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Politik

Türkei: "Wer Kritik äußert, wird zur Zielscheibe"

23. Januar 2018

Seit vier Tagen läuft die türkische Militäraktion in Syrien rund um den Ort Afrin. In der Türkei selbst werde die Offensive mehrheitlich bejubelt, sagt die Journalistin Elif Akgül. Kritische Stimmen würden eingesperrt.

Türkei Panzer vor syrischer Grenze bei Afrin
Bild: Getty Images/AFP/B. Kilic

DW: Frau Akgül, seit dem Beginn der türkischen Militäroffensive in Syrien häufen sich wieder Berichte über Verhaftungen von Journalisten in der Türkei. Wissen Sie, wie viel Festnahmen es bislang gab?

Elif Akgül: Ja, gestern wurden 30 Menschen festgenommen, insbesondere in Diyarbakir. Am Dienstag hat sich die Zahl auf bis zu 75 erhöht. Und die Verhaftungswelle ebbt nicht ab. In Izmir, Muğla und Ankara halten die Razzien meinen Informationen nach an. Es geht gegen Journalisten, aber auch andere kritische Stimmen, vor allem von der Partei HDP, die sich für Minderheitenrechte einsetzt. Es trifft auch alle, die sich in Tweets kritisch geäußert haben.

Kritisch gegen die "Operation Olivenzweig", die Offensive türkischer Truppen in syrischen Kurdengebieten?

Ja, absolut. Es herrscht eine nationalistische Stimmung vor im Land. Die breite Masse der Medien hat sich dem angeschlossen, veröffentlicht schöne Bilder von Soldaten und Kampfflugzeugen. Sie bejubeln den Krieg, ganz, wie die Regierung es wünscht. Selbst Oppositionsparteien wie die CHP befürworten die Invasion. Dagegen sind eigentlich nur marginalisierte Gruppen und die HDP-Mitglieder. [Die linksgerichtete HDP setzt sich besonders für die kurdische Minderheit ein - die Red.] Die Regierung hat es jetzt auf die wenigen kritischen Stimmen abgesehen. Selbst, wer in Tweets nur vage Kritik angedeutet hat, wird jetzt zur Zielscheibe.

Ist das eine neue Qualität der Verfolgung Oppositioneller?

Nein, das gab es ja schon zuvor, dass man wegen eines einzelnen Tweets verhaftet wurde. Und dann wurde gesagt, es habe sich um terroristische Propaganda gehandelt oder man habe zur Gewalt aufgerufen, das Türkentum oder den Präsidenten beleidigt.

Prozesse gegen Journalisten in der Türkei

04:15

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Wächst zur Zeit dennoch die Furcht bei Journalisten besonders? Viele ihrer Kollegen wollten sich nicht in Interviews zu diesem Thema äußern.

Ja, so ist die Lage im Moment. Wir alle diskutieren darüber, was wir überhaupt noch twittern können und wie wir unsere Meinung zum Ausdruck bringen. Jeder, der seine kritische Meinung öffentlich macht, kann in Haft landen. Dabei ist es egal, ob die Veröffentlichung auf Facebook, Twitter, in einer Zeitungskolumne oder auf einer Demo erfolgt.

Elif AkgülBild: bianet.org

Und warum reden Sie öffentlich darüber?

Wir bei bianet.org wollen Friedensjournalismus fördern. Wir wollen keine Konflikte befördern, sondern Wege zum Frieden aufzeigen. In Zeiten des Krieges müssen wir das natürlich besonders laut tun. Aber es gibt auch bei uns Bedenken und die Befürchtung, dass uns Artikel oder Tweets zum Verhängnis werden. Unsere Autoren sind nicht radikal, unsere Artikel haben keine dicken roten Überschriften, wir rufen nur zum Frieden auf. Deshalb hoffe ich, dass wir nicht ins Visier geraten. Aber völlig optimistisch kann ich da nicht sein.

Elif Akgül ist Redakteurin beim regierungskritischen Portal bianet.org in Istanbul. Sie betreut das Thema Pressefreiheit.

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