Konsequenzen haben, da Deutsche die größte Touristengruppe in der Türkei ausmachen. Im letzten Jahr kamen 15 Prozent der Touristen aus Deutschland. Seit 2014 sinkt die Zahl europäischer Gäste in der Türkei. Der Tourismus macht in der Türkei 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus und viele Hotelbesitzer in Antalya haben bereits damit begonnen, ihre Werbung auf Länder im Nahen Osten und auf den Balkan auszurichten, um ihre Verluste auszugleichen.

"Das ist Politik und wir können nichts machen"

Savas, Manager im Sealife Family Resort Hotel in Antalya ist optimistisch. Das Geschäft laufe gut, berichtet er. Er arbeitet seit 1988 in der Tourismusindustrie und erzählt, er habe schon viele politische Krisen kommen und gehen sehen. Die aktuelle deutsch-türkische Auseinandersetzung beunruhige ihn nicht, da sie höchstwahrscheinlich zeitlich begrenzt sei.

2016 fiel die Anzahl russischer Gäste in seinem Hotel stark ab, nachdem die türkische Luftwaffe ein russisches Flugzeug abgeschossen hatte. Die daraus entstehende politische Krise versetzte sein Hotel in eine schwierige Lage, da Russen die zweitgrößte Touristengruppe in Antalya sind. Aber die Situation entspannte sich und im Sealife Hotel sind wieder so viele russische Gäste wie 2015.

Der Einbruch nach dem Abschuss der russischen Maschine war temporär, jetzt kommen wieder mehr Touristen aus RusslandBild: DW/D. Cupolo

In diesem Sommer gibt es mehr Urlauber aus dem Iran, dem Irak und den Balkanstaaten. Auf die Frage, wie sein Hotel mit einem möglichen Einbruch deutscher Touristenzahlen umgehen werde, zuckt er mit den Schultern. Das liege nicht in seiner Hand.

"Das ist Politik und wir können nichts machen", sagt er. "Wir konzentrieren uns auf unsere Arbeit. Erdogan und Merkel werden das klären müssen. Wir halten die Beziehung zu unseren Kunden aufrecht, nicht zu Politikern."

Mehrere Hotelangestellte berichteten der DW, dass ihre Hotels viele Stammkunden aus Deutschland haben. Ein Rezeptionist im Porto Bello Hotel Resort erzählt, dass er am Wochenende mehrere Anrufe von Deutschen Gästen bekommen habe, die ihre Reservierungen trotz der Reisewarnung bestätigen wollten.

Mehr Kunden aus dem Nahen Osten

Während die großen Hotels mit schwankenden Gästezahlen umgehen können, ist das für einige der kleinen Boutique-Hotels in Antalyas Altstadt schon schwieriger. Im Hotel Reutlingen kamen früher 70 Prozent aller Buchungen aus Deutschland, aber dieses Jahr sei diese Zahl auf zehn Prozent gefallen, sagt Mustafa, ein Hotel-Angestellter, der nur seinen Vornamen nennen will.

Es kommen immer mehr arabische Touristen. Sie könnten möglicherweise das Fernbleiben der Deutschen ausgleichenBild: DW/D. Cupolo

Jetzt kämen hauptsächlich arabische Touristen ins Hotel, erzählt Mustafa. Dennoch seien die Einnahmen derzeit zu gering, um das Haus das ganze Jahr über geöffnet zu halten. In den guten Zeiten sei das möglich gewesen. Trotzdem ist Mustafa ein Unterstützer von Präsident Erdogan und sagt, dass die Besucher aus dem Nahen Osten die türkische Tourismusindustrie auffangen könnten.

"Die EU versucht uns eine Lektion zu erteilen", sagt Mustafa. "Sie spielt mit der Türkei wie mit einem Spielzeug und wir haben genug davon. Wir gehen unseren eigenen Weg und wir werden so gut sein, dass die Touristen in Zukunft nicht werden wegbleiben können."

In der Nähe des Hotel Reutlingen sitzt ein deutsches Paar vor ihrem bescheidenen Wohnmobil. Sie sagen, die jüngsten Entwicklungen machten sie nervös, hätten aber auf ihren Urlaub keinen Einfluss.

"Wir sind seit drei Monaten hier und hatten keinerlei Probleme", berichten sie. "Wir mögen die Türkei sehr gern."

Übrigens: Die Handelskammer Antalyas und das Tourismusministerium hatten auf eine Interviewanfrage der DW nicht reagiert.