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Blogger gegen Netzzensur

Senada Sokollu14. Februar 2014

Die UN haben die Türkei wegen der geplanten Verschärfung der Internet-Kontrolle vor der Verletzung internationalen Rechts gewarnt. Türkische Blogger sind zuversichtlich, die Zensur der Regierung unterlaufen zu können.

Tausende demonstrieren in Istanbul gegen Internet-Gesetze (Foto: REUTERS/Osman Orsal)
Bild: Reuters/Osman Orsal

"Entweder das Internet oder die Apokalypse!" Mit diesem Slogan marschierten über 2000 Demonstranten am vergangenen Wochenende durch die Istanbuler Innenstadt. Die türkische Polizei reagierte in bekannter Manier - und ging mit Tränengas, Wasserkanonen und Schlagstöcken gegen die Regierungsgegner vor. Die Demonstranten antworteten mit Steinen und Feuerwerkskörpern.

Auslöser der erneuten Konfrontation war die Verabschiedung des neuen Internetgesetzes. Mit ihm soll es der Regierung künftig möglich sein, Internetseiten zu sperren - ohne jeglichen Gerichtsbeschluss. Außerdem sollen Onlineanbieter verpflichtet werden, Daten von Nutzern zu speichern, um sie anschließend den Behörden zugänglich zu machen. Premierminister Recep Tayyip Erdogan wies Kritik zurück, das Internet zensieren und die freie Meinungsäußerung einschränken zu wollen. Seine Regierung wolle vor allem die Jugend schützen. "Diese Bestimmungen bedeuten keine Zensur des Internets. Ganz im Gegenteil, sie machen es sicherer und freier", wird Erdogan von der türkischen Zeitung Hürriyet zitiert. Damit das Gesetz in Kraft tritt, muss Präsident Abdullah Gül noch unterschrieben. Kritiker fordern von ihm ein Veto.

"Wir werden einen Weg finden" - Blogger Ogulcan EkizBild: DW/Senada Sokollu

"Dann finden wir eben neue Wege"

Kritiker wie Ogulcan Ekiz. Der 22-Jährige Jurastudent ist aktiver Mikroblogger bei "140journos", einer Plattform für den sogenannten Bürgerjournalismus. Hier kann jeder in Sozialen Medien über Themen seiner Wahl berichten. "Wir sind unter anderem aktiv auf Twitter, Soundcloud, Facebook und Storify. Aber auf Twitter sind wir am aktivsten. Die Leute, wie beispielsweise die Demonstranten vom vergangenen Samstag, schicken uns Fotos, Videos und Tonaufnahmen, und wir stellen sie online", so Ekiz im DW-Gespräch. Besonders schwierig an dem neuen Gesetz sei, dass einzelne Internetadressen geblockt werden können, sagt Ekiz. "Die Regierung wird beispielsweise Twitter sicherlich nicht sperren lassen, da sie die Plattform für eigene Werbezwecke nutzt. Aber unsere Twitterseite oder einzelne Tweets könnten gesperrt werden. Das würde unsere Arbeit natürlich erheblich einschränken."

Der Student und sein Team haben bereits Erfahrung mit der Internetzensur in der Türkei gemacht. Rund 250 Interviews, die sie auf Soundcloud gespeichert hatten, seien seit zwei Wochen gesperrt, überhaupt könnten sie nicht mehr auf die Austauschplattform für Audiodateien zugreifen, so Ekiz. "Wir haben jetzt eine andere Seite gefunden, die wir für Interviews nutzen können. Und sollte die Regierung Twitter einschränken, finden wir auch hier neue Wege." Aber jeder Schritt, der die Zensur erleichtert, sei ein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Außerdem mache die Regierung den Menschen Angst, sagt Ekiz, bei manchen führe dies zur Selbstzensur. Er erinnert an Mahir Zeynalov. Der aserbaidschanische Journalist wurde wegen regierungskritischer Tweets Anfang Februar des Landes verwiesen. "Dieser Fall zeigt, wie einfach es für die türkische Regierung ist, zu zensieren und gegen unbequeme Kritiker vorzugehen.".

Zensur ist kontraproduktiv, sagt Blogger Deniz ErgürelBild: DW/Senada Sokollu

"Internet kann nicht endgültig blockiert werden"

Deniz Ergürel, Blogger und Generalsekretär des regierungsunabhängigen Medienverbandes in Istanbul, sieht in der Auslegung des Gesetzes das größte Problem. "Das neue Internetgesetz definiert neue Arten von Verbrechen: beispielsweise die Verbreitung von 'Hassparolen'. Doch wer beurteilt, was eine 'Hassparole' ist und was nicht? Wo liegen die Grenzen?", so Ergürel im DW-Gespräch. Das zweite große Problem sei der Eingriff in die Privatsphäre der Menschen, weil der Internetverkehr der Nutzer bis zu zwei Jahre lang gespeichert werden soll, kritisiert der Blogger. Alles werde dadurch transparent, eben auch das Private.

Verzweifeln will Ergürel aber nicht. Auch er ist überzeugt, dass die Nutzer immer neue Methoden finden werden, sich im Internet auszudrücken. "Es ist gegen die Natur des Internets. Man kann Inhalte nicht komplett aus dem Internet eliminieren, das Internet funktioniert nicht wie die physische Welt. Es wird immer Lücken und Techniken geben, um solchen Überwachungen zu entgehen." Außerdem sei die Zensur eine sehr wirksame Werbemöglichkeit: Werden bestimmte Inhalte gesperrt, richte sich die Aufmerksamkeit erst recht auf sie.

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