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Türkische Inflationsrate steigt auf 61 Prozent

4. April 2022

In der Türkei sind die Preise im März so stark gestiegen wie seit 20 Jahren nicht mehr. Der Ukraine-Krieg verschärft dabei die hausgemachten Probleme durch die von Staatschef Erdogan erzwungene Zinspolitik.

Türkei | Inflation
Bild: Sha Dati/Xinhua/imago images

Die türkischen Verbraucherpreise sind im März um 61,14 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen, teilte das Statistikamt am Montag in Ankara mit. Im Februar hatte die Teuerungsrate noch bei rund 54 Prozent gelegen. Ökonomen gehen davon aus, dass die Inflationsrate auch am Jahresende noch bei mehr als 50 Prozent stehen wird - nicht zuletzt infolge der nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine stark gestiegenen Energiepreise.

Besonders stark verteuerten sich die Spritpreise: Die Transportkosten, zu denen die Benzin- und Dieselkraftstoffe gezählt werden, verdoppelten sich binnen eines Jahres. Die Türkei importiert nahezu ihren gesamten Energiebedarf und bekommt deshalb die weltweit durch den Ukraine-Krieg gestiegenen Preise für Öl und Gas besonders stark zu spüren. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke kosteten 70 Prozent mehr als im März 2021, fast genauso hoch ist der Preissprung bei Möbeln.

Abgabe staatlich subventionierter Lebensmittel in Ankara im Februar 2019Bild: Getty Images/AFP/A. Altan

Getreide und Speiseöl werden teurer, der Tourismus leidet

Spürbare Auswirkungen durch den Krieg gibt es aber nicht nur bei den Energiekosten: Auch die Versorgung mit Getreide ist unter Druck. Und die türkische Tourismusbranche leidet, weil weniger russische Urlauber das Land besuchen.

Russland und die Ukraine sind neben Getreide auch wichtige Lieferanten für Sonnenblumenöl. Besonders das Speiseöl hatte sich in der Türkei zuletzt stark verteuert. Die türkische Regierung versucht seit langem gegenzusteuern und bringt immer wieder staatlich subventionierte Lebensmittel auf den Markt. Zusätzlich wurde in diesem Jahr die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel von acht auf ein Prozent gesenkt.

Die Türkei unterhält enge Beziehungen zur Ukraine und zu Russland. Ankara verurteilt die Invasion, beteiligt sich aber nicht an Sanktionen gegen Russland.

Erdogans unorthodoxe Zins-Doktrin

Die türkische Zentralbank strebt eigentlich eine Teuerungsrate von fünf Prozent an. Die Inflation lag in den vergangenen fünf Jahren meist im zweistelligen Bereich, was an den Einkommen und Ersparnissen der Türken zehrt. Experten geben der Notenbank eine Mitschuld an der Entwicklung. "Die Politik der Zentralbank funktioniert bei der Bekämpfung der Inflation einfach nicht", sagte Analyst Tim Ash vom Finanzhaus BlueBay Asset Management. "Ich glaube sogar, dass der überwiegende Konsens darin besteht, dass die unorthodoxe Politik der Zentralbank eine der Hauptursachen für die Inflation ist. Der Krieg in der Ukraine macht die Lage nur noch schlimmer."

Demonstration gegen die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Türkei im ostanatolischen Diyarbakır im Dezember 2021Bild: Felat Bozarslan/DW

Türkische Währung in der Dauerkrise

Die Notenbank hat trotz der drastischen Abwertung der Landeswährung Lira ihren Leitzins in der zweiten Jahreshälfte 2021 schrittweise von 19,0 auf 14,0 Prozent gesenkt. Dabei müsste sie nach Einschätzung der meisten Ökonomen das Gegenteil tun, nämlich mit höheren Zinsen die eigene Währung attraktiver machen. Die Lira hat im vergangenen Jahr 44 Prozent ihres Wertes zum Dollar eingebüßt, was wiederum die Inflation befeuert. Denn das rohstoffarme Land importiert mehr Waren als es exportiert.

Die Einfuhren werden oftmals in Dollar und anderen Devisen abgerechnet. Präsident Recep Tayyip Erdogan vertritt seit langem die unübliche Ansicht, dass die Zinsen die Inflation verursachen. Er hat im vergangenen Jahr ein neues Wirtschaftsprogramm aufgelegt, das niedrigen Zinsen, Exporten, Krediten und Investitionen Vorrang einräumt.

tko/ hb (rtr, afp, dpa)

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