1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Türkei will Medien stärker kontrollieren

Hilal Köylü
12. Oktober 2021

Für Kritiker wird es eng: Oppositionelle Medien in der Türkei, die Hilfe aus dem Ausland erhalten, sollen künftig ihre Einnahmequellen offenlegen. Journalistenverbände befürchten einen Angriff auf die Pressefreiheit.

Proteste für Pressefreiteit und gegen Gerichtsverhandlung gegen Journalisten in Istanbul
"Kein Maulkorb für die freie Presse", forderten Demonstranten im Juni 2020 in Istanbul Bild: DW/B. Mumay

Ist es ein Zeichen für Transparenz oder ein Maulkorb für Kritiker der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan? Eine Gesetzesinitiative in der Türkei sieht vor, dass Medien, die mit ausländischen Mitteln finanziert werden, künftig besonderen Pflichten unterworfen werden. 

Der Gesetzesvorschlag der ultranationalistische Partei MHP sieht vor, dass Einrichtungen und ihre "Informationsvermittlungsaktivitäten", sofern sie aus ausländischen Mitteln finanziert werden, einen "Sonderstatus" erhalten sollen. Personen und Organisationen sollen durch diesen Status "eindeutig" erkenntlich gemacht werden.

Zudem sollen Presseeinrichtungen, die direkte oder indirekte Mittel aus dem Ausland erhalten, zukünftig verpflichtet sein, einen Repräsentanten zu nominieren. Dieser "Medienvertreter" muss sich registrieren lassen und gegenüber dem türkischen Innenministerium Rechenschaft ablegen.

In der Türkei sind bereits rund 95 Prozent der Print- und Fernsehmedien unter Kontrolle von Unternehmen, die der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP nahe stehen. Oppositionelle Kräfte sind auf kleine, alternative Online-Plattformen wie Mediascope, Mezapotamya News oder T24 ausgewichen.

Präsident Erdogan und sein Koalitionspartner Devlet Bahceli (MHP) regulieren immer mehr die PresseBild: DHA

Diese Medien verfügen nur über kleine Budgets, erhalten aber häufig finanzielle Unterstützung aus dem Ausland - sowohl von öffentlichen als auch von privaten Fonds. Zum Ärger der türkischen Regierung stammen diese Förderer oft aus europäischen Ländern. Die Gesetzesinitiative der MHP könnte nun dafür sorgen, dass diese Einnahmequelle versiegt.

Strafen in Millionenhöhe?

Denn ausländische Plattformen oder Personen, die keinen Repräsentanten aus dem Ausland benennen oder mit dem Innenministerium keinen Kontakt aufnehmen, können zukünftig mit einer Freiheitsstrafe zwischen zwei und fünf Jahren oder mit Geldstrafen bis zu einer Million Lira belegt werden. 

Der stellvertretende Vorsitzende der MHP, Feti Yildiz, sagte der DW, dass es bei dem Gesetzesvorschlag um Transparenz gehe: "Unser Ziel ist es aufzudecken, wer welche Aktivitäten macht. Denn es gibt Personen und Institutionen, die nur Gelder beziehen, um unter dem Deckmantel der Pressefreiheit regierungsfeindlich aufzutreten." Der Gesetzesvorschlag solle, so Yildiz, nicht große Auslandssender wie die BBC oder die DW betreffen, weil die Einnahmequellen dieser Sender transparent seien.

Es geht bei dem geplanten Gesetz um Transparenz, sagt der MHP-Abgeordnete YildizBild: Privat

Es gebe ausländische Medien, führt Yildiz weiter aus, die engagiert würden, um Kritik an der türkischen Regierung zu üben. "Dies versuchen wir zu verhindern." Yildiz betont, dass es bei dem Vorschlag seiner Partei nicht darum gehe, die Freiheit der journalistischen Arbeit einzuschränken. "Wir haben keine Probleme mit Pressefreiheit. Wer unseren Gesetzesvorschlag gut liest, wird verstehen, um was es uns geht."

"Recht auf wahre Nachrichten"

Auch der Kommunikationsdirektor des Präsidentenpalastes, Fehrettin Altun, äußerte sich zu der geplanten Gesetzesinitiative: "Wir werden die Vorkehrungen, die wir brauchen, so schnell wie möglich abschließen, um die öffentliche Ordnung zu schützen und das Recht unseres Volkes auf wahre Nachrichten zu gewährleisten."

Journalistenorganisationen hingegen wittern einen weiteren Schlag gegen die Pressefreiheit. Renan Akyavas, Türkei-Koordinatorin des International Press Institute (IPI), sagte der DW, dass man derzeit versuche, mehr Informationen über den von der MHP eingebrachten Gesetzesvorschlag zu erhalten - daher werde man sich mit Abgeordneten austauschen.

"Der Vorschlag der MHP ist eine ernsthafte Bedrohung für die Medien (…). Wir haben große Bedenken (…). Die MHP will die Mittel kürzen, die für den Fortbestand des unabhängigen Journalismus bereitgestellt werden. Aber wir werden uns widersetzen", so Akyavas.

Auch große Anbieter wie Twitter sollen auf Wunsch der Regierung zukünftig mehr reguliert werdenBild: picture-alliance/chromorange/R. Peters

"Das hat nichts mit Pressefreiheit zu tun"

Yusuf Kanli, Vizepräsident der türkischen "Association of Journalists", weist darauf hin, dass aus dem Ausland finanzierte Medienplattformen bereits an das Finanzministerium berichteten und regelmäßig einen Geschäftsbericht veröffentlichten.

"Was gerade passiert ist, dass jeder Journalist der eine Finanzierung (aus dem Ausland) erhalten hat, gebrandmarkt wird", erklärt Kanli. "Das Brandmarken von Journalisten ist ein heißes Thema und hat nichts mit Pressefreiheit zu tun. Das akzeptieren wir nicht."

Esra Kocak, Leiterin des türkischen Journalistenverbands in Ankara, ist ebenfalls alarmiert. Es sei kein Geheimnis, dass MHP oder AKP jeden Versuch unternähmen, Druck auf die Presse zu erhöhen.

"Die Leute haben sich selbstständig dafür entschieden, ihre Nachrichten aus dem Ausland zu beziehen. Die Regierung ist sich dessen bewusst und versucht nun, diese Kanäle zu schließen oder mit Strafen einzuschüchtern." Ihr Verband werde dafür kämpfen, dass unabhängige Medien nicht finanziell ausgetrocknet oder als Propagandisten stigmatisiert werden.

Der Druck auf unabhängige Medienorganisationen ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Seit Oktober vergangenen Jahres hat die türkische Regierung mit dem Mediengesetz 5651 auch die Kontrolle über Inhalte im Internet massiv verstärkt.

So verpflichtet das Gesetz Plattformen mit über einer Million Nutzern, eine Niederlassung in der Türkei zu eröffnen. Sollten Twitter oder andere sich weigern, eine Repräsentanz auf türkischem Boden zu eröffnen, könnten türkische Gerichte ihre Bandbreite um bis zu 95 Prozent drosseln.